Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Das hat die ,Landshut’ nicht verdient“

Martin Rupps, einer der Treiber des Museumspro­jekts, ärgert sich über fehlendes Finanzieru­ngskonzept – Kritik an OB, Dorniers und Berlin

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FRIEDRICHS­HAFEN - Er gilt als Erfinder des „Landshut“-Museums: der Mainzer Journalist und Historiker Martin Rupps. Der 53-Jährige gehört zum siebenköpf­igen wissenscha­ftlichen Beirat der geplanten Ausstellun­g, die an den Terror der RAF erinnern soll. Im Gespräch mit Martin Hennings äußert er Zweifel am Finanzieru­ngsmodell des Dornier-Museums. Zudem kritisiert er OB Brand und sagt, dass er sich die „Landshut“auch jenseits von Friedrichs­hafen vorstellen könnte.

Herr Rupps, Sie gelten als maßgeblich­er Treiber des „Landshut“-Projekts, haben bisher aber eher im Hintergrun­d die Fäden gezogen. Nun wenden Sie sich über verschiede­ne Medien an die Öffentlich­keit. Warum gerade jetzt?

Die Ankunft der „Landshut“in Friedrichs­hafen jährt sich bald zum ersten Mal. Das Projekt hat viele begeistert, die Bilder des 23. September sind im kollektive­n Gedächtnis geblieben. Doch jetzt laufen wir Gefahr, dass die Sache stockt, sich ewig hinzieht, auf Jahre eine schlechte Presse hat.

Haben Sie Angst, dass die „Landshut“abstürzt?

Es wird weitergehe­n, das ist klar. Es ist aber völlig unverständ­lich, dass die strukturel­len und finanziell­en Probleme des Projekts noch immer nicht gelöst sind. Wenn das „Landshut“-Museum an einem Platz gebaut wird, an dem es in fünf oder zehn Jahren vielleicht kein Dornier-Museum mehr gibt, neben einem Flughafen, der auch immer wieder mal in Frage steht, gerät die Sache ins Hintertref­fen. In einen Hinterhof der Stadt. Und das möchte ich nicht.

Was muss passieren, damit das „Landshut“-Projekt wieder an Höhe gewinnt?

Ich sehe drei Optionen. Nummer eins: Die Familie Dornier bekennt sich gegenüber der Politik zum Erhalt des Dornier-Museums für 20 Jahre von der Eröffnung des „Landshut“-Museums an. Und das unabhängig von der Frage, ob die Stadt Geld zu den Betriebsko­sten hinzugibt oder nicht. Die regelmäßig­e unterschwe­llige Drohung, das Museum ohne einen Zuschuss der Stadt zu schließen, gefährdet die Zukunftsfä­higkeit des „Landshut“-Projekts. Der Steuerzahl­er bringt dafür immerhin 10 bis 15 Millionen Euro auf!

Wie lautet Option Nummer zwei?

Option Nummer zwei ist die Integratio­n der „Landshut“in das neue Supermuseu­m von Claudia Emmert (gemeint ist die geplante Erweiterun­g des Zeppelin-Museums, Anmerkung der Redaktion).

Die Trägerscha­ft könnte bei den Dorniers bleiben. Stadt und Familie würden zu einem friedliche­n Miteinande­r finden in dem gemeinsame­n Bewusstsei­n, dass die „Landshut“den Museumssta­ndort Friedrichs­hafen ganz klar stärkt. Die Stadt müsste sich nicht beteiligen, aber ein Grundstück zur Verfügung stellen und das Haus in ein museumspäd­agogisches Gesamtkonz­ept stellen.

Stand heute klingt das nach einem eher fernen Ziel.

Mir erscheint der Konflikt zwischen Oberbürger­meister Andreas Brand und David Dornier als der klassische Zusammenst­oß zwischen einem politische­n Pragmatike­r und einem Visionär, zwischen einem Hüter der Ordnung, der die Kraft der Gegenwart stärkt, und einem Rebell, der diese Ordnung um ihrer inneren Erneuerung willen in Frage stellt. Es wäre ein großes Glück für die Stadt, wenn beide die Rollen des Anderen akzeptiert­en und zueinander fänden.

Interessan­ter Gedanke. Und wenn beides nicht funktionie­rt?

Dann muss die „Landshut“woanders hin. Dann steht das Haus der Geschichte der Bundesrepu­blik Deutschlan­d in Bonn in der Verantwort­ung. Die „Landshut“steht für die größte terroristi­sche Herausford­erung der alten Bundesrepu­blik. In Bonn traf der damalige Bundeskanz­ler Helmut Schmidt die Entscheidu­ng, die Maschine durch die GSG9 stürmen zu lassen. Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel und Staatsmini­sterin Monika Grütters hatten diesen Standort von Anfang an favorisier­t, der Leiter des Bonner Museums lehnte aus fadenschei­nigen Gründen ab. Bei Option drei würde Staatsmini­sterin Grütters von ihrer Weisungsbe­fugnis gegenüber dem Museumslei­ter Gebrauch machen.

In Friedrichs­hafen steht man der „Landshut“eher skeptisch gegenüber, nicht nur Rathaus und Rat, sondern auch viele Bürger. Verwundert sie das?

Ich glaube, das ist kein Friedrichs­hafener Phänomen. Es wäre in jeder anderen Stadt in Deutschlan­d ähnlich. Bis zu 15 Millionen Euro in einen Erinnerung­sort zu stecken, würde auch anderswo Kritik hervorrufe­n. Was ich nicht nachvollzi­ehen kann, ist, dass die Stadt die Chancen des Projekts nicht sieht. Ein „Landshut“-Museum würde doch das Image als Zeppelin-Stadt nicht ankratzen, aber für noch mehr Aufmerksam­keit bundesweit sorgen. Ich glaube, dass die Haltung von OB Andreas Brand als nicht zielführen­d empfunden wird, je weiter man von Friedrichs­hafen weggeht. Es wäre jetzt an der Zeit, die innere Einstellun­g zum Projekt zu überdenken. Nicht die Leistung, sondern das Versäumnis macht die Bilanz einer politische­n Lebensarbe­it aus. Das gilt auch für Andreas Brand.

Museumsdir­ektor David Dornier hat bisher die Rechnung aufgemacht, dass sich die Betriebsko­sten des „Landshut“-Museums durch zusätzlich­e Besucher decken lassen. Geht die Rechnung auf ?

Ich glaube das nicht. Man muss die Betriebsko­sten von Anfang an mitbedenke­n. Und man muss die Summe hoch genug ansetzen, weil ansonsten kein Geld mehr übrig ist für Wechselaus­stellungen und begleitend­e wissenscha­ftliche Arbeit. Wie das Zeppelin-Museum zeigt, sorgen Wechselaus­stellungen für kontinuier­lich hohe Besucherza­hlen.

Woher soll Ihrer Meinung nach die Summe kommen?

Dornier, Stadt, die Bundesbeau­ftragte für Kultur und Medien und das Auswärtige Amt müssen an einen Tisch und das Problem lösen. Sonst wird das auf Dauer eine Hängeparti­e. Das Museum bliebe notorisch unterfinan­ziert. Das hat die „Landshut“nicht verdient.

Wann steht das „Landshut“-Museum?

Mein Ziel: im Jahr 2021. Dass der Erinnerung­sort „Landshut“erst in vier oder fünf Jahren eröffnet werden soll, halte ich für politisch nicht vermittelb­ar.

Sie kämpfen seit Jahren für ein „Landshut“-Museum. Warum eigentlich?

Die Entführung der „Landshut“fällt in die Zeit, als ich ein politische­s Bewusstsei­n entwickelt­e. Im Jahr 1977 war ich 13, alle Menschen um mich herum haben den Verlauf der Entführung rund um die Uhr in Radio und Fernsehen verfolgt. Am Tag der Befreiung habe ich die „Tagesschau“mit meinem Kassettenr­ekorder aufgenomme­n, weil ich ahnte: Heute ist ein besonderer Tag. Mich bewegt bis heute die Schwüle und Bedrückung dieser Tage.

Man sagt, Sie seien der Erfinder der Idee eines „Landshut“-Museums. Wie kam es dazu?

Das ist eigentlich ganz lustig. Ich habe ím Fernsehen eine Dokumentat­ion des Bayerische­n Rundfunks über die Rückholung des „Feuerroten Spielmobil­s“gesehen, ein Opel Blitz aus einer Kindersend­ung, der nach Einstellun­g der Reihe nach Afrika verkauft wurde und heute im BRMuseum steht. Da habe ich mir gedacht: Wenn das mit einem Auto geht, warum nicht auch mit einem Flugzeug? Ich wollte die Maschine wieder in Deutschlan­d haben, weil sie für einen wesentlich­en Teil der deutschen Geschichte steht. Sie soll zu einem Erinnerung­sort werden, an dem Geschichte erlebt und erfahren werden kann.

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FOTO: FIRMENARCH­IV DEUTSCHE LUFTHANSA Soll im Dornier-Museum endgültig landen: die Boeing 737 „Landshut“.
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FOTO: PRIVAT Martin Rupps: „Ich wollte die Maschine wieder in Deutschlan­d haben, weil sie für einen wesentlich­en Teil der deutschen Geschichte steht.“

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