Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Flüchtling wünscht sich friedliches Zusammenleben
In Winterlingen laufe die Integration gut – Die aktuellen Ereignisse in Chemnitz beschäftigen den 21-Jährigen
WINTERLINGEN - „Ich liebe Deutschland.“Dieser Satz kommt dem jungen Flüchtling Mohammad aus Winterlingen sehr leicht über die Lippen. Doch die aktuellen Ereignisse in Chemnitz machen ihm Sorgen. Er verurteilt sowohl die Ausschreitungen von Rechtsextremen gegen Ausländer, Flüchtlinge und Polizisten als auch die vorausgegangene Messerstecherei auf offener Straße, die den Tod eines 35-jährigen Deutschen zur Folge hatte.
Seine Familie musste vor dem Bürgerkrieg in Syrien flüchten. Sie hat Deutschland um die Jahreswende 2015/16, über die Türkei und Osteuropa, erreicht. Mittlerweile haben sie Deutschland schätzen und lieben gelernt. Das liegt an den guten Bedingungen und Begegnungen vor Ort. Winterlingen ist nicht nur ein Ort, in den die syrische Familie zufällig geschickt worden war. Winterlingen ist zur neuen Heimat für die Familie geworden.
Die gesamte Familie fühlt sich dort wohl und ist dankbar „für alles“, wie sie sagt. Mohammad hat gemeinsam mit seiner Schwester und seinen Eltern fleißig Sprachkurse absolviert. Nun steht für den 21-Jährigen ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Sigmaringen an. Er freut sich auf die neue Herausforderung und möchte danach eine Ausbildung absolvieren, „vielleicht im Pflegeheim“. Zudem will sich der junge Flüchtling in der örtlichen Feuerwehr engagieren und nimmt bereits an deren Proben teil. „Es gefällt mir, Menschen zu helfen.“
Mohammads Eltern arbeiten beide Vollzeit, zahlen nun also in das System ein, von dem sie künftig selbst profitieren werden – sie sind damit nicht mehr auf das Jobcenter angewiesen. Privat sind die Flüchtlinge mit vielen einheimischen Familien befreundet. Die zuständige Begleiterin für Berufliche Bildung in Albstadt bezeichnet die Familie als „sehr integrationswillig“. „Ich will noch mehr über Deutschland lernen und mich hier einbringen“, sagt Mohammad. Sowohl sprachlich wolle er noch besser hier ankommen als auch die Kultur kennen- und verstehen lernen.
Aktuelle Ereignisse in Chemnitz beschäftigen den jungen Syrer
Mohammad weiß aber auch, dass das Zusammenleben nicht überall so gut funktioniert wie in Winterlingen. Die Nachrichten aus Chemnitz bewegen ihn. Während des Interviews sieht sich der Winterlinger Videos von den großen rechtsgerichteten Demonstrationen an. Mohammad verfolgt täglich Nachrichten über aktuelle Ereignisse und Entwicklungen in Deutschland und es beschäftigt ihn, wie sich das Land entwickelt und wie Vorurteile und tatsächliche Probleme zwischen verschiedenen Gruppen wachsen. Auch regionale Meldungen bekommt er mit. Er hofft, dass Missetaten Anderer, die hier friedlich lebenden Flüchtlinge wie ihn nicht in Misskredit bringen.
Seine Haltung ist klar: „Alle Menschen sollen Respekt voreinander haben“, egal woher sie kommen. Mohammad ist Deutschland dankbar für alle Chancen, die er und viele seiner Landsleute bekommen haben. Sein Wunsch klingt simpel und ist doch keineswegs selbstverständlich: Er wünscht sich, dass der Frieden hier erhalten bleibt, den er in Syrien längst nicht mehr hatte. Und er wünscht sich, dass Menschen so gut es geht miteinander leben. Jeder könne seinen Teil dazu beitragen, so der Winterlinger. Und: „Wir brauchen auch positive Beispiele in den Medien. Sonst denken die Menschen, dass sich alle Flüchtlinge schlecht benehmen.“Das dürfe nicht passieren.