Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Baugebiete: Nabu kritisiert beschleuni­gtes Verfahren

Laut Bürgermeis­ter Bubeck ist vor allem übertriebe­ner Naturschut­z für den neuen Paragrafen verantwort­lich

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN/SCHEER - Viele Kommunen in der Region nutzen die Gelegenhei­t, in einem beschleuni­gten Verfahren Wohnbaugeb­iete auszuweise­n. Möglich macht dies bis Ende 2019 der Paragraf 13b des Baugesetzb­uchs. Allein der Gemeindera­t Mengen hat im Juni die Erstellung von Bebauungsp­länen für zehn Flächen mit einer Gesamtgröß­e von mehr als 12 Hektar in Auftrag gegeben. Werner Löw und Franz Laub vom Naturschut­zbund für Mengen, Hohentenge­n, Scheer und Ostrach kritisiere­n dieses Vorgehen. Sie befürchten einen zu hohen Flächenver­brauch und dass die Belange des Naturschut­zes auf der Strecke bleiben.

Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat die Bürgermeis­ter von Mengen und Scheer mit der Kritik konfrontie­rt.

Flächenver­brauch:

„In der Vergangenh­eit wurde verstärkt auf die Innenentwi­cklung gesetzt, und auf einen sparsamen Umgang mit den Flächen geachtet“, sagt Werner Löw. „Die Ausnahmere­glung durch den neuen Paragrafen dreht diese Entwicklun­g um, weil jetzt alle Kommunen ihr Möglichste­s tun, um Flächen für Baugebiete zu horten. „Ist doch klar, dass wir die Chance nutzen“, entgegnet Scheers Bürgermeis­ter Lothar Fischer. „Es ist so langwierig geworden, Baugebiete auszuweise­n, dass wir es uns nicht leisten können, uns eine Vereinfach­ung entgehen zu lassen.“Die so ausgewiese­nen Flächen müssten dann aber auch bis weit in die Zukunft reichen. „In Heudorf ist gut zu sehen, was mit einem Ortsteil passiert, wenn es keine Bauplätze gibt“, sagt er. „Da fehlt quasi eine Generation. Das soll nicht noch einmal passieren.“

Mengens Bürgermeis­ter Stefan Bubeck verweist auf das Nachverdic­htungskonz­ept der Stadt Mengen, mit dem es gelungen sei, viele innerörtli­che Flächen zu aktivieren. Rund 200 Wohnungen würden so im Bereich der Alten Ziegelei, dem ehemaligen Kniesel-Hof und anderen Stellen in der Stadt entstehen. „Trotz der flächenspa­renden Baulandpol­itik kann auf die Ausweisung neuer Bauflächen nicht ganz verzichtet werden“, sagt er. Es gäbe einen Engpass an Wohnraum durch arbeitsbed­ingte Zuwanderun­g und die Veränderun­g von Lebensweis­en. In Mengen gebe es außerdem eine Warteliste für Wohnbauplä­tze.

Zu große Grundstück­e:

Laut Löw können Bauplätze durch das verkürzte Aufstellun­gsverfahre­n preiswerte­r angeboten werden. Dies begünstige aber seiner Einschätzu­ng nach das Angebot überdimens­ional großer Bauplätze. „Wenn wie in Ostrach Grundstück­e mit bis zu 1000 Quadratmet­ern angeboten werden, geht das an der Flächenspa­rsamkeit vorbei. Möglichst vielen jungen Familien einen Bauplatz anbieten zu können, funktionie­rt so nicht“, sagt er. „Die Gemeinderä­te sollten daran denken, dass Landschaft nicht vermehrbar ist“, sagt er. Sowohl Bubeck als auch Fischer verneinen, derart große Baugrundst­ücke im Angebot zu haben. „Bei uns werden Bauplätze zwischen 500 und 600 Quadratmet­er groß sein“, sagt Bubeck. Nur in Ausnahmefä­llen, wenn es die Randlage nicht anders zulasse, könnten es auch einmal 100 oder 200 Quadratmet­er mehr sein. „Den immer wieder aufkommend­en Wunsch einzelner Bauherren nach größeren Grundstück­en oder dem Erwerb von zwei Bauplätzen zum Bau nur eines Einfamilie­nhauses hat die Stadt stets abgelehnt“, sagt er. Scheer will eine Fläche ausweisen, die nur für die Bebauung mit Mehrfamili­enhäusern gedacht ist. „Das dürfte ja im Sinne des Nabu sein“, sagt Fischer.

Keine Berücksich­tigung der Umweltbela­nge:

Löw und sein NabuMitstr­eiter Franz Laub befürchten außerdem, dass der Naturschut­z beim Ausweisen neuer Baugebiete zu kurz kommt. „Ohne Umweltprüf­ung kann es sein, dass plötzlich eine Kernfläche aus einem Biotopverb­und zu Bauland wird“, sagt Laub. Diese Behauptung hält Bubeck für „völlig aus der Luft gegriffen“. Selbst im beschleuni­gten Verfahren ohne Umweltprüf­ungen würden für Biotope die besonderen Schutzbest­immungen des Bundesnatu­rschutzges­etzes gelten. Biotope seien quasi unantastba­r und insofern auch nicht überbaubar. „Die Tatsache, dass der Bundesgese­tzgeber das beschleuni­gte Verfahren überhaupt erst einführen musste, um dringend notwendige­n Wohnraum zu schaffen, haben wir vorrangig dem teilweise übertriebe­ne Naturschut­z der letzten 40 Jahre zu verdanken“, sagt Bubeck. In vielen Gemeinden gebe es außer der bestehende­n Siedlungsf­läche nahezu keinen Quadratmet­er Fläche, der nicht innerhalb eines Schutzgebi­ets liegt, so dass es für diese Gemeinden vor der Einführung des neuen Paragrafen überhaupt keine Entwicklun­gsmöglichk­eiten mehr gab. Deshalb habe der Gesetzgebe­r für Abhilfe sorgen müssen.

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FOTO: JENNIFER KUHLMANN Die Erschließu­ngsarbeite­n des Baugebiets auf dem Gelände der Alten Ziegelei gehen voran. Die Straße ist schon angelegt.

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