Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Baugebiete: Nabu kritisiert beschleunigtes Verfahren
Laut Bürgermeister Bubeck ist vor allem übertriebener Naturschutz für den neuen Paragrafen verantwortlich
MENGEN/SCHEER - Viele Kommunen in der Region nutzen die Gelegenheit, in einem beschleunigten Verfahren Wohnbaugebiete auszuweisen. Möglich macht dies bis Ende 2019 der Paragraf 13b des Baugesetzbuchs. Allein der Gemeinderat Mengen hat im Juni die Erstellung von Bebauungsplänen für zehn Flächen mit einer Gesamtgröße von mehr als 12 Hektar in Auftrag gegeben. Werner Löw und Franz Laub vom Naturschutzbund für Mengen, Hohentengen, Scheer und Ostrach kritisieren dieses Vorgehen. Sie befürchten einen zu hohen Flächenverbrauch und dass die Belange des Naturschutzes auf der Strecke bleiben.
Die „Schwäbische Zeitung“hat die Bürgermeister von Mengen und Scheer mit der Kritik konfrontiert.
Flächenverbrauch:
„In der Vergangenheit wurde verstärkt auf die Innenentwicklung gesetzt, und auf einen sparsamen Umgang mit den Flächen geachtet“, sagt Werner Löw. „Die Ausnahmereglung durch den neuen Paragrafen dreht diese Entwicklung um, weil jetzt alle Kommunen ihr Möglichstes tun, um Flächen für Baugebiete zu horten. „Ist doch klar, dass wir die Chance nutzen“, entgegnet Scheers Bürgermeister Lothar Fischer. „Es ist so langwierig geworden, Baugebiete auszuweisen, dass wir es uns nicht leisten können, uns eine Vereinfachung entgehen zu lassen.“Die so ausgewiesenen Flächen müssten dann aber auch bis weit in die Zukunft reichen. „In Heudorf ist gut zu sehen, was mit einem Ortsteil passiert, wenn es keine Bauplätze gibt“, sagt er. „Da fehlt quasi eine Generation. Das soll nicht noch einmal passieren.“
Mengens Bürgermeister Stefan Bubeck verweist auf das Nachverdichtungskonzept der Stadt Mengen, mit dem es gelungen sei, viele innerörtliche Flächen zu aktivieren. Rund 200 Wohnungen würden so im Bereich der Alten Ziegelei, dem ehemaligen Kniesel-Hof und anderen Stellen in der Stadt entstehen. „Trotz der flächensparenden Baulandpolitik kann auf die Ausweisung neuer Bauflächen nicht ganz verzichtet werden“, sagt er. Es gäbe einen Engpass an Wohnraum durch arbeitsbedingte Zuwanderung und die Veränderung von Lebensweisen. In Mengen gebe es außerdem eine Warteliste für Wohnbauplätze.
Zu große Grundstücke:
Laut Löw können Bauplätze durch das verkürzte Aufstellungsverfahren preiswerter angeboten werden. Dies begünstige aber seiner Einschätzung nach das Angebot überdimensional großer Bauplätze. „Wenn wie in Ostrach Grundstücke mit bis zu 1000 Quadratmetern angeboten werden, geht das an der Flächensparsamkeit vorbei. Möglichst vielen jungen Familien einen Bauplatz anbieten zu können, funktioniert so nicht“, sagt er. „Die Gemeinderäte sollten daran denken, dass Landschaft nicht vermehrbar ist“, sagt er. Sowohl Bubeck als auch Fischer verneinen, derart große Baugrundstücke im Angebot zu haben. „Bei uns werden Bauplätze zwischen 500 und 600 Quadratmeter groß sein“, sagt Bubeck. Nur in Ausnahmefällen, wenn es die Randlage nicht anders zulasse, könnten es auch einmal 100 oder 200 Quadratmeter mehr sein. „Den immer wieder aufkommenden Wunsch einzelner Bauherren nach größeren Grundstücken oder dem Erwerb von zwei Bauplätzen zum Bau nur eines Einfamilienhauses hat die Stadt stets abgelehnt“, sagt er. Scheer will eine Fläche ausweisen, die nur für die Bebauung mit Mehrfamilienhäusern gedacht ist. „Das dürfte ja im Sinne des Nabu sein“, sagt Fischer.
Keine Berücksichtigung der Umweltbelange:
Löw und sein NabuMitstreiter Franz Laub befürchten außerdem, dass der Naturschutz beim Ausweisen neuer Baugebiete zu kurz kommt. „Ohne Umweltprüfung kann es sein, dass plötzlich eine Kernfläche aus einem Biotopverbund zu Bauland wird“, sagt Laub. Diese Behauptung hält Bubeck für „völlig aus der Luft gegriffen“. Selbst im beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfungen würden für Biotope die besonderen Schutzbestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes gelten. Biotope seien quasi unantastbar und insofern auch nicht überbaubar. „Die Tatsache, dass der Bundesgesetzgeber das beschleunigte Verfahren überhaupt erst einführen musste, um dringend notwendigen Wohnraum zu schaffen, haben wir vorrangig dem teilweise übertriebene Naturschutz der letzten 40 Jahre zu verdanken“, sagt Bubeck. In vielen Gemeinden gebe es außer der bestehenden Siedlungsfläche nahezu keinen Quadratmeter Fläche, der nicht innerhalb eines Schutzgebiets liegt, so dass es für diese Gemeinden vor der Einführung des neuen Paragrafen überhaupt keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr gab. Deshalb habe der Gesetzgeber für Abhilfe sorgen müssen.