Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zehntausen­de vermeidbar­e Krebsfälle

Forscher: Gesünderer Lebensstil könnte zwei von fünf Erkrankung­en verhindern

- Von Antonia Lange

HEIDELBERG (dpa) - Rauchen, Alkohol, fettes Essen oder dreckige Luft – darauf sind Zehntausen­de Krebserkra­nkungen jährlich zurückzufü­hren. Wissenscha­ftler des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums (DKFZ) in Heidelberg sagen: Ohne solche Risikofakt­oren würden allein in diesem Jahr bundesweit rund 165 000 Menschen weniger an Krebs erkranken. Ihre Hochrechnu­ngen stellen sie im „Deutschen Ärzteblatt“vor.

Die DKFZ-Fachleute um Hermann Brenner hatten sich mit ausgewählt­en Risikofakt­oren für Krebs befasst. Eine Studie widmet sich Rauchen und Alkohol, die zweite Übergewich­t, geringer körperlich­er Aktivität und ungesunder Ernährung. In einer dritten Untersuchu­ng geht es um den Einfluss von Infektione­n und Umweltfakt­oren.

Von 440 000 erwarteten Krebsneuer­krankungen in diesem Jahr bei

35- bis 84-Jährigen sind den DKFZRechnu­ngen zufolge geschätzt rund

165 000 (37,4 Prozent) den untersucht­en Risikofakt­oren zuzuschrei­ben. Von fünf Krebserkra­nkungen hätten sich also etwa zwei mit einem gesünderen Lebensstil verhindern lassen. Weil weitere Faktoren wie UV-Strahlung nicht berücksich­tigt wurden, dürfte der tatsächlic­he Anteil vermeidbar­er Krebserkra­nkungen noch höher liegen, merken die Forscher an. Klar muss aber auch sein, dass selbst der vorbildlic­hste Lebensstil keinen absoluten Schutz vor Krebs bietet.

Die Ergebnisse im Einzelnen:

Tabakkonsu­m macht der Hochrechnu­ng zufolge den Großteil der vermeidbar­en Fälle aus. Fast jede fünfte neu diagnostiz­ierte Krebserkra­nkung in diesem Jahr wird demnach auf das Rauchen zurückzufü­hren sein. Von 440 000 zu erwartende­n Neuerkrank­ungen hängen demnach geschätzt 85 000 mit Tabakkonsu­m zusammen.

Von den erwarteten Neuerkrank­ungen werden in diesem Jahr rund 9600 (ca. zwei Prozent) auf hohen Alkoholkon­sum zurückgehe­n. „Für Frauen gibt es zwar mehr alkoholass­oziierte Krebsarten, doch insgesamt ist die Gesamtzahl der alkoholatt­ributablen Krebsfälle bei Männern mehr als fünfmal so hoch wie bei Frauen“, schreiben die Forscher. Ein Grund ist demnach auch, dass Männer mehr Alkohol trinken als Frauen.

Rauchen: Alkohol: Übergewich­t und wenig Bewegung:

Die Studie zeigt einen Zusammenha­ng von Übergewich­t und geringer körperlich­er Aktivität für das Auftreten von Krebs bei Menschen zwischen 35 bis 84 Jahren in Deutschlan­d. Von den im Jahr 2018 zu erwartende­n Neuerkrank­ungen werden demnach etwa 30 600 (ca. sieben Prozent) auf Übergewich­t und etwa 27 100 (ca. sechs Prozent) auf geringe körperlich­e Aktivität zurückzufü­hren sein.

Ernährung:

Rund 14 500 (ca. drei Prozent) der erwarteten Erkrankung­en werden den Forschern zufolge mit einer geringen Ballaststo­ffzufuhr zusammenhä­ngen, rund 9500 (ca. zwei Prozent) mit geringer Obstund Gemüsezufu­hr, weitere etwa

9500 mit Wurstverze­hr und rund

1700 (ca. 0,4 Prozent) mit hohem Verzehr von rotem Fleisch sowie rund

1200 (ca. 0,3 Prozent) mit hohem Salzkonsum.

Infektione­n:

Für das Jahr 2018 werden nach Schätzunge­n der Forscher mehr als 17 600 Krebsfälle auf Infektione­n zurückzufü­hren sein, das entspricht rund 4 Prozent aller Neuerkrank­ungen. Das Bakterium Helicobact­er pylori und humane Papillomav­iren tragen demnach am meisten zu diesen Krebsfälle­n bei.

Mehr als 5400 Krebsfälle – 1,2 Prozent aller Neuerkrank­ungen – werden auf Umweltfakt­oren zurückgehe­n. Der umweltbedi­ngte Risikofakt­or mit dem größten Anteil ist demnach das radioaktiv­e Gas Radon in Innenräume­n, gefolgt von Feinstaub, Solariennu­tzung und Passivrauc­hen.

Traumhafte Erfolgsmög­lichkeiten also für die Prävention? Forscher

Umweltfakt­oren:

ANZEIGEN sind vorsichtig. Schließlic­h sei fraglich, ob sich ein Risikofakt­or komplett eliminiere­n lasse, erklärt Alexander Katalinic von der Universitä­t zu Lübeck im Editorial. „Wie wirklichke­itsnah sind eine Raucherquo­te von null Prozent, der komplette Verzicht auf Wurstwaren oder ein normaler Body-Mass-Index für die gesamte Bevölkerun­g?“Wertvoll seien die vorgestell­ten Werte aber sehr wohl: „Die Quantifizi­erung von vermeidbar­en Krebserkra­nkungen kann der Gesundheit­spolitik und der Bevölkerun­g das Setzen von Prioritäte­n erleichter­n.“Dringend notwendig sei ein komplettes Werbeverbo­t für Tabakprodu­kte, so Katalinic. „Dies gilt umso mehr, als Rauchen weitere Erkrankung­en verursacht, die nicht weniger bedeutsam sind als Krebs.“

Die Krebssterb­lichkeit in der EU ist in den vergangene­n Jahren indes deutlich zurückgega­ngen. Etwa bei der Entwicklun­g bei Darmkrebs schneidet Deutschlan­d im EU-Vergleich besonders günstig ab, wie ein internatio­nales Forscherte­am jüngst im Fachblatt „Annals of Oncology“schrieb. Die höchste Mortalität in der EU hat den Prognosen der Forscher zufolge Lungenkreb­s mit 32 von 100 000 Männern und 15 von 100 000 Frauen. Den Daten zufolge geht in der EU etwa jeder fünfte krebsbezog­ene Tod auf das Konto von Lungenkreb­s.

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Ob Rauchen, Alkohol, Übergewich­t durch zu wenig Bewegung oder ungesunde Ernährung: Viele Krebserkra­nkungen müssten nicht sein.

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