Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Poeten präsentieren Texte mit Tiefgang
Sieben der besten deutschen Poetry-Slammer messen sich in Sigmaringendorf
SIGMARINGENDORF - Mehr als 500 Zuschauer haben am Freitagabend auf der Sigmaringendorfer Waldbühne eine Premiere verfolgt: Beim ersten Sigmaringendorfer Poetry-Slam traten sieben Poeten in einem Dichterwettstreit gegeneinander an. Aus ganz Deutschland waren die Slammer angereist, um auf der Waldbühne selbst erdachte Texte vorzutragen und wurden dort vom Publikum dermaßen bejubelt, dass Moderator und Lokalmatador Andreas Rebholz große Schwierigkeiten hatte, einen Sieger auszumachen. Schließlich erklärte er mit Hanz und Nik Salsflausen zwei der sieben Poeten zu den Siegern des Abends.
„Gemessen an der Kulisse ist Poetry Slam eine sehr junge Disziplin“, erklärte Gastgeber Rebholz bei der Begrüßung auf der Waldbühne. Die feiert in diesem Jahr ihr 90-jähriges Bestehen. Poetry-Slam dagegen gebe es erst seit rund 20 bis 25 Jahren, sagte Rebholz. Drei Regeln seien beim Wettbewerb zu beachten: „Alles, was vorgetragen wird, muss selbst erdacht sein, Requisiten sind nicht erlaubt und das Zeitlimit von sechs Minuten darf nicht überschritten werden.“Das Publikum entscheide im Anschluss an die Slams per Applaus, wer Sieger des Abends werde. Rebholz, selbst Poetry-Slammer und Träger des Kleinkunstpreises des Landkreises Sigmaringen, hatte im Vorfeld der Veranstaltung angekündigt, „einige der Besten der Slammer-Szene“nach Sigmaringendorf zu holen – und sein Versprechen gehalten.
Mit Alex Burkhard trat zuerst der amtierende deutsche Meister und bayerische Meister aus dem Jahr 2017 ans Mikrofon. Als „Ausguck-Alex“erklärte er, er habe das Geschichtenerzählen bei Käpt’n Blaubär gelernt. „Man muss die Wahrheit sparsam nutzen, weil sie den Zauber nimmt“, sagt er und entführte die Zuschauer mit seinem Text dann auf die hohe See, wo er „einst als Matrose Planken gewischt hat“.
Einen ganz anderen Ton schlug Rebecca Heims aus Bochum an, die ruhig und nachdenklich ihre Erlebnisse aus einem Familienurlaub in Ostdeutschland schilderte, bei dem sie auf Grenzen stieß, vor allem jene, die im Kopf entstehen. Auch ihr Text schien den Nerv der Sigmaringendorfer Zuschauer zu treffen, denn während sie sprach, wurde es an der Waldbühne so leise, dass außer ihr nur der Regen zu hören war, der gleichmäßig auf das Dach der Zuschauertribüne fiel.
Gelacht wurde dann wieder beim späteren Sieger Nik Salsflausen aus Esslingen und seinem Text über einen Junggesellenabschieds-Campingurlaub. Anja Perkuhn aus München beschrieb in ihrem Text „Orchideenmenschen“ihre Beziehung zu den langstieligen Blumen, „die aktiv eingehen, ohne selbst zu wissen, warum überhaupt“, bevor Hanz, der baden-württembergische Vizemeister des Jahres 2015, seine Erlebnisse bei einer Wein- und Käseprobe so humorvoll schilderte, dass das Publikum ihn ins Finale wählte. Dort stand er dann Jonathan Löffelbein („Meine
sagt ein Zuschauer des Poetry-Slams auf der Sigmaringendorfer Waldbühne.
Mutter wollte immer, dass ich was Richtiges mit meinem Leben mache – oder wenigstens Lehrer werde.“) und Nik Salsflausen („Esslingen ist, wenn dir die Vermieterin den Putzplan ins Osternest legt“) gegenüber. In ihren Texten ging es um das Künstlerdasein, um Sexualkunde bei Teenagern oder um die Geräusche, die nackte Männer in der Sauna von sich geben. „Ich war der einzige, der noch seine natürliche Haarfarbe und den Sauna-Eintritt nicht beim Apotheken-Umschau-Kreuzworträtsel gewonnen hat“, sagte Hanz in seinem Siegerslam. Und während er anschließend minutenlang detailgetreu nachahmte, welche Geräusche ältere Männer in der Sauna machen, rief ein Zuschauer aus dem gröhlenden Publikum: „Der spricht mir aus der Seele.“
„Der spricht mir aus der Seele“,
Ein Video, in dem Andreas Rebholz erzählt, wie er die Slam-Elite Deutschlands nach Sigmaringendorf holte, sowie zwei der drei Finalslams in voller Länger gibt es online unter www.schwaebische.de/ poetry-waldbühne