Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gegen den Lärm und gegen das Land
Uhldingen-Mühlhofen darf laut Verwaltungsgerichtshof Tempo 30 durchsetzen
UHLDINGEN-MÜHLHOFEN - Die Gemeinde Uhldingen-Mühlhofen wünscht sich für die Ortsdurchfahrten schon lange Tempo 30. Nun könnte dieser Wunsch wahr werden, denn der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat mit einem Urteil die Position der Gemeinde gestärkt. Vorausgegangen war ein längerer Rechtsstreit. Die Gemeinde hatte gegen das Land geklagt, weil es sich weigerte, ihren Lärmaktionsplan umzusetzen. Das Land kann noch innerhalb eines Monats Revision einlegen.
„Wir sind sehr zufrieden mit dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs“, sagt Bürgermeister Edgar Lamm. Das Gericht habe mit dieser Entscheidung zugunsten der vom Lärm betroffenen Bürger von Oberuhldingen und Mühlhofen entschieden. „Was rechtens ist, hat nun auch Recht bekommen“, sagt Lamm. Die Gemeinde müsse jedoch abwarten, ob das Urteil Rechtskraft bekommt oder ob das Land Revision beim Bundesgerichtshof einlege.
Alles hatte damit begonnen, dass der Gemeinderat Uhldingen-Mühlhofen im Oktober 2013 einen Lärmaktionsplan beschloss. Er sieht für die Ortsdurchfahrten von Oberuhldingen und Mühlhofen auf der Landesstraße 201 eine Reduzierung der Geschwindigkeit von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde vor. Die Regelung soll in den Nachtstunden von 22 Uhr bis 6 Uhr gelten.
Zuerst eine mündliche Absage
„Das Landratsamt Bodenseekreis, dem wir den Lärmaktionsplan zugestellt haben, hat uns dann jedoch in einem ausführlichen mündlichen Gespräch mitgeteilt, dass es ihn nicht umsetzen wird, da die festgesetzten Maßnahmen fachrechtlich nicht zulässig wären“, sagt Edgar Lamm. Nach längerer Bedenkzeit sei er mit diesem Ergebnis jedoch nicht zufrieden gewesen. Im Februar 2015 habe er sich in einem Schreiben erneut an das Landratsamt gewandt und „um Umsetzung gebeten“, wie er sagt.
Die offizielle Ablehnung im Juli 2015 sei dann die Grundlage gewesen, beim Regierungspräsidium Tübingen Widerspruch einzulegen. Das Regierungspräsidium habe diesen im März 2016 aber ebenfalls abgewiesen. Daraufhin reichte die Gemeinde Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen ein. Das Gericht lehnte sie mit einem Urteil vom September 2017 ab. „Da die Gemeinde nicht klagebefugt sei“, sagt Lamm. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit wurde jedoch Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof zugelassen.
Wie der VGH mitteilt, handelt es sich bei der L 201 um eine Hauptverkehrsstraße mit einem Verkehrsaufkommen von mehr als drei Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr. „Gemeinden, durch deren Gebiete derartige Straßen führen, sind nach einer auf europarechtlichen Vorgaben zurückgehenden Bestimmung im Bundesimmissionsschutzgesetz verpflichtet, Lärmaktionspläne zu erstellen, um auftretende Lärmprobleme und ihre Auswirkungen zu regeln“, heißt es im Schreiben des VGH. Die Gemeinde habe von einer ganztägigen Geschwindigkeitsbegrenzung aufgrund der Bedeutung der Straße abgesehen. Bauliche Veränderungen wie der Einbau eines neuen Straßenbelags hätten sich kurzfristig nicht umsetzen lassen.
Das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass die Gemeinde die Umsetzung von Schritten zur Lärmminderung generell nicht einklagen könne, weil ihr die notwendige Klagebefugnis fehle. Der VGH ist in diesem Punkt aber anderer Ansicht. Die zur Umsetzung berufenen Fachbehörden seien nach Bundesimmissionsschutzgesetz an die Festlegungen in Lärmaktionsplänen gebunden, schreibt der VGH in einer Pressemitteilung. Insbesondere könne die Behörde nicht das Planungsermessen der Gemeinde durch ihr eigenes ersetzen. Wenn Gemeinden ihren Lärmaktionsplan ordnungsgemäß festlegen, müssten sie kein Einvernehmen mit den Straßenverkehrsbehörden herstellen. Weigere sich die Behörde, die im Lärmaktionsplan rechtmäßig festgelegten Schritte umzusetzen, verletze sie die Planungshoheit der Gemeinde.
Robert Schwarz, Pressesprecher des Landratsamts Bodenseekreis, konnte noch nicht viel zum Urteil des VGH sagen. „Es hat grundsätzlichen Charakter, weshalb wir uns eng mit Regierungspräsidium und Ministerium abstimmen werden“, sagte er. Gerade wegen des grundsätzlichen Charakters werde dieser Impuls dann eher von der Landesebene kommen.