Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der Neuanfang hat begonnen
„Wir sind jetzt die Jäger“– DFB-Auswahl startet Vorbereitung auf Weltmeister-Duell
MÜNCHEN (SID/dpa) - Joachim Löw demonstrierte gleich die versprochene Fannähe. Mit einem Hallo begrüßte der Bundestrainer die Anhänger vor dem Park Hilton Hotel in München und erfüllte jeden Autogrammwunsch. Auch die viel kritisierten Nationalspieler zeigten sich volksnah. Es waren nur kleine Gesten – nun werden von Löw und seinen Stars nach dem WM-Debakel weitaus größere Taten gefordert.
Beim ausgerufenen Neustart mit den Länderspielen gegen Weltmeister Frankreich am Donnerstag (20.45 Uhr/ZDF) in der neuen Nations League und drei Tage darauf in Sinsheim gegen Peru (20.45 Uhr/RTL) steht der 58-Jährige unter „besonderer Beobachtung und unter besonderem Druck“, wie er bei seiner WM-Analyse betont hatte. Er würde sogar „auf Bewährung“arbeiten, heißt es beim DFB hinter vorgehaltener Hand.
Doch der Bundestrainer ist überzeugt, den tief gefallenen Weltmeister von 2014 wieder in die Spur zu bekommen. Löw baut dabei auf eine Trotzreaktionen seiner RusslandVerlierer. Und die gelobten unisono Besserung. „Es ist eine gute Chance, einiges geradezurücken, auch wenn man gegen Frankreich nicht im Vorbeigehen gewinnt. Trotzdem wollen wir zeigen, dass wir eine Weltklassemannschaft sind“, sagte Leon Goretzka, einer von sieben Profis von Bayern München im 22er-Kader.
Löw verzichtet auf Hector
„Wir können direkt zeigen, dass wir immer noch Deutschland sind und uns vor Frankreich nicht verstecken müssen“, betonte Julian Draxler, forderte aber auch, „Eigeninteressen hintanzustellen“. Man müsse „intern einiges aufarbeiten“.
Drei Tage mit nur drei Trainingseinheiten hat Löw Zeit, das Desaster aufzuarbeiten, taktisch die nötigen Schritte einzuleiten und ein Jetzterst-recht-Gefühl herauszukitzeln.
Einen spielerischen Offenbarungseid wie bei der WM werden sich die Nationalmannschaft und auch Löw kaum leisten können. Zwar genießt der Bundestrainer zumindest öffentlich das Vertrauen der Liga und des DFB. Die Kritik der Fans wird trotz Löws fast zweistündiger Pressekonferenz am Mittwoch erst verstummen, wenn der entthronte Weltmeister wieder überzeugt. Timo Werner hielt bei der Ankunft ein Plädoyer für den Bundestrainer. „Ich glaube, dass man ihm sehr viel Unrecht getan hat.“Löw sei ein „super Trainer“, betonte der Ex-Stuttgarter. „Er weiß auch und hat gesehen, was der Fehler war, und das ist ihm hoch anzurechnen, zu sehen, wie viel er auf sich nimmt“, sagte Werner.
Dass ausgerechnet nun der Weltmeister, der mit allen Stars anreist, zum Aufbaugegner werden soll, entbehrt nicht einer gewissen Brisanz. Nach dem Verzicht auf den Kölner Jonas Hector, der sich nach stressigem Saisonstart „derzeit nicht auf höchstem Level fühlt“(Löw) , müssen es neben den Neulingen Kai Havertz, Thilo Kehrer und Nico Schulz immerhin noch 16 Spieler aus dem WM-Aufgebot richten.
Ein Sieg wäre, so Thomas Müller, „ein Riesenschritt in die Richtung, die große Niederlage vom Sommer auszuwetzen“. Derzeit sei die Mannschaft gegen die allseitige Kritik noch „ohne Waffen“. Oder, wie Angreifer Werner feststellte: „Wir sind jetzt nicht mehr die Gejagten, sondern die Jäger.“