Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Von wegen letzte Ruhestätte
Auf dem Evangelischen Zentralfriedhof in Regensburg soll bis 2020 ein Begegnungscafé entstehen
REGENSBURG (epd) - Der Evangelische Zentralfriedhof ist so etwas wie eine Perle unter den Friedhofsanlagen: Sein Baumbestand lässt ihn eher wie eine Parkanlage aussehen. Das Potenzial des Gottesackers geht weit über das eines tristen Bestattungsgeländes hinaus, sagt Klaus Neubert, der Leiter des evangelischen Kirchengemeindeamts Regensburg. Wenn es nach seinem Willen geht, könnte der Zentralfriedhof bald ein lebensfroher Ort der Begegnung werden. In einer historischen Bethalle will das Kirchengemeindeamt ein Friedhofscafé errichten.
Immer mehr Friedhöfe öffnen sich auf diese neue Weise den Lebenden. Jenseits von Leichenschmaus und Trauerfeierlichkeiten werden innerhalb der Friedhofsmauern Lokale eröffnet, die sich als Begegnungsorte und Oasen der Ruhe inmitten der Rushhour des Lebens anbieten. „Der parkähnliche Charakter des Friedhofs lädt Trauernde und Besucher zum Verweilen und zu Spaziergängen ein. Das Grün der Bäume und die Ruhe des Ortes schaffen eine Atmosphäre jenseits des Alltags“, sagt Klaus Neubert.
Bislang fehlte nur ein Aufenthaltsraum. Der könnte nun gefunden sein: In der historischen Bethalle auf dem Mittelplateau zwischen dem oberen und unteren Teil des Friedhofs soll das Café entstehen. Noch wird die Bethalle als Abstellraum genutzt, nachdem im Ostteil des Friedhofs nach 1945 eine neue Aussegnungshalle samt Kapelle entstanden ist. 1898 war die alte Bethalle im Stil der Neorenaissance errichtet worden. Das denkmalgeschützte Gebäude bietet Platz für Café, Küche, Sanitärräume und eine Außenterrasse.
Vor vier Jahren sei die Idee zum ersten Mal aufgekommen, die Landeskirche habe damals noch zurückhaltend reagiert. Doch inzwischen stoße das Projekt auf Wohlwollen, vor allem, seit ein Betreiber gefunden wurde: Die Lebenshilfe Regensburg hat ihr Interesse bekundet. Bis 2020 soll dort nun das bayernweit erste Friedhofscafé entstehen, erläutert Neubert. „Mit 35 Plätzen im Innenbereich und 25 im Freien.“
Große Stücke hält Neubert auch auf die enge Verzahnung von Naturund Bestattungsraum. „Die Friedhofskultur ändert sich, leider nicht immer zum Positiven“, sagt Neubert. Tod und Trauer würden mehr und mehr verdrängt. „Wir können den Menschen den Friedhof näherbringen, bevor sie gestorben sind.“Der Zentralfriedhof als Landschaftsgarten angelegt, bietet sich da an. Schon jetzt werden Führungen auf dem historischen und unter Denkmalschutz stehenden Friedhof angeboten.
Die Regensburger setzen ganz auf die Reformbewegung, die derzeit bei den Friedhöfen in Gang kommt. Denn so richtig gut geht es dem guten, alten Friedhof nicht. Mehr als die Hälfte aller Beerdigungen seien jetzt schon Urnenbestattungen. Immer öfter würden Urnen von Angehörigen aus Desinteresse gar nicht mehr abgeholt. Immer mehr flüchteten die Menschen in Friedwälder, in Seeoder Bergbestattungen.
Die Statistik zeigt aber auch Freiräume auf: Bisher nahm jeder Erwachsene ein Bestattungsfeld von durchschnittlich 4,5 Quadratmetern in Anspruch. Künftig wird es nur noch die Hälfte sein. Immer öfter wird der Einäscherung der Vorzug gegeben. Diese Entwicklung schaffe Raum für Neues. Vorbilder gibt es bereits: Das Berliner Friedhofscafé Finovo – in dem Namen stecken die lateinischen Begriffe für Ende und Neubeginn – etwa ist sehr beliebt.
Der Evangelische Zentralfriedhof wurde 1898 wie ein Landschaftsgarten im Süden Regensburgs angelegt. „Eisbuckel“hieß das 14 Hektar große Feld, unter dem die Thurn- und Taxische Brauerei Bierfässer lagerte, das die evangelische Kirche kaufte. Beauftragt wurde der Regensburger Landschaftsgärtner Conrad Mayer.
Auch damals war die Friedhofskultur im Wandel. Bei der Neugestaltung waren Friedhöfe in Paris, Genua und Frankfurt am Main Vorbild. „Unter Waldesrauschen und Vogelsang sollten die Toten ruhen und die Überlebenden Trost finden“, sagt die Kunsthistorikerin Bettina SpandlBauer. Regelmäßig führt sie für das evangelische Bildungswerk über den seit 1981 unter Denkmalschutz stehenden Friedhof.