Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Berührung: Misshandlung oder Aufmunterung?
Soldat muss sich vor dem Amtsgericht Sigmaringen nach der Klage einer Untergebenen verantworten
STETTEN AM KALTEN MARKT/SIGMARINGEN - Ein Unteroffizier der Bundeswehr, zur Zeit des Vorkommnisses im Dienstgrad Hauptfeldwebel, hat sich vor dem Amtsgericht Sigmaringen wegen Misshandlung einer Untergebenen verantworten müssen.
Am Ende wurde das Verfahren von Richterin Elisabetta Carbotta vorläufig eingestellt. Der Angeklagte erhielt die Auflage, an das Opfer, das auch als Nebenklägerin aufgetreten war, 1800 Euro Schadensersatz in zwei Raten zu zahlen. Außerdem muss er die Kosten des Verfahrens tragen. Der Angeklagte hatte zuvor gegen einen Strafbefehl Einspruch erhoben.
Nach Darstellung des Angeklagten hatte er nach einem anstrengenden Übungstag auf dem Truppenübungsplatz im Juli vergangenen Jahres die Soldatin im Mannschaftsdienstgrad leicht mit der Stirn berührt. Er benutzte für den aus seiner Sicht harmlosen Kopfstoß den Ausdruck „angedotzt“, ein Ausdruck aus dem kindlichen Murmelspiel, bei dem Murmel an Murmel stößt.
Er habe diese Geste nach dem anstrengenden Tag ledigliche als motivierende Aufmunterung verstanden, mit dem Inhalt „Wir haben’s geschafft“. Er mache das öfter auch mit seinen beiden Kindern oder anderen Soldaten. „Das war kein harter Stoß und ich habe auch keinen Schmerzensruf vernommen“, sagte der Angeklagte. Im Anschluss hätten alle einschließlich der betroffenen Soldatin gelacht.
Am nächsten Tag sei er von seinem Disziplinarvorgesetzten zu diesem Vorgang vernommen worden. Er habe angeboten, sich zu entschuldigen, aber der Vorgesetzte habe gesagt, die Soldatin lehne eine Entschuldigung ab. Sie sei dann in Urlaub gegangen und anschließend versetzt worden, sodass auch keine weitere Gelegenheit zur Entschuldigung bestand. Er habe dann einen Verweis erhalten. „Ich habe nie damit gerechnet, dass das so endet“, stellte der Angeklagte fest und betonte, es habe immer ein lockeres Arbeitsverhältnis gegeben. Probleme habe man
„Ich habe nie damit gerechnet, dass das so endet“, sagt der Angeklagte über den Vorwurf der Misshandlung einer Untergebenen.
offen angesprochen, aber stets ohne Eskalation. Dem Angeklagten wurde überdies von der Soldatin vorgeworfen, sie von einem Balkon aus mit Brotkrümeln bestreut zu haben. Dazu sagte er, er habe in der Tat auf dem Balkon ein stark krümelndes Brot gegessen, aber nicht willentlich die Soldatin bekrümelt.
Aufmunternde Berührung oder Schmerzhafte „Kopfnuss“?
Die Soldatin hatte nach ihrer Aussage das „Andotzen“anders empfunden. Der Angeklagte sei plötzlich auf sie zugekommen und habe ihr eine „Kopfnuss“versetzt. Sie habe zwar zunächst mitgelacht, der Vorgang sei ihr dann aber erst nach Rückkehr in die Kaserne bewusst geworden und sie sei schockiert gewesen. Sie habe die „Kopfnuss“durchaus nicht als Aufmunterung empfunden. Sie habe eine kleine Beule an der Stirn davongetragen und am nächsten Tag Kopfschmerzen gehabt. Daraufhin habe sie sich zum Arzt begeben und den Vorgang beim Chef gemeldet. Der Angeklagte habe sie auch mit unnötigen Kommentaren belegt, als sie in der Ausbildung etwas nicht wusste, erzählt die Soldatin. Nachdem sie Meldung gemacht hatte, hätten die Kameraden sie geschnitten, deshalb habe sie ihre Versetzung beantragt. Weil sie glaubte, dass der Vorgang dienstlich unter den Tisch gefallen wäre, hatte sie privat bei der Polizei Anzeige erstattet.
Ein Arzt des Bundeswehrkrankenhauses in Ulm hatte anschließend eine posttraumatische Belastungsreaktion diagnostiziert, wobei nicht klar wurde, auf was diese zurückzuführen war. Auch hätte der Kopfschmerz durch das ganztägige Tragen des Helms hervorgerufen worden sein können. Aus diesem Grund stufte Richterin Carbotta auch die angehängte Klage der Soldatin auf zusätzliches Schmerzensgeld nach Abklärung mit der Staatsanwaltschaft als unzulässig ein.
Bei der Vernehmung der Zeugen ergab sich auch kein klares Bild. Alle äußerten sich verwundert, dass dieser an sich harmlose Vorgang solche Konsequenzen nach sich gezogen hat. Das habe sich auch auf die Stimmung in der Einheit ausgewirkt. Im Allgemeinen habe es ein gutes Klima gegeben. Zwei Zeugen kannten den Vorgang ohnehin nur aus Erzählungen. Das dieses „Andotzen“öfter stattfinde, konnte keiner der Zeugen bestätigen. Die Staatsanwaltschaft stimmte nach einer formellen Entschuldigung des Angeklagten der vorläufigen Einstellung des Verfahrens zu.