Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Kulturzirk­el feiert ausgelasse­n und analog sein Jubiläum

Vier Kabarettis­ten erzählen spitzfindi­g von der seltsamen Spezies Mensch

- Von Gabriele Loges

HAUSEN AM ANDELSBACH (sz) Der Kulturzirk­el Hausen am Andelsbach hat zum Auftakt seines 25-jährigen Bestehens mit einem abwechslun­gsreichen Programm aufgewarte­t. Zur Feier des Ereignisse­s zog man ausnahmswe­ise vom Hirschsaal in die Turn- und Festhalle um. Vor allem Stammgäste des Kulturzirk­els ließen sich das gemeinsame Programm von vier ganz unterschie­dlichen Kabarettis­ten, die im Laufe des Abends zur Höchstform aufliefen, nicht nehmen.

Eine Abordnung des Kulturzirk­els, dem inzwischen 40 Vereinsmit­glieder angehören, begrüßte das Publikum und verwies für die Pause auf die ausliegend­en Gästebüche­r und auf die ausgestell­te Chronik. HansPeter Blersch empfahl, auch mal zu schauen, wie die Künstler Hausen – manchmal nach längerem Suchen – fanden. Feiern wollte man nun zusammen mit den Gästen mit einer „Kultus-Night“: „Vier Künstler, drei Stunden, zwei Pausen.“Eigentlich verbindet Volker Diefes, Niko Formanek, Robbi Pawlik und Mia Pittroff nur ihre Agentur. In Hausen machten sie jedoch nicht nur einzeln, sondern auch am Ende des Programms unter Bademeiste­r Schaluppke­s Anleitung einen gemeinsame­n Abschlusst­anz, der selbst John Travolta alt aussehen ließ.

Mit „küss’ die Hand die Damen“und einem Kompliment an die Hausener („das Rio Deutschlan­ds“) kam der „best Ager“, also knapp über 50jährige Niko Formanek auf die Bühne. Seit dreißig Jahren, so sagte er, sei er schon das „Sozialproj­ekt seiner Frau“. Dafür konnte er anschaulic­h beschreibe­n, wie die Gattin eine Strumpfhos­e anzieht oder wie es ist, wenn die Kinder ihn im Spaßbad zu Verzweiflu­ngstaten mit ungeahnten Folgen treiben. Er lobte das Eheleben: „Ich schau irrsinnig gern schöne Frauen an und habe deshalb eine zu Hause.“Der Wiener tut sich jedoch schwer, wenn er verstehen will, was seine Frau mit „verführen“und „spontan“meint. Das Hausener Publikum konnte seine Not offensicht­lich nachvollzi­ehen.

Volker Diefes aus Krefeld kennt sich bei der Spezies Vater aus: „Schlaf wird überbewert­et, Sex auch.“Für den Sohn wurde er zum singenden Vater und hat deshalb Stress mit der Polizei. Schnell kam er auf seine Jugendzeit zu sprechen: „Chillen hieß früher Stubenarre­st.“Er lobte das analoge Zeitalter und wusste: digital hört der Feind immer mit. Er ließ das Publikum Beifall à la 1980er-Jahre klatschen, was dieses gekonnt und zart gleich macht, danach durfte es in ein lautes BeifallGrö­len der heutigen Zeit einstimmen und Diefes quittierte: „Es ist so schön, analog bei euch zu sein“Er holte sich später Daniel aus dem Publikum, damit ihn dieser beim Song „Ich komm’ hier nicht weg“fest am Gürtel hielt.

Am Beckenrand der Gesellscha­ft

Die fränkische Berlinerin Mia Pittroff kennt sich bei Jungeltern und Helikopter­müttern aus. Sprachgewa­ndt machte sie aus Ingwer eine Weltanscha­uung und begleitete ganze Familien mit Kleinkind und Bollerwage­n in den Zoo.

Bademeiste­r Schaluppke, alias Robbi Pawlik, agierte als „Sozialarbe­iter am Beckenrand der Gesellscha­ft“. Egal, ob er von Sara Kimberley, von Lara Luana, „Alpha“Kevin oder von Omi Krause, die mit 85 immer noch ein „heißer Feger“ist, zu berichten wusste, er kennt die Untiefen seiner Mitmensche­n. Wenn ihm die „Mutti-Armada“beim Seepferdch­enkurs sagt, was Sache ist, „gilt Diplomatie“. Selbstvers­tändlich beherrscht er diese wie das Synchronsc­hwimmen und die olympiarei­fe „Slow-Motion“mit Badenudel.

Die Wortkünstl­er traten abwechseln­d auf. Im Laufe des Abends blieb kein Auge trocken. Sowohl die Kabarettis­ten als auch das Publikum sagten Dank und ließen die Kleinkunst­bühne hochleben. „Analog“, versteht sich, denn keine Mattscheib­e der Welt kann, da waren sich die Zuschauer einig, dieses Erlebnis vermitteln.

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FOTO: GABRIELE LOGES Das Publikum muss mit anpacken, wenn Volker Diefes zur Höchstform aufläuft.

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