Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Bilder, die betroffen machen
Daniel Kempf-Seifried erzählt mit seinen Fotografien Geschichten von Flucht und Leid
SIGMARINGEN - „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“– dieses Jahresthema der Caritas führte am CaritasSonntag als roter Faden durch den Gottesdienst in der Pfarrkirche St Johann. Sich auf das Thema einzulassen und ihre Verbundenheit mit den Einrichtungen und Diensten des Caritasverbandes in Erinnerung zu rufen, war das Anliegen der Mitarbeiterinnen der Pflegedienste und der Schülerinnen der Sozialstation, die den Gottesdienst vorbereitet hatten und musikalisch von den Fidelisknaben unterstützt wurden.
Vor dem Auszug der Zelebranten samt einer beeindruckend großen Zahl kleiner und großer Ministranten nahm Pfarrer Ekkehard Baumgartner den roten Faden wieder auf, indem er die Anwesenden zur Vernissage der „Mission im Mittelmeer“, einer Ausstellung des Fotografen Daniel Kempf-Seifried, einlud. Im Mittendrin, dem ökumenischen Pfarrbüro der christlichen Kirchen Sigmaringens, konnte Gemeindereferentin Maritta Lieb neben vielen Anwesenden aus Meßkirch und Umgebung, der Heimat des Fotografen, auch Pfarrerin Dorothee Saur, Kreisarchivar Ernst Edwin Weber und die Integrationsbeauftragte der Stadt Claudia Lamprecht begrüßen. „Ich scheue mich zu sagen, dass ich mich freue angesichts der Bilder von verzweifelten, sterbenden Menschen, Bilder, die es nicht geben dürfte und die uns doch auffordern hinzuschauen“, mit diesen Worten begann Lieb und übergab das Wort an Thomas Nuding, dem Meßkircher Unternehmer und Stadtrat, der seit 2016 sein ehrenamtliches Engagement ganz in den Dienst der Seenotrettung stellt.
Bei zweitem Einsatz lernt Kempf-Seifried Nuding kennen
Bei seinem zweiten Einsatz als Kapitän eines sechzig Jahre alten Fischkutters lernte er Daniel Kempf-Seifried kennen, denn „die NGO (Nichtregierungsorganisationen) nehmen gern gute Fotografen mit“.
Aufmerksame Stille herrschte im Raum, als Nuding, sein Konzept beiseite legend, von der Not, dem Elend der flüchtenden Menschen, dem Abschotten Europas und dem menschenverachtenden „Geschäftsmodell“Libyens berichtete, das Geld von den Flüchtlingen, von europäischen Staaten, von den Hilfsorganisationen erpresst, an die Schleuser weitergibt und so das Drama auf dem Mittelmeer fortsetzt. Vielfältige Gründe zwängen die Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen, und das Leben dieser Menschen zu retten, wenn die Regierungen versagen und Europa sich abschotte, habe sich die gemeinnützige Organisation Sea-Eye zur Aufgabe gesetzt. „Nicht nur die Würde der Europäer ist unantastbar, auch die Würde der Afrikaner gilt es zu respektieren,“so Thomas Nuding, den die zynischen Äußerungen mancher deutschen Politiker, die von Asyltourismus und Menschenfleisch sprechen, wütend und beschämt mache.
Aktive Bekämpfung der Fluchtursachen notwendig
Die aktive Bekämpfung der Fluchtursachen in Afrika sei für ihn der einzige Weg, um das Flüchtlingselend zu beenden. Daniel Kempf-Seifried bewegten die gleichen Gründe wie Thomas Nuding, bei der Seenotrettung mitzumachen. Darüber hinaus wollte er durch seine Arbeit als Fotograf den Flüchtlingen ein Gesicht geben. Doppelt gefordert wurde er während seines Einsatzes im April 2017 auf der Sea-Eye, wurde er doch immer wieder vor die Entscheidung gestellt: Fotografieren oder helfen? Bei diesem Einsatz wurden trotz extremen Wetterverhältnissen innerhalb von zehn Tagen 1000 Menschen aus Seenot gerettet. Zu jedem der 36 Fotos der Rettungsaktion, sei es ein überladenes Holzboot, ein betender Mann nach überstandener Rettung aus einem Schlauchboot oder die Evakuierung der Menschen durch schwer bewaffnete UN-Soldaten, gab der Fotograf zusätzliche Erläuterungen. Besonders nahe ging den Zuhörern die Geschichte des Eritreers Nebay, den Daniel Kempf-Seifried auf der Sea-Eye kennengelernt hatte und der bei der Vernissage anwesend war. Nebay war 2016 aus seinem Land geflüchtet, lebt inzwischen in Nach überstandener Rettung betet ein Flüchtling.
Hof und sucht verzweifelt seinen auf der Flucht verlorengegangenen kleinen Bruder. Vor einem kleinen selbstgezeichneten Bild, das eine Spielkarte mit einem überfüllten Schlauchboot zeigt, erzählte der Fotograf exemplarisch den Fluchtweg des Mannes aus Eritrea. Mit einem weiteren Lied des iranischen Musikers Ali Hassani, der die Anwesenden mit einfühlsamen Liedern berührte und nachdenklich stimmte, endete der offizielle Teil der Ausstellungseröffnung und gab Gelegenheit zu Begegnung und Austausch.