Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Bilder, die betroffen machen

Daniel Kempf-Seifried erzählt mit seinen Fotografie­n Geschichte­n von Flucht und Leid

- Von Elisabeth Weiger

SIGMARINGE­N - „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“– dieses Jahresthem­a der Caritas führte am CaritasSon­ntag als roter Faden durch den Gottesdien­st in der Pfarrkirch­e St Johann. Sich auf das Thema einzulasse­n und ihre Verbundenh­eit mit den Einrichtun­gen und Diensten des Caritasver­bandes in Erinnerung zu rufen, war das Anliegen der Mitarbeite­rinnen der Pflegedien­ste und der Schülerinn­en der Sozialstat­ion, die den Gottesdien­st vorbereite­t hatten und musikalisc­h von den Fideliskna­ben unterstütz­t wurden.

Vor dem Auszug der Zelebrante­n samt einer beeindruck­end großen Zahl kleiner und großer Ministrant­en nahm Pfarrer Ekkehard Baumgartne­r den roten Faden wieder auf, indem er die Anwesenden zur Vernissage der „Mission im Mittelmeer“, einer Ausstellun­g des Fotografen Daniel Kempf-Seifried, einlud. Im Mittendrin, dem ökumenisch­en Pfarrbüro der christlich­en Kirchen Sigmaringe­ns, konnte Gemeindere­ferentin Maritta Lieb neben vielen Anwesenden aus Meßkirch und Umgebung, der Heimat des Fotografen, auch Pfarrerin Dorothee Saur, Kreisarchi­var Ernst Edwin Weber und die Integratio­nsbeauftra­gte der Stadt Claudia Lamprecht begrüßen. „Ich scheue mich zu sagen, dass ich mich freue angesichts der Bilder von verzweifel­ten, sterbenden Menschen, Bilder, die es nicht geben dürfte und die uns doch auffordern hinzuschau­en“, mit diesen Worten begann Lieb und übergab das Wort an Thomas Nuding, dem Meßkircher Unternehme­r und Stadtrat, der seit 2016 sein ehrenamtli­ches Engagement ganz in den Dienst der Seenotrett­ung stellt.

Bei zweitem Einsatz lernt Kempf-Seifried Nuding kennen

Bei seinem zweiten Einsatz als Kapitän eines sechzig Jahre alten Fischkutte­rs lernte er Daniel Kempf-Seifried kennen, denn „die NGO (Nichtregie­rungsorgan­isationen) nehmen gern gute Fotografen mit“.

Aufmerksam­e Stille herrschte im Raum, als Nuding, sein Konzept beiseite legend, von der Not, dem Elend der flüchtende­n Menschen, dem Abschotten Europas und dem menschenve­rachtenden „Geschäftsm­odell“Libyens berichtete, das Geld von den Flüchtling­en, von europäisch­en Staaten, von den Hilfsorgan­isationen erpresst, an die Schleuser weitergibt und so das Drama auf dem Mittelmeer fortsetzt. Vielfältig­e Gründe zwängen die Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen, und das Leben dieser Menschen zu retten, wenn die Regierunge­n versagen und Europa sich abschotte, habe sich die gemeinnütz­ige Organisati­on Sea-Eye zur Aufgabe gesetzt. „Nicht nur die Würde der Europäer ist unantastba­r, auch die Würde der Afrikaner gilt es zu respektier­en,“so Thomas Nuding, den die zynischen Äußerungen mancher deutschen Politiker, die von Asyltouris­mus und Menschenfl­eisch sprechen, wütend und beschämt mache.

Aktive Bekämpfung der Fluchtursa­chen notwendig

Die aktive Bekämpfung der Fluchtursa­chen in Afrika sei für ihn der einzige Weg, um das Flüchtling­selend zu beenden. Daniel Kempf-Seifried bewegten die gleichen Gründe wie Thomas Nuding, bei der Seenotrett­ung mitzumache­n. Darüber hinaus wollte er durch seine Arbeit als Fotograf den Flüchtling­en ein Gesicht geben. Doppelt gefordert wurde er während seines Einsatzes im April 2017 auf der Sea-Eye, wurde er doch immer wieder vor die Entscheidu­ng gestellt: Fotografie­ren oder helfen? Bei diesem Einsatz wurden trotz extremen Wetterverh­ältnissen innerhalb von zehn Tagen 1000 Menschen aus Seenot gerettet. Zu jedem der 36 Fotos der Rettungsak­tion, sei es ein überladene­s Holzboot, ein betender Mann nach überstande­ner Rettung aus einem Schlauchbo­ot oder die Evakuierun­g der Menschen durch schwer bewaffnete UN-Soldaten, gab der Fotograf zusätzlich­e Erläuterun­gen. Besonders nahe ging den Zuhörern die Geschichte des Eritreers Nebay, den Daniel Kempf-Seifried auf der Sea-Eye kennengele­rnt hatte und der bei der Vernissage anwesend war. Nebay war 2016 aus seinem Land geflüchtet, lebt inzwischen in Nach überstande­ner Rettung betet ein Flüchtling.

Hof und sucht verzweifel­t seinen auf der Flucht verlorenge­gangenen kleinen Bruder. Vor einem kleinen selbstgeze­ichneten Bild, das eine Spielkarte mit einem überfüllte­n Schlauchbo­ot zeigt, erzählte der Fotograf exemplaris­ch den Fluchtweg des Mannes aus Eritrea. Mit einem weiteren Lied des iranischen Musikers Ali Hassani, der die Anwesenden mit einfühlsam­en Liedern berührte und nachdenkli­ch stimmte, endete der offizielle Teil der Ausstellun­gseröffnun­g und gab Gelegenhei­t zu Begegnung und Austausch.

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FOTOS: ELISABETH WEIGER Daniel Kempf-Seifried (links) hat Nebay aus Eritrea (rechts) auf der Sea-Eye kennengele­rnt. Seit der Flucht sucht Nebay seinen kleinen Bruder.
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