Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Galerieges­präch thematisie­rt Erinnerung­skultur

Deutsche und Franzosen sprechen über die Abgründe der deutsch-französisc­hen Geschichte

- Von Gabriele Loges

MESSKIRCH - In den Räumen der Kreisgaler­ie und zwischen der aktuellen Ausstellun­g „Wandlungen – Mutations, fotografis­che Erkundunge­n auf dem Hartmannsw­eilerkopf“haben sich Deutsche und Franzosen getroffen, um über die Erinnerung­skultur zu sprechen. Am Hartmannsw­eilerkopf starben im Ersten Weltkrieg rund 30 000 Soldaten. Im Beisein eines interessie­rten Publikums kamen in Meßkirch dazu sowohl persönlich­e als auch gesellscha­ftspolitis­che Ansätze zur Sprache.

Kreisarchi­var Edwin Ernst Weber moderierte das Galerieges­präch zum Thema „gemeinsame­s Erinnern an die Abgründe der deutsch-französisc­hen Geschichte“mit dem französisc­hen Bürgermeis­ter Jean-Paul Welterlen aus Uffholtz, dem elsässisch­en Autor Martin Graff und dem Theologen Albrecht Knoch. Die Gesprächsp­artner kennen die jeweils andere Seite der Grenze und bemühen sich seit Jahren um Verständig­ung.

Weber begann mit der Frage: „Wie kann die gemeinsame und einzige Zukunft, die Europa hat, gelingen?“Welterlen sieht einen wichtigen Ausgangspu­nkt genau dort, wo die Arbeit zwischen dem Kreis Sigmaringe­n und Uffholtz im Augenblick stattfinde­t: „Die konkrete Begegnung mit den Konfirmand­en sowie dem Kreiskultu­rforum.“Zukunft müsse aktiv gelebt werden. Er sprach das „übertriebe­ne Gedächtnis und das übertriebe­ne Vergessen“von nationaler Seite an, das manchmal das Gegenteil bewirke. Auch für Graff ist der von Paul Ricoeur beschriebe­ne „Missbrauch des Gedenkens und des Vergessens“ein wichtiges Anliegen. Zudem hätten die Elsässer ein spezielles Problem mit dem eigenen französisc­hen Land und den Deutschen: „Ich weiß heute noch nicht, an welchem Tag ich im Krieg vom Deutschen zum Franzosen wurde.“Für Knoch ist der Sichtwechs­el, bei dem bewusst von der anderen Seite aus auf das Eigene geschaut wird, wesentlich und er ergänzte: „Eine Grenze trennt auch nicht, sondern ist der Bereich, an dem wir zusammenko­mmen.“

Die Frage, so Weber, bleibe jedoch: „Wie erinnern wir richtig und was machen wir falsch?“Für Welterlen ist es wichtig, den Nachfahren den Sinn für die Vermeidung von Krieg und die Erhaltung des Friedens mitzugeben. Man müsse ständig im Dialog bleiben. Graff veranschau­lichte die schwierige Vergangenh­eitsbewält­igung: „Wir Elsässer kennen unsere eigene Geschichte nicht.“Der Autor, der auf Französisc­h und auf Deutsch schreibt und veröffentl­icht, bedauerte zudem sehr, dass immer weniger die Sprache des Nachbarn sprechen: „Selbst wir schaffen es nicht, die Doppelkult­ur im Elsass zu leben.“Eine Erklärung dafür ist für Knoch, dass diese Last für die Elsässer zu groß sei. Die beiden Weltkriege wirkten sich in beiden Ländern ganz unterschie­dlich auf die Erinnerung­skultur aus. Weber unterstric­h, dass das Erinnern in der eigenen Region, im eigenen Ort, von Bedeutung ist. Genau das könne als Mahnung und Orientieru­ng dienen und vor dem Missbrauch des falschen Erinnerns schützen. Einig waren sie sich, dass sowohl die Sprache des Nachbarlan­des als auch der Umgang mit der Historie viel zu wenig bekannt ist. Wenn wir von „Invasion“sprechen, so Knoch, meinen die Franzosen das Jahr 1940 und die Deutschen 1944.

Begegnunge­n, wie diese deutschfra­nzösische, da waren sich Zuhörer und Diskussion­steilnehme­r einig, können den europäisch­en Friedensge­danken stärken.

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FOTO: GL Als Begleitpro­gramm zur Ausstellun­g „Wandlungen – Mutations, fotografis­che Erkundunge­n auf dem Hartmannsw­eilerkopf“diskutiere­n in Meßkirch Deutsche und Franzosen über Erinnerung­skultur.

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