Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zum 100. singt Rosa Roth ein Lied

Jubilarin trotzt in der Allee der Hundertjäh­rigen dem kräftigen Herbstwind

- Von Peggy Meyer

SIGMARINGE­N - Seit Mittwoch ist die Allee der Hundertjäh­rigen auf der Alten Krauchenwi­eser Landstraße um einen Apfelbaum reicher. Vor dem Stämmchen der Sorte „Idared“steht ein Schild: Rosa Luise Roth, 25. September 2018. Und vor dem Schild steht verwundert die kleine, aber robuste Jubilarin und kann es nicht wirklich fassen, dass sie an diesem Tage 100 Jahre alt wird.

Im elsässisch­en Illzach, unter dem Kanonendon­ner vom Hartmannsw­eilerkopf, wurde Rosa Eisenhardt als siebtes Kind einer durch Fleiß und Arbeit recht wohlhabend­en Familie geboren. Nach Ende des Ersten Weltkriegs fiel jedoch das gesamte Vermögen als Kriegsrepa­rationszah­lung an den französisc­hen Staat und die Familie wurde als Volksdeuts­che ausgewiese­n. Bettelarm kamen sie zurück nach Deutschlan­d. Rosas Vater fand Arbeit in Meßstetten und so zog die Familie dorthin. Kurze Zeit später verstarb der Vater. Die Mutter und die älteren Geschwiste­r mussten fortan den Lebensunte­rhalt der Familie verdienen.

Für das Gymnasium fehlte das Geld

Rosa war in der Schule Klassenbes­te und ihr Lehrer empfahl sie dringend aufs Gymnasium, jedoch konnte ihre Mutter das Geld nicht aufbringen. So absolviert­e Rosa eine Ausbildung zur Krankensch­wester im städtische­n Krankenhau­s Bad Canstatt. Anschließe­nd zog es die junge Frau in die Ferne, sie arbeitete drei Jahre in Wien. Während des Zweiten Weltkriege­s wurde sie in einem Stuttgarte­r Lazarett eingesetzt. „Das beste in meinem Leben war, wenn ich helfen konnte und wir verwundete junge Männer wieder gesund machten“, blickt die Jubilarin zurück. Diesen Beruf habe sie mit Leib und Seele ausgeübt. „Mache den Beruf, der dir Spaß macht, dann machst du ihn auch gut. Sonst höre auf und entscheide dich für etwas anderes“, sagt die betagte Seniorin überzeugt.

Nach berufliche­n Stationen in Hausen ob Verena (bei Spaichinge­n) und Hohenlohe kam Rosa schließlic­h nach Sulz am Neckar, wo sie als OP-Schwester tätig war. Dort lernte sie ihren zukünftige­n Mann, den Arzt Heinz Roth kennen. „Nach dem Krieg hat er mich gefragt, ob ich seine Frau werden möchte. Ich hätte ihn auch schon gern früher gefragt, aber das habe ich mich damals nicht getraut“, verrät Rosa Roth mit einem verschmitz­ten Lächeln.

Auch am 100. Geburtstag früh ins Bett gehen

Mit ihrem Mann war sie 52 Jahre verheirate­t, er starb 2002. Bis zu ihrem 95. Lebensjahr blieb Rosa Roth in Meßstetten wohnen, dann zog sie zu ihrer Tochter und ihrem Schwiegers­ohn nach Sigmaringe­n. Da beide noch berufstäti­g sind, ist die Jubilarin tagsüber in der Tagespfleg­e „Vinzenz von Paul“. An beiden Orten fühle sie sich sehr wohl. Jedoch sei ihr das stolze Alter schon fast peinlich, sie möchte eigentlich niemandem so lange zur Last fallen. „Alle wollen alt werden, aber keiner will alt sein“, so die Seniorin. Bescheiden leben, viel arbeiten und früh ins Bett gehen, das sei ihre Lebensmaxi­me. Neun Stunden Schlaf sollten es schon sein, und vor dem Einschlafe­n noch lange vor sich hin träumen. Daran hält sie fest, auch heute noch.

Befragt, wie sie ihren 100. Geburtstag ausklingen lasse, antwortet Rosa Roth wie selbstvers­tändlich: „Früh ins Bett gehen“. Das bereitet ihr Freude, so wie früher das Wandern, Reisen, Kochen, Nähen, die Gartenarbe­it oder das Lesen. Tanzen habe sie nie gemocht, aber das Singen, das liebe sie noch immer. Und so ließ sie es sich auch nicht nehmen, gemeinsam mit Bürgermeis­ter Marcus Ehm und ihrer kleinen Gästeschar auf der Allee der Hundertjäh­rigen noch das Lied „Lustig ist das Zigeunerle­ben“durch den sonnigen, aber kräftigen Herbstwind zu trällern.

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FOTO: PEGGY MEYER Mit der Jubilarin Rosa Roth (Zweite von rechts) freuen sich ihr Enkel Alexander Gall, Bürgermeis­ter Marcus Ehm und Tochter Barbara Gall.

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