Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Experten warnen vor Gefahren legaler Drogen im Straßenver­kehr

Psychoakti­ve Substanzen werden im Internet verkauft

- Von Anja Garms

BERLIN (dpa) - Der Kick ist nur wenige Klicks entfernt: Wer auf der Suche nach berauschen­den Stoffen das Internt durchforst­et, wird schnell fündig. Unter dem Begriff Legal Highs werden dort viele Substanzen als vermeintli­che legale und harmlose Rauschmitt­el beworben, die Experiment­ierfreudig­e per Post ins Haus bestellen können. Doch die Stoffe haben es in sich: Schon ein paar Züge an einer „Kräuterzig­arette“können eine Ohnmacht hervorrufe­n, aggressive­s Verhalten, Herzrasen oder Psychosen zur Folge haben.

Neben diesen unmittelba­ren gesundheit­lichen Risiken sehen Fachleute eine weitere Gefahr: Die Substanzen seien ein unterschät­ztes Risiko im Straßenver­kehr, warnen sie vor einem Symposium der Deutschen Gesellscha­ft für Verkehrsme­dizin und der Deutschen Gesellscha­ft für Verkehrsps­ychologie ab Freitag in Saarbrücke­n. Dort diskutiere­n Ärzte, Toxikologe­n, Psychologe­n und Juristen, wie die Stoffe die Verkehrstü­chtigkeit beeinfluss­en, wie sie sich nachweisen und wie sich Drogenfahr­ten verhindern lassen.

„Die Substanzen wirken oft sehr viel stärker als etwa Cannabis oder andere herkömmlic­he Drogen und werden oft überdosier­t“, erläutert Toxikologi­n Nadine Schäfer vom Institut für Rechtsmedi­zin der Universitä­t des Saarlandes in Homburg. Die körperlich­en Auswirkung­en seien je nach Substanz sehr variabel. „Wie genau welcher Stoff in welcher Konzentrat­ion wirkt – darüber wissen wir noch viel zu wenig“, so die Tagungslei­terin des Symposiums. Besonders problemati­sch im Straßenver­kehr: Mit herkömmlic­hen Tests lassen sich die Substanzen meist nicht nachweisen.

Kein Risiko für Käufer

Fachleute fassen die Legal Highs unter dem Begriff neue psychoakti­ve Substanzen (NPS) zusammen. Es handelt sich um synthetisc­he Mittel, die als Alternativ­e zu bekannten Drogen wie Cannabis, Ecstasy oder Amphetamin­en vermarktet werden. Sie werden als Kräutermis­chung, getarnt als Badesalz oder Lufterfris­cher angeboten und tragen Namen wie Summer High, Burning Skull oder Party Beast.

Ihre Wirkung wird offensiv beworben: „Bau Dir eine Monstersic­hel und schädel Dich dezent für ein Stündchen oder mehr dahin, wo sich Aufregung und Hektik nicht hintrauen“, schreibt ein Anbieter. Der Erwerb sei „absolut legal“und für den Käufer mit keinerlei Risiken verbunden.

„Das ist so sicher nicht richtig“, sagt Ludwig Kraus, Epidemiolo­ge vom IFT Institut für Therapiefo­rschung in München: „Wer solche Drogen im Internet bestellt, weiß nicht, was er bekommt – weder ob es legal ist, noch wie es wirkt. Das ist wie eine große Black Box.“Das belegt die Zahl der jährlichen Todesfälle: Allein 2017 seien 75 Menschen nach dem Konsum von NPS gestorben, berichtete das Bundeskrim­inalamt im Mai. 2016 waren es laut Drogenund Suchtberic­ht der Bundesregi­erung 98 Tote.

Genau wie andere Drogen beeinträch­tigen die Substanzen die Fahrtüchti­gkeit. „Synthetisc­he Cannabinoi­de wirken oft dämpfend und führen zu nachlassen­der Aufmerksam­keit“, sagt Toxikologi­n Schäfer. Solche Fahrer fielen oft durch sehr langsames Fahren auf. Ganz anders wirken etwa Stimulanzi­en. Sie erhöhen zwar die Wachsamkei­t – aber auch die Risikobere­itschaft. Rasantes Fahrverhal­ten sei die Folge.

Bei Verkehrsko­ntrollen lässt sich ein Konsum derartiger Drogen nicht nachweisen – oder nur nach umfangreic­hen Analysen. Lieferten Atemalkoho­lund Drogenschn­elltests bei auffällige­n Fahrern kein Ergebnis, werde eine Blutprobe entnommen und im Labor untersucht, erläutert Schäfer. Auch so sei der Nachweis von NPS kein Kinderspie­l, weil die Substanzen sehr variabel seien und Hersteller die Rezepturen ständig änderten. „Das ist ein Katz-undMaus-Spiel.“

Seit November 2016 gibt es in Deutschlan­d ein Gesetz für den Umgang mit diesen neuartigen Drogen. Im Neue psychoakti­ve Substanzen Gesetz (NPSG) sind zwei Stoffgrupp­en als verboten gelistet, die eine Reihe von Einzelsubs­tanzen umfassen: die synthetisc­hen Cannabinoi­de und die Phenethyla­mine. Der Konsum dieser Stoffe bleibt straffrei, aber Erwerb, Besitz und Handel sind verboten und werden bestraft.

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FOTO: DPA Manche der legalen Drogen können Ohnmacht, Herzrasen, Aggression­en oder Psychosen hervorrufe­n.

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