Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Experten warnen vor Gefahren legaler Drogen im Straßenverkehr
Psychoaktive Substanzen werden im Internet verkauft
BERLIN (dpa) - Der Kick ist nur wenige Klicks entfernt: Wer auf der Suche nach berauschenden Stoffen das Internt durchforstet, wird schnell fündig. Unter dem Begriff Legal Highs werden dort viele Substanzen als vermeintliche legale und harmlose Rauschmittel beworben, die Experimentierfreudige per Post ins Haus bestellen können. Doch die Stoffe haben es in sich: Schon ein paar Züge an einer „Kräuterzigarette“können eine Ohnmacht hervorrufen, aggressives Verhalten, Herzrasen oder Psychosen zur Folge haben.
Neben diesen unmittelbaren gesundheitlichen Risiken sehen Fachleute eine weitere Gefahr: Die Substanzen seien ein unterschätztes Risiko im Straßenverkehr, warnen sie vor einem Symposium der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie ab Freitag in Saarbrücken. Dort diskutieren Ärzte, Toxikologen, Psychologen und Juristen, wie die Stoffe die Verkehrstüchtigkeit beeinflussen, wie sie sich nachweisen und wie sich Drogenfahrten verhindern lassen.
„Die Substanzen wirken oft sehr viel stärker als etwa Cannabis oder andere herkömmliche Drogen und werden oft überdosiert“, erläutert Toxikologin Nadine Schäfer vom Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes in Homburg. Die körperlichen Auswirkungen seien je nach Substanz sehr variabel. „Wie genau welcher Stoff in welcher Konzentration wirkt – darüber wissen wir noch viel zu wenig“, so die Tagungsleiterin des Symposiums. Besonders problematisch im Straßenverkehr: Mit herkömmlichen Tests lassen sich die Substanzen meist nicht nachweisen.
Kein Risiko für Käufer
Fachleute fassen die Legal Highs unter dem Begriff neue psychoaktive Substanzen (NPS) zusammen. Es handelt sich um synthetische Mittel, die als Alternative zu bekannten Drogen wie Cannabis, Ecstasy oder Amphetaminen vermarktet werden. Sie werden als Kräutermischung, getarnt als Badesalz oder Lufterfrischer angeboten und tragen Namen wie Summer High, Burning Skull oder Party Beast.
Ihre Wirkung wird offensiv beworben: „Bau Dir eine Monstersichel und schädel Dich dezent für ein Stündchen oder mehr dahin, wo sich Aufregung und Hektik nicht hintrauen“, schreibt ein Anbieter. Der Erwerb sei „absolut legal“und für den Käufer mit keinerlei Risiken verbunden.
„Das ist so sicher nicht richtig“, sagt Ludwig Kraus, Epidemiologe vom IFT Institut für Therapieforschung in München: „Wer solche Drogen im Internet bestellt, weiß nicht, was er bekommt – weder ob es legal ist, noch wie es wirkt. Das ist wie eine große Black Box.“Das belegt die Zahl der jährlichen Todesfälle: Allein 2017 seien 75 Menschen nach dem Konsum von NPS gestorben, berichtete das Bundeskriminalamt im Mai. 2016 waren es laut Drogenund Suchtbericht der Bundesregierung 98 Tote.
Genau wie andere Drogen beeinträchtigen die Substanzen die Fahrtüchtigkeit. „Synthetische Cannabinoide wirken oft dämpfend und führen zu nachlassender Aufmerksamkeit“, sagt Toxikologin Schäfer. Solche Fahrer fielen oft durch sehr langsames Fahren auf. Ganz anders wirken etwa Stimulanzien. Sie erhöhen zwar die Wachsamkeit – aber auch die Risikobereitschaft. Rasantes Fahrverhalten sei die Folge.
Bei Verkehrskontrollen lässt sich ein Konsum derartiger Drogen nicht nachweisen – oder nur nach umfangreichen Analysen. Lieferten Atemalkoholund Drogenschnelltests bei auffälligen Fahrern kein Ergebnis, werde eine Blutprobe entnommen und im Labor untersucht, erläutert Schäfer. Auch so sei der Nachweis von NPS kein Kinderspiel, weil die Substanzen sehr variabel seien und Hersteller die Rezepturen ständig änderten. „Das ist ein Katz-undMaus-Spiel.“
Seit November 2016 gibt es in Deutschland ein Gesetz für den Umgang mit diesen neuartigen Drogen. Im Neue psychoaktive Substanzen Gesetz (NPSG) sind zwei Stoffgruppen als verboten gelistet, die eine Reihe von Einzelsubstanzen umfassen: die synthetischen Cannabinoide und die Phenethylamine. Der Konsum dieser Stoffe bleibt straffrei, aber Erwerb, Besitz und Handel sind verboten und werden bestraft.