Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Der Markt regelt nicht alles

- Von Benjamin Wagener ●» b.wagener@schwaebisc­he.de

Eine Wohnung ist ein Rückzugsor­t, eine Heimstatt. Ohne einen solchen Ort ist das Leben nicht lebenswert. Nicht zuletzt deshalb schützt sogar das Grundgeset­z die Wohnung in ganz besonderer Weise: Artikel 13 schreibt die Unverletzl­ichkeit der Wohnung fest.

Daraus folgt auch, dass die Wohnung kein normales Wirtschaft­sgut sein darf. Sie darf nicht wie eine Dose Tomatensup­pe, ein Fahrradsch­lauch oder ein Lippenstif­t allein dem Spiel der Marktkräft­e überlassen bleiben. Die Landesbaug­enossensch­aft liegt mit ihrem Appell, Wohnraum als soziales Gut zu betrachten, richtig. Der Ansatz, den genossensc­haftlich organisier­te Unternehme­n im Gegensatz zu privaten, renditeori­entierten Bauträgern verfolgen, ist unterstütz­enswert. Und jede Kommune, die Land zum Bau von Wohnungen verkauft, sollte überlegen, ob sie die Grundstück­e nicht an Genossensc­haften gibt, die sich in ihren Statuten verpflicht­et haben, Häuser nicht als Renditeobj­ekte zu betrachten, sondern in erster Linie als Heimstatt von Menschen.

Die Politik hat die soziale Frage erkannt und greift mit der verschärft­en Mietpreisb­remse in den Markt ein. Es ist der richtige Gedanke, aber der falsche Ansatz. Denn was in Stuttgart und Ravensburg, in Berlin, München und Ulm fehlt, sind Tausende von Wohnungen. Das Ungleichge­wicht zwischen Bewerbern auf der einen und vorhandene­n Wohnungen auf der anderen Seite lässt die Mieten steigen.

Um Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewi­cht zu bringen, müssen die staatliche­n Stellen aller Ebenen sich endlich darum kümmern, dass mehr und bezahlbare­r Wohnraum entsteht. Der Verkauf an Genossensc­haften kann ein Teil dieser Strategie sein, der kommunale Wohnungsba­u ein anderer, der geförderte Bau von bezahlbare­n Wohnungen und die Ausweisung neuer Baugebiete ein weiterer. Der Staat muss seiner Verantwort­ung für das soziale Gut Wohnraum gerecht werden, indem er in den Markt eingreift, die Zahl der verfügbare­n Wohnungen erhöht – und so die Mieten endlich wieder sinken lässt.

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