Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Widmann-Mauz kämpft an der Seite der Unternehmer
Initiative unter Führung der schwäbischen Firmenchefs Härle und von Dewitz setzt sich für Bleiberecht für Flüchtlinge in Arbeit ein
BERLIN – Das geplante Einwanderungsgesetz steht am kommenden Montag beim Gipfel der Koalition in Berlin auf der Tagesordnung. Bei manchen Punkten herrscht Einigkeit, doch der sogenannte Spurwechsel, der schon hier lebenden und arbeitenden Flüchtlingen ermöglichen soll, über das neue Einwanderungsgesetz einzureisen, ist hoch umstritten. Die SPD befürwortet dies, die CSU lehnt es ab und die CDU ist in dieser Frage gespalten.
„Die Wirtschaft braucht diese Arbeitskräfte“, sagt Integrationsministerin Annette Widmann-Mauz. Sie hat kurz vor dem Gipfel einige Vertreter der Unternehmerinitiative „Bleiberecht“ins Kanzleramt zum Gespräch eingeladen. Mehr als 100 Unternehmer unter Federführung von Antje von Dewitz (Vaude/Tettnang) und Gottfried Härle (Härle Brauerei/Leutkirch) setzen sich für ein Bleiberecht für jene Flüchtlinge ein, die ihre Mitarbeiter sind.
„Sie wissen, dass ich mich für eine Stichtagsregelung einsetze, einmalig und rückwirkend“, so Annette Widmann-Mauz. Damit könnten bereits hier arbeitende Menschen dableiben. Im Prinzip sei klar, dass das Asylrecht auf der einen Seite und das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auf der anderen zwei unterschiedliche Dinge seien. Aber pragmatische Lösungen zu finden für die, die als Flüchtlinge hier arbeiteten, das sei ein gemeinsames Anliegen.
Denn gerade in Baden-Württemberg sei es sehr wichtig, Arbeitskräfte zu finden. „Wir haben uns deshalb darüber unterhalten, wie wir für Flüchtlinge, die in Arbeit sind, Leistung zeigen und sich nichts zuschulden kommen ließen, eine Perspektive entwickeln“, so Widmann-Mauz. Ihr sei es ein Anliegen, diese Integrationsleistung zu würdigen. Allerdings, so Widmann-Mauz einschränkend, müsse das nicht von Anfang an eine dauerhafte Perspektive sein. Es könne auch sein, dass es eine befristete Perspektive sei, die verlängert werden kann. So könne man Befürchtungen, dass bei schlechterer Konjunktur viele in die Sozialsysteme fallen, entgegenwirken.
Das werde so schnell nicht passieren, heißt es bei den Unternehmen. Denn in Baden-Württemberg fehlen quer durch alle Branchen im Handwerk 45 000 Fachkräfte, sagt Joachim Krimmer aus Leutkirch, Präsident der Handwerkskammer Ulm. „In unserem Kammergebiet sind 1000 Ausbildungsstellen leer.“
Markus Winter, Geschäftsführer der IDS-Holding für Industriedienstleistungen, meint: „Wir haben im südlichen Baden-Württemberg 2,1 Prozent Arbeitslosigkeit und in allen Bereichen, sowohl bei Facharbeitern als auch bei qualifizierten Helfertätigkeiten, fehlt Personal.“Teilweise seien Geflüchtete schon seit mehreren Jahren in Arbeit und hätten bereits bewiesen, dass sie willig und fähig seien, für die Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zu leisten. „Das ist doch das beste Bewerbungsverfahren, das man haben kann“, so Markus Winter.
Bei der Unternehmerinitiative sind 2000 Geflüchtete in Arbeit. Geht es nicht auch einfach um billige Arbeitskräfte? Winter entgegnet, erstens investiere man sehr viel Zeit in Bürokratie und die Einarbeitung der Kräfte, zweitens haben sich alle verpflichtet, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu zahlen. „Diese Probleme haben wir nicht.“Annette Widmann-Mauz sagt, ein Kriterium für das Bleiberecht müsse ohnehin sein, dass man sich mit seiner Arbeit den Lebensunterhalt sichern kann. Es gehe nicht um Teilzeitjobs.
Yasemin Öztürk von der ÖztürkDönerproduktion aus Waldburg sagt, ihre Firma habe 65 Mitarbeiter, davon sechs Flüchtlinge. Sie unterstützt die Initiative.
Thomas Oßwald, Geschäftsleiter des Mercedes Benz Autohauses in Bad Saulgau, erinnert an etwas anderes: Daran, dass es für die Mitarbeiter auch eine große psychische Belastung bedeute, nicht zu wissen, ob sie in ihrer Firma, ob sie in Deutschland bleiben könnten. Und dabei seien das doch oft „Pfundskerle“.
Doch bis zu einer Stichtagsregelung wird es noch viel Diskussion geben. „Da läuft noch viel Wasser den Neckar runter“, sagt WidmannMauz. „Beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird es noch mal richtig rappeln“, hört man aus der SPD.