Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Der Leporello und #MeToo
Man stelle sich eine Planungskonferenz in einer Akademie vor: Auf dem Hintergrund der #MeToo-Debatte soll eine Veranstaltung über Diskriminierung der Frau, Alltagssexismus und männlichen Machtmissbrauch angeboten werden. „Dazu brauchen wir vor allem einen attraktiven Leporello“, wirft eine Dame aus dem Leitungsteam ein – und ist sich der pikant-paradoxen Note dieser Äußerung sicher nicht bewusst. Denn der Hintergrund der Bezeichnung Leporello für einen mehrfach gefalteten Prospekt ist alles andere als frauenfreundlich. Der Name geht auf den Diener Leporello zurück, der für seinen Herrn Don Giovanni, den notorischen Macho in Mozarts gleichnamiger Oper, Buch führt über dessen unzählige Liebschaften. In der sogenannten Registerarie entfaltet er eine ellenlange Liste auf der Bühne – sehr zum Entsetzen der schönen Elvira, die auch schon von dem gewissenlosen Frauenhelden verführt worden ist. Damit sind wir bei jenen Wörtern gelandet, die auf Eigennamen – in diesem Fall Personennamen – zurückgehen, ohne dass man sich dessen immer bewusst ist. Nur drei Beispiele: Marionette für Gliederpuppe ist eine Verkleinerungsform des französischen Vornamens Marion und heißt eigentlich Mariechen. Die Bezeichnung Guillotine spielt auf den französischen Arzt Joseph-Ignace Guillotin während der Französischen Revolution von 1789 an. Allerdings hat er diese Maschine nicht erfunden, wie oft behauptet wird – das Fallbeil gab es vorher schon. Er empfahl nur ihren Einsatz, um die Massenenthauptungen – wenn man sie denn schon vehement forderte – humaner gestalten zu können. Dass man das Gerät später nach ihm benannte, war ihm sehr unangenehm, und seine Familie nahm später einen anderen Namen an. Hochinteressant, aber auch hoch kompliziert ist die Geschichte hinter dem Begriff Algorithmus für Rechenvorgänge nach bestimmten, sich wiederholenden Schemata, der uns in der Computerwelt permanent begegnet. In Kurzform: Was wie ein Fremdwort aus dem Griechischen klingt, geht auf einen persischen Mathematiker namens Muhammad Ibn Musa Al Chwarismi aus dem 9. Jahrhundert zurück.
Aber es gibt nicht nur Substantive, die aus Personennamen gebildet wurden, sondern auch viele Verben. Hier ebenfalls eine kleine Auswahl: röntgen (nach dem Physiker Wilhelm Conrad Röntgen, der 1895 die unsichtbaren Strahlen entdeckte), kneippen (nach dem 1897 gestorbenen Pfarrer Sebastian Kneipp, dessen Wasserkuren weltberühmt wurden), schrammeln (nach den Musikerbrüdern Johann und Josef Schrammel, die vor 1900 in Wien bei Heurigen aufspielten) und – bei der derzeitigen Obstschwemme in aller Munde – einwecken (nach Johann Carl Weck, der um 1900 das Einkochen von Obst ohne Alkohol perfektionierte).
Nun noch ein Nachklapp zu Leporello. Der Duden lässt uns hier die Wahl:
oder das Leporello. Der Duden? Natürlich nicht Herr Konrad Duden höchstpersönlich – er starb schon 1911. Aber das Nachschlagewerk, das nach ihm benannt wurde.