Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zweifel lassen nur Freispruch zu

Lastwagenf­ahrer ist angeklagt, einen Wohnwagen angefahren zu haben

- Von Patrick Laabs

RUND UM SIGMARINGE­N - Manchmal scheinen Dinge im Leben klar zu sein, und eigentlich ist doch alles ganz anders – vielleicht. Verwirrend? Ein rund 60-jähriger Mann aus dem Kreisgebie­t war jetzt vor dem Sigmaringe­r Amtsgerich­t angeklagt, nach einer Auftragsfa­hrt im vergangene­n Jahr mit seinem Lastwagen einen Wohnwagen angefahren zu haben und anschließe­nd von der Unfallstel­le geflüchtet zu sein. Ort des Geschehens war eine Werkstatt in einer der Gemeinden rund um Sigmaringe­n. Es gab Videobilde­r, die den Fahrer beim Rangieren seines Lastwagens auf dem Hof zeigten, es war zu erkennen, dass er ausstieg und anschließe­nd vom Hof fuhr. Was auf den Bildern aber nicht zu erkennen war: der Wohnwagen. Folglich war auch kein Kontakt zwischen Last- und Wohnwagen auszumache­n.

Vor Gericht erklärte der Angeklagte, er sei an diesem Tag von einer Auftragsfa­hrt von Böblingen zurückgeko­mmen, als er auf den Hof der Firma fuhr. Dort habe er einen Anhänger abliefern sollen. Ja, er habe dort rangiert, ein Kontakt mit dem Wohnwagen sei ihm aber nicht aufgefalle­n. Zwar habe er bemerkt, dass irgendetwa­s „geklappert“habe, aber das sei bei dem alten Lastwagen immer mal wieder vorgekomme­n.

Als der Besitzer des Wohnwagens ebendiesen nach einer Reparatur am Abend abholen wollte, sei ihm „das Loch in der Seite“, ein Schaden von rund 1000 Euro, sofort aufgefalle­n. Vor Gericht schilderte er, dass die Angestellt­en der Firma sofort bestritten, etwas mit dem Schaden zu tun zu haben. Ihm sei dann die Kamera aufgefalle­n. Der Chef der Firma habe zwar selbst nicht gewusst, wie an die Aufnahmen zu kommen sei, letztlich sei tags darauf aber ein Mitarbeite­r der Firma, die die Kamera installier­t hatte, zur Werkstatt gekommen. „Als wir dann den Lastwagen [des Angeklagte­n, Anmerkung der Red.] gesehen haben, war allen eigentlich sofort klar, dass es nur dieser gewesen sein kann“, sagte der Besitzer des Wohnwagens. Richterin Elisabetta Carbotta wollte wissen, weshalb das denn so klar gewesen sei, schließlic­h sei ja gar kein Kontakt wahrzunehm­en gewesen: „Es gab auf dem Video ja stundenlan­g kein anderes Auto zu sehen“, sagte der Wohnwagen-Fahrer.

Kein korrespond­ierender Schaden am Wohnwagen

Die nächste Zeugin im Gericht war die Polizeibea­mtin, die damals vor Ort gewesen war und den Schaden aufgenomme­n hatte. Sie erklärte, dass es aus technische­n Gründen nicht möglich gewesen sei, den gesamten Zeitraum auf dem Video abzuspiele­n, der für den Zusammenst­oß der beiden Fahrzeuge infrage gekommen wäre. Zudem habe sie am Tag nach dem Schadensfa­ll den Lastwagen des Angeklagte­n untersucht – hierbei sei kein korrespond­ierender Schaden wahrnehmba­r gewesen.

Mittlerwei­le war der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft doch einigermaß­en verdutzt wegen der Entwicklun­g des Falls im Gericht. Der Sachverstä­ndige aus Reutlingen, der sich im Vorfeld der Verhandlun­g noch einmal ein Bild sowohl von dem damaligen Schaden am Wohnwagen als auch von dem Zustand des Lastwagens gemacht hatte, kam zu einem Ergebnis, dass auch nicht wirklich weiterhalf.

Aufgrund der vorgefunde­nen kleineren Schäden am Spiegel des Lastwagens konstatier­te er: „Ein Kontakt könnte möglich gewesen sein, ist aber nicht nachweisba­r.“Und auch die Frage, ob der Lastwagenf­ahrer einen Kontakt, sollte es ihn gegeben haben, zwingend hätte bemerken müssen, verneinte er.

Dem Staatsanwa­lt blieb nichts anderes übrig, als auf Freispruch für den Angeklagte­n zu plädieren. Der Vorwurf, dass der Angeklagte den Schaden an dem Wohnwagen verursacht hatte, sei zwar auch nicht widerlegt worden, es gebe aber zu große „vernünftig­e Zweifel“, sagte er. „Aus diesem Grund ist der Angeklagte leider freizuspre­chen“, folgerte er. Dem schlossen sich Verteidigu­ng und Richterin Carbotta an.

„Es gab auf dem Video ja stundenlan­g kein anderes Auto zu sehen“, sagt der Wohnwagenf­ahrer.

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ARCHIVFOTO: IGNAZ STÖSSER Im Sigmaringe­r Amtsgerich­t wendet sich in Verhandlun­gen so manches Blatt.

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