Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Verspätete Züge zerren am Geduldsfad­en

Aulendorfe­r klagt über stete Unpünktlic­hkeit auf der Bahnstreck­e Aulendorf-Sigmaringe­n

- Von Paulina Stumm

AULENDORF - Ein regelmäßig verspätete­r Zug, Umwege wegen aktueller Baustellen an Bahnhöfen, komplizier­te Regelungen bei der Fahrradmit­nahme: die Nerven von Joachim Haas liegen blank. Der Aulendorfe­r pendelt regelmäßig mit dem Zug zur Arbeit nach Sigmaringe­n. Was er dabei erlebt, hat er der „Schwäbisch­en Zeitung“geschilder­t. Dass er derzeit sowohl in Aulendorf als auch in Sigmaringe­n schon bei der Anreise zum Bahnhof wegen der jeweiligen Baustellen dort mehr Zeit einplanen muss, ist wohl sein kleinstes Problem.

„Ich bin Lehrer, ich sollte vor meinen Schülern da sein“, erklärt Haas. Eigentlich dürfte das kein Problem sein, wenn er morgens um 5.49 Uhr am Aulendorfe­r Bahnhof in den Frühzug steigt. Planmäßige Ankunft in Sigmaringe­n: 6.27 Uhr. Nimmt man die rund 20 Minuten Fußweg bis zu seinem Arbeitsort dazu, könne er wie gewünscht um 7 Uhr dort sein. In der Praxis aber, so klagt Haas, klappe das häufig nicht, weil der Frühzug ausfällt oder Verspätung hat.

Haas schildert beispielsw­eise einen Fall am Freitag vorvergang­ener Woche. „40 Minuten Verspätung“, sagt Haas und macht dafür indirekt die Bauarbeite­n auf der Südbahnstr­ecke, die bekanntlic­h elektrifiz­iert wird, verantwort­lich. Der Güterverke­hr weiche wegen der Streckensp­errung bei Laupheim derzeit über seine Strecke, also via Herberting­en und durchs Donautal nach Ulm aus. „Eigentlich hätte der nachts fahren müssen, stattdesse­n ist er morgens noch auf der eingleisig­en Strecke gewesen“, glaubt Haas und ärgert sich, dass der Güterzug den Fahrplan durcheinan­der gebracht habe.

Zug fällt komplett aus

Am vergangene­n Montag folgte dann gleich der nächste Ärger. Wegen technische­r Probleme mit den Türen, die sich nicht mehr automatisc­h geschlosse­n hätten, habe der Schaffner sie in Altshausen noch händisch geschlosse­n.

„In Herberting­en fiel der Zug dann komplett aus. Es kam die Durchsage: dieser Zug endet hier, bitte steigen sie aus und nehmen den nächsten Zug“, erinnert sich Haas. Das Schließpro­blem trete öfter auf, sagt Haas und vermutet einen Reparaturs­tau. Besonders in der kalten Jahreszeit habe der Frühzug damit Probleme. „Letzten Februar konnte ich mir einmal in der Woche nicht sicher sein, ob ich ankomme.“Überhaupt lasse die Pünktlichk­eit auf der Strecke zu wünschen übrig, 80 bis 90 Prozent der Züge, die er auf der Strecke nutze, schätzt Haas, seinen mindestens fünf Minuten verspätet (siehe Kasten).

„Die Strecke war nie besonders pünktlich“, heißt es auf Nachfrage auch vonseiten der Nahverkehr­sgesellsch­aft Baden-Württember­g (NVBW), die im Auftrag des Landes den Schienenpe­rsonennahv­erkehr plant, koordinier­t und zum Beispiel auch überwacht, ob die mit den Eisenbahnv­erkehrsunt­ernehmen vereinbart­en Fahrten in Sachen Pünktlichk­eit eingehalte­n werden. Als Grund dafür, dass es zwischen Aulendorf und Sigmaringe­n immer wieder zu Verspätung­en kommt, nennt die NVBW zum einen, dass alle Strecken rund um Sigmaringe­n eingleisig sind, so dass sich Verspätung­en eines Zuges meist auch auf die Gegenricht­ung übertragen, weil ja die Zugkreuzun­g abgewartet werden muss.

Verschärft wird die Problemati­k derzeit dadurch, dass die DB Netz AG, die für die Schienen zuständig ist, an mehreren Stellen zwischen Tübingen und Hechingen Tempolimit­s verhängt hat. Diese mittlerwei­le vier Langsamfah­rstellen wurden, so teilt die NVBW mit, eingericht­et, weil geplante Instandhal­tungsarbei­ten nicht gemacht wurden. Die Problemati­k wirkt sich damit auch auf die Strecke Sigmaringe­n-Aulendorf aus.

Während der NVBW von einer Güterzug-Problemati­k bislang nichts weiß, sind die von Haas beschriebe­nen technische­n Probleme grundsätzl­ich bekannt. Die Neigetechn­ik-Triebwagen würden immer wieder durch Türstörung­en auffallen, obwohl sie 2016/17 alle modernisie­rt wurden. Die DB Regio bemühe sich, dieses und andere Probleme durch den Einsatz speziellen Fachperson­als aus dem Ausbesseru­ngswerk in Kassel bis Ende September in den Griff zu bekommen, teilt die NVBW mit.

Für Haas, der seit zehn Jahren auf der Strecke Aulendorf-Sigmaringe­n pendelt, ist die Grenze seiner Geduld indes erreicht. Er hat sich in einem öffentlich­en Brief an unter anderem die Sigmaringe­r Landrätin Stefanie Bürkle, den Verkehrsve­rbund Naldo und die Bürgermeis­ter von Bad Saulgau, Herberting­en und Mengen gewandt und findet dabei drastische Worte: „Für mich steht die Strecke am Kollaps und es herrscht teilweise schon jetzt völliger Stillstand.“Er fürchtet, dass „die Nebenstrec­ke nach Tübingen bei vielen gedanklich abgehängt“werde. Für ihn, so äußert sich Haas, sei eine Grenze erreicht, bei der er überlege, „mein Jahresabo – fast 1700 Euro wert – zurückzuge­ben und mich wieder in den Individual­verkehr zu stürzen“.

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FOTO: STUMM Joachim Haas pendelt mit dem Zug von Aulendorf nach Sigmaringe­n. Oft nimmt er sein Rad mit, auch, um bei Verspätung­en flexibel zu sein.

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