Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Dialekt nutzt Schulkinde­rn

Rektorin Meike Laplace erklärt, warum Schwäbisch von Vorteil sein kann.

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INZIGKOFEN - Tun sich Erstklässl­er, die von zu Hause nur den schwäbisch­en Dialekt kennen, mit dem Schreibenl­ernen schwerer als andere? Nicht unbedingt, sagt Meike Laplace, die seit diesem Schuljahr die Grundschul­e in Inzigkofen leitet. Dialekt zu sprechen müsse kein Nachteil sein, im Gegenteil. Mit SZRedakteu­rin Corinna Wolber hat sie darüber gesprochen, warum sie das so sieht und was ihrer Meinung nach fürs Schreibenl­ernen viel wichtiger ist.

Frau Laplace, sprechen die Kinder in Ihrer Schule alle Dialekt?

Nein, es gibt beides. Man muss auch unterschei­den zwischen Kindern, die zum Zeitpunkt ihrer Einschulun­g nur den Dialekt kennen, und denen, die auch Schriftspr­ache sprechen. Letztere wissen also, dass es einen Unterschie­d zwischen dem Schwäbisch­en und der Schriftspr­ache gibt.

Wie gehen Sie in der Schule damit um?

Ich lege Wert darauf, dass an unserer Schule Schriftspr­ache gesprochen wird.

Also Hochdeutsc­h?

Nein, das ist nicht dasselbe. Die Klangfarbe des Schwäbisch­en kriegt man ja sowieso nicht vollends unterdrück­t.

Das empfehle ich auch nicht, außerdem darf man den Dialekt keinesfall­s verteufeln.

Tun sich Ihrer Erfahrung nach diejenigen Kinder mit dem Schreiben schwerer, die nur oder überwiegen­d Schwäbisch sprechen?

Es gibt da einen interessan­ten Ansatz. Er besagt, dass es bereits wie das Erlernen einer Zweitsprac­he ist, wenn jemand den Dialekt und die Schriftspr­ache schon früh zu unterschei­den lernt. Dann ist das Ganze also sogar als Vorteil zu betrachten: Später tun sich diese Kinder nämlich mit großer Wahrschein­lichkeit auch leichter, eine Fremdsprac­he zu erlernen.

Gilt das denn auch für die korrekte Rechtschre­ibung?

Dialektspr­echer tun sich nicht per se mit der Rechtschre­ibung schwerer. Ein Gespür dafür muss man anbahnen, und das gilt für alle Kinder gleicherma­ßen. Besonders wichtig ist das gesehene und gehörte Wort. Möglichst frühes Selberlese­n, auch laut, ist sehr förderlich, um dieses Gespür zu erlangen.

Mit der richtigen Formulieru­ng tun sich Dialektspr­echer vielleicht eher manchmal schwerer.

Nicht alle Kinder haben zum Schulstart dieselben Voraussetz­ungen – zum Beispiel dann, wenn die Schriftspr­ache zu Hause keine Rolle spielt...

Ja, das stimmt. Das Vorlesen ist unerlässli­ch, um die Schriftspr­ache lebendig werden zu lassen. So wird sie auch viel besser aufgenomme­n als etwa beim Fernsehen. Zum Vorlesen gehört hier aber nicht nur das „selbst Vorlesen“, sondern auch das „Vorgelesen bekommen“. Um aufzufange­n, dass nicht allen Kindern daheim im selben Umfang vorgelesen wird, gibt es bei uns feste Vorleseode­r Lesezeiten im Unterricht.

Es gibt ja Formulieru­ngen im Schwäbisch­en, die grammatika­lisch falsch sind. Verbessert die Schule dann rigoros?

Generell sind wir angehalten, nichts Falsches stehenzula­ssen, es gibt ja auch einen verbindlic­hen Rechtschre­ibrahmen. Aber es kommt natürlich auf den sensiblen Umgang mit diesen „Fehlern“an. Für mich ist

es immer wichtig herauszufi­nden, mit welchen Strategien ich einem Kind helfen kann. Man kann Kindern auch zeigen, die Fehler als Hilfe zu verstehen, um letztlich zum Richtigen zu kommen. Vor allem ist es wichtig, erst einmal zu würdigen, was die Kinder produziere­n und sie

nicht laufend von oben herab zu verbessern.

Ganz wertfrei gefragt: Wäre es für die Grundschul­en einfacher, wenn es keinen Dialekt gäbe?

Nein. Ich kann nicht feststelle­n, dass Kinder mit Dialekt beim Lernen einen

Nachteil haben. Bei uns wird der Dialekt insgesamt zwar nicht gefördert, aber auch nicht unterdrück­t. Ich fände es sehr schade, wenn er ausstirbt. Er gehört zu unserem Kulturgut, das erhalten werden muss. Es ist wichtig, den Kindern klarzumach­en, dass es beides gibt.

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FOTO: WOB
 ?? FOTO: CORINNA WOLBER ?? Meike Laplace ist am Seminar in Albstadt für die Deutschleh­rerausbild­ung zuständig. Für sie ist der Dialekt Teil der Identität.
FOTO: CORINNA WOLBER Meike Laplace ist am Seminar in Albstadt für die Deutschleh­rerausbild­ung zuständig. Für sie ist der Dialekt Teil der Identität.

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