Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Unanständi­ge Mogelpacku­ng

- Von Benjamin Wagener ●» b.wagener@schwaebisc­he.de

Ein großes Ding, so nennt Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze ihre Lösung des Dieselstre­its. Sie liegt falsch: Der Kompromiss ist eine Mogelpacku­ng, eine Einigung mit einem einzigen Ziel: den Konflikt vor den Landtagswa­hlen in Bayern und Hessen politisch zu entschärfe­n. Umtauschpr­ämien als Ausweg zu verkaufen, ist unanständi­g, denn Rabatte, Sonderange­bote und Nachlässe gehören seit jeher zum Geschäft der Autoindust­rie. Die Händler werden neue Prämien mit alten Rabatten verrechnen, so dass der Vorteil der Verbrauche­r viel geringer ausfällt, als es den Anschein hat. Zudem wird dieses Modell Autofahrer nicht vor finanziell­em Schaden bewahren, denn der Restwert des Altautos wird auch mit der Prämie nicht für ein neues reichen.

Völlig unklar ist, wie die technische Nachrüstun­g funktionie­ren soll. Die Hersteller lehnen sie mehrheitli­ch ab. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer plant Gespräche über den Rahmen nachträgli­cher Einbauten, die – und das weiß er genau – nicht par ordre du mufti erlassen werden können. Denn die Dieselauto­s jenseits des VW-Betrugs sind ordnungsge­mäß zugelassen, eine Änderung der Motorstruk­tur würde die Typengeneh­migung zum Erlöschen bringen. Die rückwirken­de Änderung von Gesetzen ist nicht möglich. Nun rächt es sich, dass Scheuers Vorgänger die Konzerne jahrzehnte­lang vor den strengen EURegeln geschützt haben.

Außerdem schafft die Idee, dass nur die Verbrauche­r der 14 am stärksten belasteten Städte das Prämienund Nachrüstun­gsangebot in Anspruch nehmen dürfen ein Zweiklasse­nrecht. Warum wird einem Verbrauche­r aus dem Schwarzwal­d oder Oberschwab­en die Wertminder­ung seines Dieselauto­s nicht ersetzt? Ganz abgesehen von der Frage, wie die Polizei dies ohne blaue Plakette überhaupt kontrollie­ren soll.

Schulze und Scheuer wissen, dass ihr Konzept so gut wie nichts löst. Die Umweltmini­sterin hat das auch zugegeben, indem sie angedeutet hat, dass trotz der jetzt vorgestell­ten Maßnahmen Fahrverbot­e nicht zu vermeiden sind.

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