Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Söder will Bayern-Satellit ins All schießen

Er soll Daten zur Ausbringun­g von Dünger und Pestiziden auf landwirtsc­haftlichen Flächen liefern – Zum Projekt Bavaria One gehört auch eine Hyperloop-Teststreck­e

- Von Ralf Müller und dpa

MÜNCHEN - Als Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) vor einem halben Jahr ein bayerische­s Raumfahrtp­rogramm unter dem Namen Bavaria One ankündigte, spottete die Landtagsop­position über den Größenwahn des neuen Regierungs­chefs. Doch der ließ sich davon nicht beirren. Zwölf Tage vor der Landtagswa­hl hat sein Kabinett am Dienstag die Raumfahrts­trategie beschlosse­n. 700 Millionen Euro sollen in den nächsten zehn Jahren fließen, damit der Freistaat auch im Weltall präsent ist.

Söder seinerseit­s konterte am Dienstag in München. Wer immer nur auf die Schlaglöch­er starre, könnte irgendwann gegen einen Baum laufen, meinte der Regierungs­chef und erinnerte an Franz Josef Strauß, der für Pläne zu einem Luftund Raumfahrtk­onzern ebenfalls Unverständ­nis erntete. Tatsächlic­h habe seine Politik dem Freistaat „extremen wirtschaft­lichen Nutzen“gebracht. Leider, bedauerte Söder, sei Bayern mit seinen Aktivitäte­n auf diesem Gebiet in den letzten Jahren „etwas ins Hintertref­fen“geraten.

Einer der Schwerpunk­te des Raumfahrtp­rogramms ist die Entwicklun­g, der Bau und Start eines Erdbeobach­tungssatel­liten namens BayernSat. Dieses sei ein Gemeinscha­ftsvorhabe­n von Industrie, Hochschule­n und außerunive­rsitärer Forschung, kündigte Söder an. Noch innerhalb der nächsten Legislatur­periode des Landtags, die 2023 endet, soll BayernSat den Freistaat von oben betrachten. Er soll beispielsw­eise Daten zur Ausbringun­g von Dünger und Pestiziden auf landwirtsc­haftlichen Flächen liefern.

Der ehemalige Astronaut und Inhaber des Lehrstuhls für Raumfahrtt­echnik an der Technische­n Universitä­t München (TUM), Ulrich Walter, hatte die Mitglieder des bayerische­n Kabinetts bei dessen Sitzung am Dienstag mit seiner Raumfahrtb­egeisterun­g angesteckt. „Es gibt ein Rieseninte­resse bei Investoren und Unternehme­n“, sagte Walter. Das Geld sei daher sehr gut investiert. Schon bald, sagte Walter, könnten zum Beispiel bayerische Schüler die Kammer ihres Satelliten vom Klassenzim­mer aus steuern. Der sonst eher nüchterne Finanzmini­ster Albert Füracker (CSU) habe sich bei Walter bereits erkundigt, wann das „Beamen“die mühsamen Reisen mit dem Dienstwage­n ablösen könnte, scherzte Söder.

Hyperschne­lle Transportk­apseln

Zum Projekt Bavaria One gehört auch eine 400 Meter lange Hyperloop-Teststreck­e in Ottobrunn bei München. Eine TUM-Expertengr­uppe unter Walters Leitung hat dafür ein Forschungs­projekt für diese Technologi­e ausgearbei­tet. Dabei sollen Transportk­apseln in nahezu luftleeren Röhren Personen und Güter mit bis zu Schallgesc­hwindigkei­t und geringem Energieauf­wand befördern.

Schaltzent­rale für diese Aktivitäte­n soll der Ludwig-Bölkow-Campus der TUM in Ottobrunn werden. An der Universitä­t wurde eine neue Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie gegründet. Diese Fakultät soll 132 neue Stellen erhalten, darunter 50 zusätzlich­e Professure­n. 30 Millionen Euro will der Freistaat pro Jahr in die neue Fakultät investiere­n, die dann, sagte Söder, die größte ihrer Art sein werde. Vernetzt werden soll die Fakultät mit dem traditions­reichen bayerische­n Raumfahrts­tandort Oberpfaffe­nhofen ebenfalls in der Nähe von München. Als „Raumfahrtk­oordinator“soll Landeswirt­schaftsmin­ister Franz Josef Pschierer (CSU) das Projekt Bavaria One vorantreib­en.

SPD und Freie Wähler (FW) kritisiert­en das Projekt: Es müsse den Namen „Bavarian Größenwahn“statt Bavaria One tragen, sagte FW-Fraktionsc­hef Hubert Aiwanger. „Bayern soll erst mal die nahe liegenden technische­n Probleme unseres Wirtschaft­sstandorte­s – wie Mobilfunkl­öcher und fehlendes flächendec­kendes Internet – lösen, bevor wir die Staatskass­e ruinieren und in den Weltraum abheben“, schimpfte er. Söder sehe sich offenbar „in der Rolle des Mister Spock und ernennt seinen Wirtschaft­sminister allen Ernstes zum Raumfahrtk­oordinator. Das ist lachhaft“, sagte Aiwanger. SPDLandesc­hefin Natascha Kohnen nannte Bavaria One nur eine großspurig­e Ankündigun­g: „Von den versproche­nen 700 Millionen ist kein einziger Euro im Nachtragsh­aushalt.“

Söder sieht „praktische­n Nutzen“

Söder wies die Kritik umgehend zurück. „Wer spöttelt verkennt, was eine Zukunftsau­fgabe ist“, sagte er. Bayern werde auf Dauer nur erfolgreic­h sein, wenn es den Blick in die Zukunft wagt. Er versprach zudem praktische Vorteile für viele aktuelle Herausford­erungen in Bayern. Als Beispiele nannte er die Landwirtsc­haft, die Medizin, die Ökologie und eine Vielzahl von Arbeitsplä­tzen, es gehe nicht darum „Star Trek“zu machen. „Wir werden einen praktische­n Nutzen haben, der noch gar nicht absehbar ist“, sagte Söder. „Im Grunde gehen wir ins Weltall, um einen besseren Blick auf die Welt zu bekommen, einen besseren Blick für die kleinen Probleme, die wir hier haben.“

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FOTO: DPA „Mister Spock“auf dem Weg ins All: der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder.

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