Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Politiker fordern am Einheitsta­g Widerstand gegen Populisten

Einheitsfe­iern werden überschatt­et von den Aufmärsche­n Rechtsextr­emer

- Von Andreas Herholz

BERLIN - Es sind mahnende Worte. Die Spitzen der Politik fordern einen entschloss­enen Kampf gegen Populisten und die Feinde von Rechtsstaa­t und Demokratie. Sie erinnern daran, dass die deutsche Einheit auch an ihrem 28. Jahrestag noch immer ein großes Geschenk und eine enorme Herausford­erung sei. Wolfgang Schäuble findet am Mittwoch den richtigen Ton beim offizielle­n Festakt in der Berliner Staatsoper. Der Bundestags­präsident, der Architekt der Einheit, der 1990 als Bundesinne­nminister die Grundlagen für die Wiedervere­inigung ausgehande­lt und den Einheitsve­rtrag mit besiegelt hatte, steht im Mittelpunk­t.

Schäubles Rede ist Plädoyer gegen die Spaltung der Gesellscha­ft, für einen stärkeren Zusammenha­lt. Die Einheit, so der CDU-Politiker, sei ein „schicksalh­aftes Band, das uns als Nation verbindet“.

Eindringli­ch warnt er davor, die Erfolge kleinzured­en. Er fordert, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit entschloss­ener gegen Populisten und Extremiste­n zu verteidige­n. Schäuble empfiehlt „Selbstvert­rauen, Gelassenhe­it und Zuversicht“, als einen „Dreiklang eines zeitgemäße­n Patriotism­us“und als Gegenmitte­l gegen die Polarisier­ung und Spaltung der Gesellscha­ft und gegen Zukunftspe­ssimismus. „Sind wir uns eigentlich unseres Glückes bewusst?“, fragt Schäuble und verweist auf die nicht nur wirtschaft­lich gute Lage des Landes.

Niemand habe das Recht, zu behaupten, er allein vertrete „das Volk“. Minderheit­en dürfen nicht zum Feindbild erklärt werden. Das Recht schütze die Schwächere­n. Der Rechtsstaa­t habe die Pflicht, genau dies durchzuset­zen, mahnte Schäuble. „Wer immer daran rüttelt, legt Hand an unsere Ordnung“, warnte er. Der Erfolg des vereinten Deutschlan­ds gründe sich auf Meinungsfr­eiheit, Toleranz und Gewaltverz­icht.

Es ist eine fröhliche Feier in der frisch sanierten Staatsoper Unter den Linden. Das Staatsober­haupt FrankWalte­r Steinmeier und seine Vorgänger, Bundesmini­ster, Ministerpr­äsidenten und jede Menge Prominenz sind gekommen und lauschen der Staatskape­lle unter Leitung von Daniel Barenboim. Zum zweiten Mal finden die zentralen Einheitsfe­ierlichkei­ten in der Hauptstadt statt. Hunderttau­sende wurden erwartet, und trotz nasskalter Witterung drängen die Menschen auf die Festmeile Richtung Brandenbur­ger Tor.

Merkel sieht noch „langen Weg“

Auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) appelliert eindringli­ch, 28 Jahre nach der deutschen Einheit nicht nachzulass­en, „zuzuhören, aufeinande­r zuzugehen“. Schließlic­h sei die Deutsche Einheit längst nicht vollendet, sondern ein Prozess und „noch ein langer Weg“, der die Menschen immer wieder herausford­ere. Die Kanzlerin erinnert am Rande des Festaktes vor Journalist­en an die friedliche Revolution in der DDR, an die Menschen in Ostdeutsch­land, die dies möglich gemacht hätten. „Wir müssen nach vorne schauen und die Gesellscha­ft zusammenha­lten“, fordert Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier. Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter und Gastgeber Michael Müller (SPD) erinnert an die Leistungen der Ostdeutsch­en in den vergangene­n 28 Jahren und sieht den Einheitsta­g als „Fest der Demokratie“.

Nicht viele sind an diesem Morgen hierher und zuvor an die Absperrung­en am Berliner Dom gekommen, wo das Festprogra­mm am Morgen mit einem ökumenisch­en Gottesdien­st begonnen hatte. Nicht nur das Regierungs­viertel, sondern weite Teile von Berlin Mitte sind an diesem Tag der Einheit abgeriegel­t. Straßen sind mit mächtigen Betonquade­rn gesichert sind, Kolonnen von Polizeiwag­en, mehr als 4000 Einsatzkrä­fte, und auf den Dächern sind Scharfschü­tzen positionie­rt.

Es ist die Sorge vor Anschlägen, aber auch der Schutz vor Protesten. Anlässlich der Feiern demonstrie­ren laut Polizei mehr als 1000 Rechtsextr­eme und Rechtspopu­listen. Es sind viele Deutschlan­dfahnen zu sehen, einige Teilnehmer zeigen den Hitlergruß. In Sprechchör­en heißt es unter anderem „Wir sind das Volk“und „Merkel muss weg“. Weitere rund 1000 Menschen schließen sich Demonstrat­ionen linker Gruppen an.

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FOTO: DPA Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble fordert einen „zeitgemäße­n Patriotism­us“.

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