Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Videos von Messerattacke in der Kritik
Staatsanwaltschaft Ravensburg prüft nun, ob Täter schon auffällig war
RAVENSBURG - Am vergangenen Freitag hatte ein offenbar psychisch kranker Afghane in der Ravensburger Innenstadt drei Menschen mit einem Messer schwer verletzt. Er wurde nach der Tat vorläufig in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Auch Tage nach der Messerattacke auf dem Ravensburger Marienplatz sind die Ereignisse im Internet großes Thema. Speziell ein wohl mit einem Smartphone aufgenommenes Video geistert durch Facebook-Gruppen, WhatsAppChats und Plattformen wie Youtube. Es zeigt die Szenerie unmittelbar nach der Tat, beispielsweise blutüberströmte Opfer und den mutmaßlichen Täter, den 21-jährigen Afghanen. Dem Urheber des Videos drohen vorerst aber wohl keine Konsequenzen, obwohl klar zu erkennen ist, dass der oder die Unbekannte zunächst lieber filmte, als zu helfen.
Wie das zuständige Polizeipräsidium in Konstanz auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“mitteilte, werden zunächst keine Ermittlungen aufgrund des gedrehten Videos aufgenommen. Man nutze diese im Rahmen der Ermittlungen, um beispielsweise Zeugen ausfindig zu machen. Doch wisse man weder, wer der Urheber des Videos ist, noch werde man aktiv ermitteln, heißt es weiter.
Recht am eigenen Bild verletzt
Das Video diene den Behörden auch nicht, um Personen, die sich eventuell durch unterlassene Hilfeleistung oder Gaffen hervorgetan hätten, zu sanktionieren. „Da sich mehrere Personen bereits um die Verletzten kümmerten, ist eine unterlassene Hilfeleistung durch andere Passanten, möglicherweise auch Gaffer, schwer nachzuweisen. Es sei denn, diese hätten konkret die Erste-Hilfe-Maßnahmen von Passanten oder die Arbeit der Rettungsdienste behindert“, sagte Pressesprecher Markus Sauter.
Da das Video sowohl Opfer als auch Helfer und weitere Passanten zeigt, steht der Verdacht im Raum, dass die Sequenzen einen Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz, sprich das Recht am eigenen Bild, darstellen. Hier würde die Polizei allerdings nur aktiv werden, wenn die zu sehenden Personen einen entsprechenden Antrag stellen. Dies sei bisher nicht geschehen, so Sauter.
Plattform antwortet nicht
Blutüberströmte Opfer, Schreie, Beleidigungen sowie der unverpixelt zu sehende, mutmaßliche Täter sind für Videoplattformen wie Youtube scheinbar kein Grund, das Video zu löschen. Eine Anfrage, ob die zu sehenden Ereignisse vom Marienplatz gegen die Richtlinien der Plattform verstoßen, blieb von Seiten des Unternehmens zunächst unbeantwortet.
Youtube selbst hat sich Regeln auferlegt, die die User beherzigen sollen. Beispielsweise sollten keine Videos hochgeladen werden, „die andere Nutzer – insbesondere Kinder – zu Handlungen ermutigen, die ihnen schweren Schaden zufügen könnten“. Auch hasserfüllte Inhalte sowie gewalttätige oder grausame Inhalte haben laut Richtlinien auf der Seite nichts zu suchen. Dennoch reicht noch immer eine ganz einfache Videosuche mit wenigen Schlagwörtern aus, um an das Material zu kommen.
Zeitungsbericht führt zu Ermittlungen des Staatsanwalts
Nach der Berichterstattung der „Schwäbischen Zeitung“, dass der mutmaßliche Messerangreifer vom vergangenen Freitag bereits durch aggressives Verhalten aufgefallen sein soll („Messerstecher war bereits zuvor auffällig“, SZ vom 2. Oktober), ermittelt nun die Staatsanwaltschaft in Ravensburg in diese Richtung. Man werde Zeugen befragen, teilte Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl am Dienstag mit. Wie berichtet, soll der Beschuldigte schon vor der Tat auf dem Marienplatz offenbar wiederholt eine Gefahr für sich selbst und andere gewesen sein. In die betreffenden Akten der Jahre 2016 und 2017 habe man aber aktuell keinen Einblick, hieß es bei der Polizei Konstanz. „Er ist auf jeden Fall nicht rechtskräftig verurteilt worden. Das heißt noch lange nicht, dass es keine Polizeieinsätze gab“, sagte ein Sprecher. „Die Informationen waren uns nicht bekannt“, sagte Diehl am Dienstag mit Bezug auf den Bericht in der „Schwäbischen Zeitung“. Die Zeugen hätten sich zuerst an die Zeitung gewandt.