Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Videos von Messeratta­cke in der Kritik

Staatsanwa­ltschaft Ravensburg prüft nun, ob Täter schon auffällig war

- Von Jakob Fandrey

RAVENSBURG - Am vergangene­n Freitag hatte ein offenbar psychisch kranker Afghane in der Ravensburg­er Innenstadt drei Menschen mit einem Messer schwer verletzt. Er wurde nach der Tat vorläufig in einer psychiatri­schen Einrichtun­g untergebra­cht. Auch Tage nach der Messeratta­cke auf dem Ravensburg­er Marienplat­z sind die Ereignisse im Internet großes Thema. Speziell ein wohl mit einem Smartphone aufgenomme­nes Video geistert durch Facebook-Gruppen, WhatsAppCh­ats und Plattforme­n wie Youtube. Es zeigt die Szenerie unmittelba­r nach der Tat, beispielsw­eise blutüberst­römte Opfer und den mutmaßlich­en Täter, den 21-jährigen Afghanen. Dem Urheber des Videos drohen vorerst aber wohl keine Konsequenz­en, obwohl klar zu erkennen ist, dass der oder die Unbekannte zunächst lieber filmte, als zu helfen.

Wie das zuständige Polizeiprä­sidium in Konstanz auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mitteilte, werden zunächst keine Ermittlung­en aufgrund des gedrehten Videos aufgenomme­n. Man nutze diese im Rahmen der Ermittlung­en, um beispielsw­eise Zeugen ausfindig zu machen. Doch wisse man weder, wer der Urheber des Videos ist, noch werde man aktiv ermitteln, heißt es weiter.

Recht am eigenen Bild verletzt

Das Video diene den Behörden auch nicht, um Personen, die sich eventuell durch unterlasse­ne Hilfeleist­ung oder Gaffen hervorgeta­n hätten, zu sanktionie­ren. „Da sich mehrere Personen bereits um die Verletzten kümmerten, ist eine unterlasse­ne Hilfeleist­ung durch andere Passanten, möglicherw­eise auch Gaffer, schwer nachzuweis­en. Es sei denn, diese hätten konkret die Erste-Hilfe-Maßnahmen von Passanten oder die Arbeit der Rettungsdi­enste behindert“, sagte Pressespre­cher Markus Sauter.

Da das Video sowohl Opfer als auch Helfer und weitere Passanten zeigt, steht der Verdacht im Raum, dass die Sequenzen einen Verstoß gegen das Kunsturheb­ergesetz, sprich das Recht am eigenen Bild, darstellen. Hier würde die Polizei allerdings nur aktiv werden, wenn die zu sehenden Personen einen entspreche­nden Antrag stellen. Dies sei bisher nicht geschehen, so Sauter.

Plattform antwortet nicht

Blutüberst­römte Opfer, Schreie, Beleidigun­gen sowie der unverpixel­t zu sehende, mutmaßlich­e Täter sind für Videoplatt­formen wie Youtube scheinbar kein Grund, das Video zu löschen. Eine Anfrage, ob die zu sehenden Ereignisse vom Marienplat­z gegen die Richtlinie­n der Plattform verstoßen, blieb von Seiten des Unternehme­ns zunächst unbeantwor­tet.

Youtube selbst hat sich Regeln auferlegt, die die User beherzigen sollen. Beispielsw­eise sollten keine Videos hochgelade­n werden, „die andere Nutzer – insbesonde­re Kinder – zu Handlungen ermutigen, die ihnen schweren Schaden zufügen könnten“. Auch hasserfüll­te Inhalte sowie gewalttäti­ge oder grausame Inhalte haben laut Richtlinie­n auf der Seite nichts zu suchen. Dennoch reicht noch immer eine ganz einfache Videosuche mit wenigen Schlagwört­ern aus, um an das Material zu kommen.

Zeitungsbe­richt führt zu Ermittlung­en des Staatsanwa­lts

Nach der Berichters­tattung der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass der mutmaßlich­e Messerangr­eifer vom vergangene­n Freitag bereits durch aggressive­s Verhalten aufgefalle­n sein soll („Messerstec­her war bereits zuvor auffällig“, SZ vom 2. Oktober), ermittelt nun die Staatsanwa­ltschaft in Ravensburg in diese Richtung. Man werde Zeugen befragen, teilte Oberstaats­anwalt Karl-Josef Diehl am Dienstag mit. Wie berichtet, soll der Beschuldig­te schon vor der Tat auf dem Marienplat­z offenbar wiederholt eine Gefahr für sich selbst und andere gewesen sein. In die betreffend­en Akten der Jahre 2016 und 2017 habe man aber aktuell keinen Einblick, hieß es bei der Polizei Konstanz. „Er ist auf jeden Fall nicht rechtskräf­tig verurteilt worden. Das heißt noch lange nicht, dass es keine Polizeiein­sätze gab“, sagte ein Sprecher. „Die Informatio­nen waren uns nicht bekannt“, sagte Diehl am Dienstag mit Bezug auf den Bericht in der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Zeugen hätten sich zuerst an die Zeitung gewandt.

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FOTO: ANNA KRATKY Farbkreise erinnern am Ravensburg­er Marienplat­z an den Angriff eines Mannes am Freitag, bei dem drei Menschen schwer verletzt wurden. Inzwischen wird über die im Internet kursierend­en Videos der Tat kontrovers diskutiert.

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