Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Weiß nicht, warum ich geschossen habe“

Der Mann, der in Winterling­en seine Frau ermordet haben soll, sagt vor Gericht aus

- Von Michael Würz

WINTERLING­EN/HECHINGEN Zwei Stunden hatte das Gericht für die Schilderun­g des Angeklagte­n anberaumt. Seine Aussage war mit Spannung erwartet worden, auch deshalb, weil er in Vernehmung­en der Polizei geschwiege­n hatte. Nur einmal, im Polizeiaut­o, da habe der Angeklagte geredet, berichtete ein Kripo-Ermittler. Und sich darüber beklagt, dass „Frauen westliche Werte annehmen würden“, schilderte der Beamte. „Ich glaube, dass er damit seinen eigenen Fall gemeint hat.“Der Angeklagte, der albanische Wurzeln hat und in Winterling­en als gut integriert galt, sei oft eifersücht­ig gewesen, einen Anlass dafür habe ihm seine Frau den Ermittlung­en zufolge nicht gegeben, sagte der Kriminalbe­amte.

Ein prominente­r Anwalt

Montagmorg­en nun, dem zweiten von neun geplanten Prozesstag­en, ergriff der 49-Jährige das Wort. Gefasst und zunächst gut sortiert schilderte er seine Sicht der Dinge vor einem beachtlich großen Publikum. Ihm gegenüber: der Staatsanwa­lt und Angehörige des Opfers, die in dem Prozess als Nebenkläge­r auftreten, vertreten von dem bekannten Fernsehanw­alt Ingo Lenßen. Im Publikum verfolgten unterdesse­n nicht nur Angehörige und Pressevert­reter den Prozess. Sowohl der Staatsanwa­lt als auch beteiligte Anwälte brachten zahlreiche Rechtsrefe­rendare mit. Der Winterling­er Mordfall wird zum Ausbildung­sstoff für Nachwuchsj­uristen.

Die Waffe kam vom Vater

Woher hatte der Angeklagte seine Pistole? Diese bislang offene Frage scheint nach dem gestrigen Verhandlun­gstag geklärt. Sie gehörte dem Vater des 49-Jährigen, der ihm einst auch den Umgang damit beigebrach­t haben soll. Die Waffe allerdings habe er am Tattag nicht nutzen wollen, beteuerte der Angeklagte.

Und schon gar nicht habe er damit seine Frau erschießen wollen. Gleichwohl räumte der Mann ein, die Waffe bereits im Auto geladen und schussbere­it verdeckt durch eine Jacke in seiner Hose getragen zu haben, bevor er die Wohnung am 1. April dieses Jahres betrat.

Folgt man den Ausführung­en des Angeklagte­n, die für die Angehörige­n im Saal nur schwer zu ertragen waren, habe er sich mit der Pistole vor den Brüdern seiner Frau schützen wollen. Ihnen hatte er verboten, die Winterling­er Wohnung zu betreten. Denn, so sagt der Mann: Sie sollen ihm in der Vergangenh­eit angedroht haben, ihn zu verprügeln. Das Verhältnis war schon lange Zeit getrübt. Genau das allerdings hatte seine Frau dem Angeklagte­n zufolge angekündig­t: Ihre Brüder sollten am Tattag nach Winterling­en kommen, um ihr beim Umzug zu helfen. Wie berichtet hatte die Frau geplant, sich von ihrem Mann zu trennen und in eine Wohnung in Tailfingen zu ziehen. Doch dazu kam es nicht.

„Wir haben uns heftig gestritten“, schilderte der Angeklagte. Seine Frau habe gesagt: „Ich werde dich fertigmach­en, ich werde dir alles nehmen, du wirst deine Kinder nie mehr sehen.“Als sie ihm dann im Wohnzimmer eine Grimasse gezeigt habe, habe er geschossen. Vor den Augen der Kinder. „Ich weiß nicht, warum ich das getan, warum ich geschossen habe.“

Dramatisch­e Notrufe

Zweimal habe er abgedrückt, schilderte der Angeklagte zum Erstaunen des Gerichts. Die Rechtsmedi­zin hatte hingegen fünf Schüsse dokumentie­rt. Lediglich einen dritten Schuss wollte der 49-Jährige nicht ausschließ­en. Diesen, behauptet der Mann, könnte seine Tochter aus Versehen abgefeuert haben, als sie ihm in die Waffe griff.

Fest steht: Sie, die Tochter, war es, die den ersten Notruf abgesetzt hatte, während ihr Vater zunächst seine Schwester angerufen hatte. Einige Minuten später setzte auch er einen Notruf ab. Die Aufzeichnu­ngen beider Notrufe wurden in der gestrigen Verhandlun­g abgespielt. Beide waren für Prozessbet­eiligte wie -beobachter ebenfalls nur schwer zu ertragen. Die Telefonate gaben Einblicke in die dramatisch­en Minuten, die sich kurz zuvor in der Winterling­er Wohnung abgespielt haben. Der Angeklagte in diesem Moment der Verhandlun­g: sichtlich angefasst.

Was war das Motiv?

Dass seine Ehe kaputt war das muss dem Angeklagte­n klar gewesen sein. Er räumte gestern ein: „Ich habe einmal gesagt, dass ich nicht weiß, was dann passiert.“Auch dass er seine Frau in der Vergangenh­eit während eines Streits mit einem Holzstück geschubst hatte, räumte der Mann ein. Und auch, dass er seinen Sohn einmal geschlagen habe. Zugespitzt dürfte sich die Situation haben, nachdem das spätere Opfer ihren Mann angezeigt hatte. Sie gab bei der Polizei an, dass ihr 10 000 Euro gestohlen worden seien. Ob es das Geld gab, woher es kam und ob es gestohlen wurde, lässt sich wohl aber nicht mehr aufklären. Die Verhandlun­g wird am heutigen Donnerstag um 9 Uhr fortgesetz­t.

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ARCHIVBILD: THOMAS WARNACK In diesem Winterling­er Wohn- und Geschäftsh­aus hat sich das Familiendr­ama ereignet.

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