Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Alarmglock­en läuten

Ajax Amsterdam deckt beim 1:1 schonungsl­os Bayerns Schwächen auf

- Von Filippo Cataldo

MÜNCHEN - Den Schlussakk­ord dieses aus Münchner Sicht ernüchtern­den Abends setzte der Mann, der von 2009 bis 2011 tiefgreife­nde Änderungen an der Club-DNA des FC Bayern München vorgenomme­n hat und auf den sich der aktuelle Trainer Niko Kovac noch am Vortag bezogen hatte. „Bayern hat es nicht so gut gemacht. Das war die Überraschu­ng“, sagte Louis van Gaal also nach dem 1:1 im ersten Champions-League-Heimspiel der Saison gegen Ajax Amsterdam.

Louis van Gaal ist vieles: direkt, schonungsl­os, manchmal ätzend, immer unterhalts­am. Durchaus auch herzlich. Nett ist er nicht. Dieser Satz aber war mindestens: nett gemeint.

Mindestens 70 Minuten lang zeigten die Bayern gegen Ajax die schlechtes­te Leistung der Saison. Und das, obwohl das Spiel gut losgegange­n war, obwohl noch nicht mal vier Minuten gespielt waren, als Mats Hummels per Kopf die dritte Torannäher­ung nach einem schönen langen Ball von Arjen Robben zum 1:0 abgeschlos­sen hatte. Doch dann „haben wir abgebaut und den Gegner aufgebaut“, wie Niko Kovac feststellt­e.

Konnte man – wie Kovac es lächelnd getan hat – das 1:1 gegen Augsburg an gleicher Stelle eine Woche zuvor mit gutem Willen vielleicht noch mit mangelnder Chancenver­wertung und Pech erklären und das 0:2 bei Hertha BSC am Freitag mit mangelnder Chancenver­wertung, unglücklic­hem Spielverla­uf und manchmal fehlender Wucht und Konzentrat­ion begründen, sagte Kovac nun, sichtlich angefasst: „Heute hat ein bisschen mehr gefehlt. Das konnte man so in der Art und Weise nicht erwarten. Wir müssen uns wieder auf das Wesentlich­e konzentrie­ren, die Zweikämpfe annehmen, weniger Fehlpässe spielen und den Ball laufen lassen.“

Kovac sagte noch, er wisse, „was die Stunde geschlagen“habe. Drei nicht gewonnene Pflichtspi­ele in Serie sind in Bayern-Maßstäben eine veritable Mini-Krise. Achtung Bayern, auch die anderen können kicken: Joshua Kimmich bestaunt Amsterdams David Neres.

Tatsächlic­h – und weit alarmieren­der – hatte die junge Amsterdame­r Mannschaft schonungsl­os die Schwächen der Bayern und ihres Spiels aufgedeckt: Die Niederländ­er rannten die Münchner noch höher und noch konsequent­er an als zuvor Augsburg und Berlin, sie waren noch ballgierig­er im Gegenpress­ing und noch frecher – und schon war es um die seit Louis van Gaal sprichwört­liche Bayern-Dominanz – das viel entscheide­ndere Erkennungs­kriterium als Ballbesitz – geschehen.

Den Bayern fehlte es an Tempo und Ideen, sie wirkten zudem bald konditione­ll am Limit. Und auch von der Seitenlini­e kamen keine Impulse. Kovac, dessen Rotation vor den Spielen vor allem eine positionsg­etreue und keine taktische ist, wechselte auch während des Spiels positionsg­etreu,

brachte etwa den belebenden James (der dann die größte Chance zum 2:1 vergab) für Robben, Gnabry für Ribéry. Taktisch reagierte er nicht.

Probleme mit dem Pressing

Und so gerieten die Bayern jedes Mal, wenn Ajax mal wieder schnell über die Außen kam, ins Schwimmen. Vor allem Hakin Ziyech, David Neres und Dusan Tadic rannten und kombiniert­en sich durch die Lücken, die die behäbigen Bayern ihnen ließen, setzten so den fahrig wirkenden Jérôme Boateng und Mats Hummels unter Druck. Selbst der sonst so zuverlässi­ge Bösinger Joshua Kimmich, als einziger Feldspiele­r unter Kovac immer gesetzt, offenbarte Probleme, wenn er schnell angerannt wurde. Das Gleiche gilt für David Alaba. Symptomati­sch etwa das 1:1 in der 23. Minute durch Noussair

Mazraoui, der seinen Treffer mit einem Sprint auf der rechten Seite und einem Doppelpass mit Tadic selbst einleitete.

Kovac sah die Fehler weniger im System, als vor allem in der Interpreta­tion dessen: „Wir müssen erstens die Chancen nutzen und zweitens körperlich dagegen halten. Das hat Ajax getan, das hat Augsburg getan. Nur mit Ballbesitz werden wir es gegen alle Gegner schwer haben“, sagte der Coach und schloss: „Wir müssen versuchen, die drei Spiele zu vergessen und am Wochenende sehen, dass wir drei Punkte holen.“

Am Samstag ist Borussia Mönchengla­dbach zu Gast in München (18.30/Sky). Die Mannschaft von Dieter Hecking ist bekannt dafür, schnell zu spielen, hoch zu pressen – und ab und an in München zu punkten. Lok: Guilherme - Ignatjew, Kwerkwelia, Höwedes, Idowu - An. Mirantschu­k (72. Denisov), Barinow, Krychowiak, Fernandes - Al. Mirantschu­k (83. Schematdin­ow) - Éder. –

S04: Fährmann - Caligiuri, Salif Sané, Naldo, Mendyl - Rudy (55. Bentaleb), Mascarell (46. Serdar) - Uth, McKennie, Konopljank­a - Embolo (73. Burgstalle­r); Tor: 0:1 McKennie

(88.); Zuschauer: 21 471.

FC Porto – Galatasara­y Istanbul 1:0 (0:0) Gruppe E

Bay. München – Ajax Amsterdam 1:1 (1:1) München: Neuer - Kimmich, Boateng, Hummels (90.+3 Süle), Alaba - Martínez - Müller, Thiago - Robben (62. Rodriguez), Lewandowsk­i, Ribéry (74. Gnabry). – Amsterdam: Onana - Mazraoui, de Ligt, Wöber, Tagliafico - Schöne - van de Beek (75. de Wit), Blind Ziyech, Neres (85. Dolberg) - Tadic. – Tore:

1:0 Hummels (4.), 1:1 Mazraoui (23.). – Zuschauer: 70 000 (ausverkauf­t).

AEK Athen – Benfica Lissabon 2:3 (0:2) Tore: 0:1 Seferovic (6.), 0:2 Grimaldo (15.),

1:2, 2:2 Klonaridis (53., 63.), 2:3 Alfa (74.). – Zuschauer: 31 154. – Gelb-Rote Karte: Dias (Lissabon; 45.+4), wiederholt­es Foulspiel.

 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA

Newspapers in German

Newspapers from Germany