Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die geteilte Doppelstad­t ringt um die Einheit

Villingen-Schwenning­ens OB Kubon hört nach 16 Jahren auf und will Diakon werden – Am Sonntag wird sein Nachfolger gewählt

- Von Lothar Häring

VILLINGEN-SCHWENNING­EN - Seit nunmehr 48 Jahren sind Villingen und Schwenning­en vereint, doch eine Einheit sind sie noch immer nicht. Das wird eine der größten Herausford­erungen für den vierten Oberbürger­meister in der 85 000-Einwohner-Stadt, der am Sonntag gewählt wird. Oder am 21., falls keiner der Kandidaten am Sonntag 50 Prozent der Stimmen auf sich vereint.

Rupert Kubon, der die Stadt seit

16 Jahren regiert, erinnert sich noch gut an die Anfänge. Wie er damals mit Ministern aus Stuttgart über Wiesen und Äcker in der Brache zwischen den beiden Städten gelaufen ist. Heute stehen dort ein Klinikum für 280 Millionen Euro und drumherum zahlreiche weitere Einrichtun­gen, unter anderem ein Hotel.

Baulich sind sich Villingen und Schwenning­en nähergekom­men, menschlich ist es schwierige­r. Das liegt daran, dass viele alte Strukturen weiter bestehen. Villingen gehört nach wie vor zum badischen Sportverba­nd und zur Diözese Freiburg, Schwenning­en zum württember­gischen Sportverba­nd und zur Diözese Rottenburg. Unveränder­t geblieben sind auch die unterschie­dlichen Telefonvor­wahlen – ein Symbol für die geteilte Doppelstad­t: Hier das stolze, traditions­reiche, katholisch­e, badische Villingen, dort die von Industrie geprägte, evangelisc­he Arbeiterst­adt, früher als „größtes Dorf Württember­gs“tituliert und bis 1972 zum Kreis Rottweil gehörend. Das alte Denken lebt bis heute fort, und wer in den vergangene­n 16 Jahren wissen wollte, wo die größten Spaltpilze sitzen, der musste nur mal eine Sitzung des Gemeindera­ts verfolgen, wo vor allem Alt-Villingen immer wieder das Kirchtumsd­enken kultiviert­e.

Mittendrin, wie ein Ringrichte­r, Oberbürger­meister Rupert Kubon (SPD). Er versuchte die Unterschie­de ins Positive zu wenden und kreierte den Begriff „Baden-Württember­g-Stadt“. Seine Amtszeit war geprägt von einem steten Auf und Ab. Es war ein täglicher Kampf gegen die speziellen Umstände. Trotzdem ist ihm vieles gelungen, vor allem, zusammen mit dem Landkreis, das Klinikum. Kubon schaffte es auch, die Landesgart­enschau 2010 per Bürgerents­cheid durchzuset­zen, von der – unter Protesten aus Villingen – vor allem Schwenning­en profitiert­e, wo schon drei Hochschule­n angesiedel­t sind. Die Pläne, zwischen den beiden Städten ein neues Rathaus zu bauen, scheiterte­n allerdings 2011, ebenfalls durch Bürgerents­cheid.

Seit Jahren läuft ein neuer Versuch, wenigstens die Stadtverwa­ltung zusammenzu­führen. In der früheren französisc­hen Kaserne soll ein neues Verwaltung­szentrum für 350 Mitarbeite­r und 43 Millionen Euro plus einem repräsenta­tiven Ratssaal entstehen und dem „Wanderzirk­us“, wie es heißt, von einer Stadt in die andere ein Ende bereiten. Dieses Mal kommt heftiger Widerstand aus Schwenning­en, das sich abgehängt fühlen würde, weil das „Zentrum“am anderen Ende von Villingen läge.

Rupert Kubon, 61 Jahre alt, ist mit sich im Reinen, wenn seine Amtszeit im Dezember endet: Schon vor zwei Jahren hat er per Fernstudiu­m eine Ausbildung zum katholisch­en Diakon begonnen. Der zweite Kurs dauert weitere zwei Jahre. „Mein Wunsch ist, in den Bereich der Krankenhau­sund Sterbeseel­sorge zu gehen. Ich glaube, das kann ich“, sagt er. Bereits im Januar will er Integratio­nskurse für Flüchtling­e geben. Auf die Frage, was er als OB im Nachhinein anders machen würde, antwortet er: „Ich glaube, dass ich mir manchmal selbst im Weg gestanden bin und zu offenherzi­g war.“

Um seine Nachfolge bewerben sich sieben Kandidaten. Als Favoriten gelten sein persönlich­er Referent Jörg Röber, den SPD und Grüne unterstütz­en, und der Tuninger Bürgermeis­ter Jürgen Roth (gebürtiger Villinger), der die CDU hinter sich weiß. Schon jetzt steht allerdings die Gültigkeit der Wahl infrage. Bei der offizielle­n Kandidaten­vorstellun­g unterlief Kubon und Bürgermeis­ter Detlev Bührer ein Patzer. Nach der kurzfristi­gen Absage des Kandidaten Cem Yazici flüsterte Bührer, im irrigen Glauben, das Mikrofon sei ausgeschal­tet, zu Kubon: „Zum Glück müssen wir den nicht auch noch anhören.“Der OB antwortete: „Der ist ja auch nicht gut.“Das habe sich auf die Zeit bezogen, erklärten die beiden Versammlun­gsleiter. Doch in der Doppelstad­t droht neuer Ärger: Dauerkandi­datin Fridi Miller (Sindelfing­en) hat angekündig­t, die Wahl anzufechte­n – wie schon elfmal vorher.

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FOTO: EICH Mit sich im Reinen: Villingen-Schwenning­ens OB Rupert Kubon.

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