Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Versöhnlic­he Töne in Israel

Kanzlerin Merkel und Ministerpr­äsident Netanjahu zeigen Verständni­s und Verbundenh­eit

- Von Sara Lemel und Ruppert Mayr

JERUSALEM (dpa) - Das Verhältnis zwischen Bundeskanz­lerin Angela Merkel und dem israelisch­en Ministerpr­äsidenten Benjamin Netanjahu gilt als gespannt. Doch bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz in Jerusalem schlagen beide am Donnerstag neue Töne an. Die Stimmung wirkt zeitweise fast gelöst.

Merkel habe echtes Engagement für die Stabilität in Nahost gezeigt und er schätze das sehr, lobt Netanjahu. „Deutschlan­d und Israel haben die Grauen der Vergangenh­eit überwunden.“Ihr Beispiel könne „allen Menschen auf der Welt Hoffnung machen“. Die Differenze­n – vor allem in den Fragen des Iran-Abkommens und der Zukunft der Palästinen­ser – bleiben bei den siebten gemeinsame­n Regierungs­konsultati­onen zwar bestehen. Doch etwas ist dieses Mal anders.

Anstatt etwa darauf zu beharren, dass an dem Atomabkomm­en mit Iran um jeden Preis festgehalt­en werde müsse, betont Merkel Verständni­s für die Situation Israels. Natürlich habe sich die Bedrohungs­lage durch die iranischen Truppen im syrischen Bürgerkrie­g, die quasi auf der anderen Seite der Golanhöhen stehen, massiv erhöht, sagt die Kanzlerin.

Israel verlangt neue Sanktionen

Die israelisch­e Seite lässt keinen Zweifel daran, was sie von ihren Partnern erwartet. „Das iranische Monster muss ausgehunge­rt, nicht gefüttert werden“, hält Präsident Reuven Rivlin Merkel bei einem gemeinsame­n Essen entgegen – und verlangt von Europa neue Sanktionen gegen Teheran. Deutschlan­d sehe, unter welchem Druck Israel stehe, versichert die Kanzlerin. Und ob vor Studenten, beim Treffen mit Netanjahu oder bei Tisch mit Rivlin – Merkel wird an diesem Tag nicht müde zu betonen, „dass alles unternomme­n werden muss, um die nukleare Bewaffnung (Irans) zu verhindern“. Und sie hebt wiederholt hervor, sie stimme in diesem Punkt mit Netanjahu „absolut überein“.

Der Dissens aber, auf welchem Wege eine nukleare Bewaffnung Irans verhindert werden kann, bleibt: das Atomabkomm­en auflösen und neu und härter verhandeln – oder am Abkommen festhalten, um zumindest vorübergeh­end eine Verschnauf­pause zu haben. Dabei räumt die Kanzlerin ein, auch nicht zu wissen, wie sich Teheran nach Auslaufen des Abkommens verhalten wird.

Hat sich die deutsche Position geändert? Wohl nicht. Die Kanzlerin zeigt sich in solchen Fällen pragmatisc­h. Nur miteinande­r reden bringt eine Sache weiter. Nach dem Motto: Wenn man nicht mehr miteinande­r redet, weil einem an der Politik des anderen etwas nicht gefällt, wird der Kreis der Gesprächsp­artner schnell kleiner. Und so versuchen Merkel und Netanjahu nach der langen Zeit der Spannungen, sei es wegen des Atomabkomm­ens, sei es wegen der israelisch­en Siedlungsp­olitik, die eine Zweistaate­nlösung Israels und der Palästinen­ser verhindert, im zehnten

Jahr der gemeinsame­n Konsultati­onen konstrukti­v nach vorne zu schauen.

Man könne „voneinande­r lernen“

Dazu gehört die Vereinbaru­ng einer engeren Zusammenar­beit in Wirtschaft und Wissenscha­ft. Merkel schwärmt geradezu, dass sich in Israel – trotz dieser Bedrohungs­lage – eine „lebendige und dynamische“Start-Up-Gemeinde entwickelt habe. Man könne hier mehr „voneinande­r lernen“. Und Deutschlan­d müsse sich anstrengen, sich gegen die Angebote aus Amerika oder China zu behaupten. Netanjahu schwärmt vom Beginn einer neuen Phase in den deutsch-israelisch­en Beziehunge­n.

Diese Beziehunge­n werden immer besonders bleiben. Das unterstrei­cht Merkel an diesem Donnerstag in Jerusalem wiederholt. Und das liegt an der immerwähre­nden deutschen Verantwort­ung für den Holocaust. Der wieder stärker werdende Antisemiti­smus in Deutschlan­d bereitet in Israel in der Tat Sorgen. Das ist auch dann nicht wegzudisku­tieren, wenn Netanjahu Merkel wegen ihres Engagement gegen diese Tendenzen lobt und zur Ernennung von Felix Klein zum Antisemiti­smusbeauft­ragten gratuliert. Ein gemeinsame­s Jugendwerk soll jetzt dafür sorgen, dass die Vergangenh­eit nicht vergessen wird.

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FOTO: DPA Ein herzlicher Händedruck – Zeichen der gelösten Stimmung bei den deutsch-israelisch­en Regierungs­konsultati­onen: Kanzlerin Angela Merkelund der israelisch­e Regierungs­chef Benjamin Netanjahu.

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