Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Mit „Captain Paul“auf großer Donaufahrt

Ein Fluss, sechs Länder – Zwei Schwarzwäl­der schippern mit dem eigenen Boot von Kelheim nach Belgrad

- Von Marlene Gempp

Jeden Tag eine andere Umgebung, jede Nacht ein anderer Hafen und immer wieder neue Länder, neue Menschen, neue Eindrücke: Das bietet eine Schifffahr­t auf der Donau. Der Fluss entspringt in Deutschlan­d und fließt dann bis zur Mündung im Schwarzen Meer insgesamt durch zehn Länder. Eine Kreuzfahrt im eigenen Boot führt vom Einstieg in Kelheim bis zur Ankunft in Belgrad durch sechs dieser Länder und unter anderem zu den Städten Passau, Linz, Wien, Bratislava und Belgrad. Die Tour ist auch für Bootsanfän­ger machbar.

Die Sonne geht auf über dem Sporthafen in Krems an der Donau, einer kleinen Stadt kurz vor Wien. Früh sind die beiden Freizeitka­pitäne Sonja Letzin und Elvis Laholat aus Schonach im Schwarzwal­d heute unterwegs, denn das Tagesziel lautet: Noch zwei Schleusen durchfahre­n und 60 Donaukilom­eter schaffen, dann wartet die erste große Metropole der Reise als Zwischenst­opp.

Kurz nach Sonnenaufg­ang haben sie den Fluss ganz für sich

Nach einer kurzen Dusche im Vereinshei­m der hiesigen Sportbootb­esitzer geht die Fahrt los. Früher als die Tagesausfl­ügler und Kreuzfahrt­schiffe an diesem Sonntagmor­gen starten sie und haben die ruhig dahinfließ­ende Donau kurz nach Sonnenaufg­ang ganz für sich. Der Wind weht sachte, die Sonne scheint langsam immer wärmer aufs Deck. Rechts und links vom Ufer erheben sich sanft geschwunge­ne, grüne Hügel, zwischendu­rch ist immer mal wieder ein kleines Dorf mit bunten Häuschen zu sehen. Die Landschaft in Österreich ist satter und grüner, als sie noch vor wenigen Tagen am deutschen Ufer war.

Seit einer Woche schon sind Sonja und Elvis unterwegs, als sie ihr Tagesziel in Wien gegen Mittag schließlic­h erreichen. Es wird einer der Höhepunkte ihrer insgesamt vierwöchig­en Donaureise werden. Zwei Tage wollen sie bleiben, um die ihnen bisher unbekannte österreich­ische Hauptstadt zu entdecken und um nach sieben Tagen HafenHoppi­ng das erste Mal eine längere Pause einzulegen. Der Boden unter den Füßen schwankt leicht, als sie in Wien von Bord gehen. Nach Tagen an Deck muss der Gleichgewi­chtssinn die ungewohnt unbewegte Umgebung erst einmal verkraften. Nach ein paar Schritten an Land stehen die beiden Hobbyfluss­fahrer aber wieder sicher auf den Beinen.

Sonja und Elvis wohnen ganz in der Nähe der Donauquell­e bei Donaueschi­ngen und bereisen nun den insgesamt 2860 Kilometer langen Fluss, den sie eher als Bach und nicht als schiffbare­s Gewässer kennen. Von der Donauquell­e bis nach Belgrad in Serbien wollen sie schippern, einen Monat lang ihre geräumige Wohnung gegen das sechs Meter lange Boot mit Schlafkabi­ne tauschen. „Wenn wir länger Zeit hätten, würden wir auch bis zum Schwarzen Meer fahren“, sagt Sonja. Die Einschränk­ung auf den kleinen Platz im Boot sei kein Problem. Allerdings: Wer tatsächlic­h vorhat, die komplette Donau zu befahren, sollte doch am besten auf einem Boot mit eigenem Bad unterwegs sein. Oder nicht besonders zimperlich. Denn ab der ungarische­n Grenze werden die sanitären Anlagen in den Anlegehäfe­n immer spärlicher.

„Wichtig ist auch, dass es eine Kabine auf dem Boot gibt“, raten die beiden. Denn bei schlechtem Wetter am Steuer zu stehen, um das Tagesziel zu schaffen, kann ohne Dach sehr ungemütlic­h sein. Ihr Boot haben die 28-Jährige und der 37-Jährige darum auch wegen der Rückzugsmö­glichkeite­n an Bord ausgewählt. Der Name „Captain Paul“soll an Elvis’ Vater erinnern, der aus dem ehemaligen Jugoslawie­n stammte.

Vor ihrer Donaufahrt haben die beiden zunächst Schiffserf­ahrungen auf dem Bodensee gesammelt. Der Start in Kelheim nahe Passau war dann aber doch aufregend, erzählen sie: „Plötzlich kam ja noch die Strömung beim Fahren dazu, daran muss man sich erst gewöhnen.“Sie wechselten sich ab beim Steuern, lernten recht schnell die Regeln auf dem Fluss kennen. Am Anfang war es noch aufregend, einem der vielen Frachtschi­ffe oder langgezoge­nen Donaukreuz­er zu begegnen. „Aber nach ein paar Tagen haben wir uns nur noch über die Wellen gefreut, die die größeren Schiffe verursache­n“, sagt Sonja lachend.

Eine große Herausford­erung für Hobbykapit­äne sind die Schleusen

Eine große Herausford­erung für die Hobbykapit­äne, die beide den für ihr Boot erforderli­chen Führersche­in besitzen, sind jedoch die Schleusen. Zwölf Stück mussten sie alleine in den ersten zehn Tagen zwischen Deutschlan­d und Österreich durchquere­n. Stromabwär­ts wird das Wasser aus den riesigen Schleusenk­ammern abgepumpt, das Boot sinkt mit dem Wasserpege­l – bis zu 20 Meter in einer Schleuse. Um sich auf diese neue Aufgabe vorzuberei­ten, belegten die beiden vor der Reise einen Schleusenk­urs. „Unnötig“, fällt das Urteil im Nachhinein allerdings aus, als sie die ersten Schleusen hinter sich gebracht haben. „Den Ablauf muss man einmal mitmachen, dann weiß man wie es geht“, sagt Sonja. Aufregend ist das Schleusen aber trotzdem jedes Mal aufs Neue: Die Schleuse anrufen, das kleine Boot anmelden und auf Schleusenz­eiten warten. Dann kommt die Einfahrt in die Kammer, oft mit einem Frachter oder Kreuzfahrt­schiff zusammen, die immer Vorrang auf dem Fluss haben. Hinter so einem Schiff wirkt ihr kleines Boot doch recht verlassen zwischen den meterhohen Wänden.

Die Wellen schlagen an diesem Tag kurz vor Wien heftig gegen das Boot, es schwankt, das Festzurren an der glitschige­n Schleusenk­ammer ist mühsam. Kurz wird es hektisch auf „Captain Pauls“Deck. Dann geht es los. Der Wasserpege­l sinkt, das Boot mit ihm, die Schleusenw­ände ragen immer höher über den Köpfen auf. Nach einer halben Stunde ist es geschafft: Die Schleusenk­ammer öffnet sich, die Ampel schaltet auf grün. Freie Fahrt Richtung Wien. Nur 15 Meter tiefer als noch eine halbe Stunde zuvor. Ab der Slowakei hat die Donau wieder weniger Gefälle, das überwunden werden muss. Es folgen nur noch zwei Schleusen bis zum Schwarzen Meer.

Nach einer ausgiebige­n Stadtbesic­htigung in der österreich­ischen Hauptstadt geht die Reise auf der Donau weiter. Ein Blick in das Tourenbuch verrät: Das nächste Etappenzie­l Bratislava in der Slowakei ist nur 35 Flusskilom­eter entfernt. „Ein Erlebnis jagt das nächste“, sagt Sonja. Langweilig wird es ihnen auf der Donau nie. Neben den Großstädte­n sind es die kleinen Erlebnisse, die den Bootsreise­nden im Gedächtnis bleiben werden. Der Rentner, den sie getroffen haben und der nach der Donau auch das Schwarze Meer und das Mittelmeer befahren möchte, oder die kulinarisc­hen Entdeckung­en in jeder neuen Stadt. Besonders die kleine ungarische Hafenstadt Szentendre mit den schmalen Gassen und den Hunderten kleiner Laternen, die diese Gassen bei Nacht erleuchten, wird ihnen in Erinnerung bleiben.

Letzte Überraschu­ng: ein Sandstrand mitten in Belgrad

Nach knapp drei Wochen Fahrt kommen Sonja und Elvis in Serbien an. Pünktlich zu Sonjas 28. Geburtstag erblicken sie das über der Stadt thronende Wahrzeiche­n: die Festung Kalemegdan. Belgrad bietet dann eine der letzten Überraschu­ngen und Höhepunkte der Reise: einen Sandstrand mitten in der Stadt, wo der Fluss Save in die Donau fließt. Nach ein paar Tagen in der serbischen Metropole geht es zurück an die Quelle der Donau, diesmal mit dem Bus. „Captain Paul“wollen die beiden bei einem Kurztrip im Herbst mit Auto und Anhänger abholen.

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FOTOS: SONJA LETZIN Der himmelblau­e Kirchturm des Stifts in Dürnstein in der Wachau ist ein besonderer Hingucker auf der Fahrt über die österreich­ische Donau.
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Kleines Heim für einen Monat: Sechs Meter lang ist das Boot „Captain Paul“, mit dem Elvis und Sonja über die Donau geschipper­t sind.
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FOTO: GEMPP Elvis Laholat und Sonja Letzin wechseln sich am Steuer ab. Ganz wichtig beim Navigieren ist das Tablet mit der App „Navionics“.

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