Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Meine Mama, sie ist tot!“
Winterlinger Mord-Prozess geht mit Zeugenbefragung weiter
WINTERLINGEN - Nach der Anklageverlesung und der Vernehmung des Beschuldigten, eines 49 Jahre alten im Kosovo geborenen Mannes, der seit vielen Jahren mit seiner Familie in Winterlingen lebt und auch im Ort integriert ist, standen nun am dritten Verhandlungstag die ersten Zeugenaussagen an. Vornehmlich der Polizisten, die nicht nur als ermittelnde Beamte, sondern auch als Zeugen nach der Tat vor dem Hechinger Landgericht bis ins kleinste Detail Auskunft geben mussten. Wie ein roter Faden zogen sich dabei zwei grundlegende Fragen durch den Befragungsmarathon: Wie oft wurde tatsächlich und wohin geschossen? War Alkohol im Spiel?
Zunächst trat die zwei Jahre ältere Schwester des Beschuldigten in den Zeugenstand. Berührt und trotzdem gefasst, schilderte die Frau den tragischen Ostersonntag, an dem ihr Bruder zum Mittagessen war, gegen 15 Uhr ging und dann kurz nach 19 Uhr völlig außer sich bei ihr anrief und forderte: „Komm schnell!“Was passiert war, sagte er am Telefon nicht, dass es aber etwas Schlimmes war, spürte die Frau, zumal sie die Tochter des Angeklagten über den Hörer schreien hörte: „Meine Mama, sie ist tot!“Ihren Bruder charakterisierte die Zeugin als ruhig, geduldig und als innigen Familienmenschen. Ehekrach oder Trennungsabsichten seien ihr nicht bekannt gewesen. Auch der Neffe formulierte seine Aussage dahingehend. Beide gaben an, dass der Bruder beziehungsweise Onkel alkoholisiert gewesen sei.
Polizeihauptkommissar gibt den Ablauf minutengenau wieder
Gerade dies bestätigten die weiteren Zeugen (bis auf einen) vor Gericht nicht. Der Polizeihauptkommissar, der den Ersteinsatz leitete und mit einem Kollegen den Angeklagten festnahm, gab minutengenau den Ablauf am Abend des 1. April wieder:
19.06 Uhr Alarmierung (durch den Beschuldigen selbst), 19.21 Uhr Polizei und DRK vor Ort, ab 19.25 Reanimierung der 41-jährigen Frau, um
19.44 Uhr Ende der Reanimierung und Feststellung des Todes.
Bekleidet mit Schutzwesten und Spezialhelm sowie gezückten Waffen nahmen die Polizisten den Ehemann der Getöteten, der bereits vor dem Haus stand, fest. Er leistete keinerlei Widerstand. Und habe sogar noch darauf hingewiesen, dass die Pistole – eine Beretta 7,65, im Jahre
1961 produziert und nach Jugoslawien verkauft – in seinem Hosenbund stecke. Der zweite Beamte nahm ihm diese, in der noch eine Kugel im Lauf war, ab und sicherte sie. Wie er das tat, musste der Polizeihauptmeister im Gerichtssaal auf Wunsch des Gerichts unter Vorsitz Breuckers bis ins Kleinste vorführen. Mit der Original-Tatwaffe, die dafür aus der Asservaten-Schachtel genommen wurde.
Aufschlussreich waren die Schilderungen geladener Kripobeamten zur kriminaltechnischen Untersuchung. Im Wohnzimmer, wo die Tat passierte, fanden sie sechs Patronenhülsen und sechs Projektile. Fünf davon muss der Täter auf die Frau abgefeuert haben. Das offenbarte die Obduktion zweifelsfrei. Drei Schüsse – einen in den Bauch, zwei in die Brust – waren sogar aufgesetzt. Ein sechster Schuss könnte sich, wie vom Beschuldigten ausgesagt, im Gerangel mit seiner Tochter, die sich dabei verletzte, gelöst haben.
Vergeblich wartete man gestern auf die Notärztin, die noch versuchte, die 41-Jährige wiederzubeleben. Offenbar erreichte die Französin, die nur zeitweise in Deutschland lebt, die gerichtliche Ladung nicht. Ihre Aussage wird nachgeholt. Weiter geht es nun am 23. Oktober, wieder um 9 Uhr.