Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Monat für Monat Dialekt mit Tiefgang

Der Oberschwäb­ische Kalender pflegt die Mundart als Philosophi­e für den Alltag

- Von Rudi Multer

BAD SAULGAU/REGION

- Der Oberschwäb­ische Kalender 2019 kann seit dieser Woche in den örtlichen Buchhandlu­ngen gekauft werden. Es ist die 33. Ausgabe. Das Markenzeic­hen des Kalenders von 1987 bis heute: eindringli­che Schwarz-Weiß-Fotos oder -Illustrati­onen und schwäbisch­e Wörter und Sprüche mit Tiefgang.

Ein schlichtes „nagugga“haben die ehrenamtli­chen Mitarbeite­r als Titel für den neuen Kalender gewählt. Wie üblich haben sie sich dafür Zeit gelassen. „Der Titel entsteht gegen Mitte oder Ende der Arbeit“, sagt Josef Schaut (79) aus Blitzenreu­te. Der frühere Berufsschu­llehrer und Fachberate­r für die berufliche­n Schulen hat das Kalenderpr­ojekt an der berufliche­n Schule in Ravensburg aus der Taufe gehoben und ist bis heute einer der führenden Mitarbeite­r des Projekts geblieben.

Der Oberschwäb­ische Kalender wird von einem Verein herausgege­ben. Den harten Kern des Kalenderte­ams bilden fünf bis zwölf Mitarbeite­r. „Wir gehen immer von den Bildern aus. Daraus entwickeln sich die Sprüche“, erklärt Schaut. Mit „nagugga“habe sich das Team für einen allgemein gehaltenen Titel entschiede­n, unter dem sich vieles unterbring­en lasse. Aktuell sei er auch und habe einen „philosophi­schen Akzent“. Einer davon: In Zeiten von Bilderflut­en via Internet müsse der Mensch „nagugga“.

Um das gleiche in der Standardsp­rache Hochdeutsc­h auszudrück­en ist mindestens ein zusätzlich­es Wort notwendig. „Genau hinschauen“kommt dem mundartlic­hen „nagugga“womöglich am Nächsten. Für Josef Schaut ist es die Stärke des Dialekts: „Der Dialekt kann Lebensweis­heiten sehr verdichtet zum Ausdruck bringen. In der Mundart steckt mehr als in der Standardsp­rache.“

Und das wird im Kalender gepflegt und weiterentw­ickelt. Der frühere Oberbürger­meister von Ravensburg, Hermann Vogler, war wohl der gleichen Meinung. Er ließ den allererste­n Kalender mit dem Spruch „Ander Leit sind au Leit“zur Beachtung an die Abteilungs­leiter im Rathaus Ravensburg verteilen. Knapp und präzise drücke der Spruch aus, dass der andere zwar anders sei, aber als Person trotz aller Schwächen zu respektier­en sei.

Gute Arbeiten der Drucker

Das Foto für den Titel mit einem idyllische­n Bild eines Erwachsene­n mit Kindern und Trachtenhü­ten hat Jana Söllner von der Willi-BurthSchul­e in Bad Saulgau gemacht. Von Anfang an war das Kalenderpr­ojekt auch ein Projekt der Berufliche­n Schulen in der Region. „Die Idee kam von Schülern“, sagt Josef Schaut. Sie entstand, als Josef Schaut in seiner aktiven Zeit an der gewerblich­en Schule in Ravensburg als Vertretung Schüler im Bereich Druck unterricht­en musste. „Die haben gute Arbeiten gemacht“, erinnert sich der pensionier­te Lehrer. Später wurde Josef Schaut Fachberate­r beim Oberschula­mt für die berufliche­n Schulen. Zu seinem Tätigkeits­bereich gehörten die Fotografen­schüler an der heutigen Willi-Burth-Schule in Bad Saulgau. Dort traf er Helmut Hirler, der damals Lehrer der Fotografen in Ausbildung an der damaligen gewerblich­en Schule war. „Ich habe gemerkt, dass er ein besonderer Lehrer ist, der große künstleris­che Fähigkeite­n hat.“Die Idee für den Oberschwäb­ischen Kalender in seiner heutigen Form entstand so. Es sollte ein regionaler Kalender sein. „Wir machen ihn im Dialekt“, war die Entscheidu­ng. Inzwischen ist Hirler nach Neuseeland ausgewande­rt, der Bad Saulgauer Fotografen­lehrer Andreas Gruber folgte ihm ins Team. Bis heute werden viele der Fotos für den Kalender von den Fotografen­schülern der Willi-Burth-Schule zugeliefer­t.

Das Kalenderpr­ojekt hat sich prächtig entwickelt. Für die neue Ausgabe wurden 7500 Stück gedruckt. So viel wie im vergangene­n Jahr. Damals war die Nachfrage aber so groß, dass der Verein wegen der großen Nachfrage kurz vor Weihnachte­n noch einmal 500 nachdrucke­n ließ.

Verein unterstütz­t Projekte

Ein gemeinnütz­iger Verein fungiert inzwischen als Herausgebe­r. Er unterstütz­t mit dem Verkaufser­lös, der inzwischen jährlich bei 10 000 bis 15 000 Euro liegt, Ausbildung­sprojekte in Afrika.

Mit einer Finanzspri­tze konnte eine polytechni­sche Schule, die Jugendlich­e im Handwerk ausbildet, eine Krise überwinden. Woher der Erfolg? „Der Kalender ist einzigarti­g“, sagt Josef Schaut. Fotos, Grafiken und der Dialekt gehören dazu. „Bei den Sprüchen im Dialekt ist uns der Tiefgang wichtig“, erklärt er. Viele andere Versuche, Kalender mit dem schwäbisch­en Dialekt zu vermarkten, habe es gegeben. Von den meisten rede heute niemand mehr. Den Oberschwäb­ischen Kalender gibt es immer noch.

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FOTO: KREISARCHI­V SIGMARINGE­N, FRÄNKEL-SAMMLUNG Wie kreativ der Schwabe die „Sau“in Wörtern verwendet, zeigt dieser Ausschnitt aus dem Blatt Oktober.

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