Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Trübere Aussichten auch wegen Trump
Handelskrieg und Schulden belasten die Weltwirtschaft – Deutsche Exporteure in Sorge
NUSA DUA/BERLIN - Der Weltwirtschaft drohen wegen des von USPräsident Donald Trump angezettelten Handelskriegs trübere Zeiten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat in seinem neuen Weltwirtschaftsbericht die Wachstumsprognose klar nach unten korrigiert, auch für Deutschland. Schuld seien neben regionalen Sondereinflüssen der Handelsstreit und rekordverdächtig hohe Schulden. „Die Wahrscheinlichkeit weiterer negativer Schocks für unsere Wachstumsvorhersage ist gestiegen“, sagte der IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld am Dienstag im indonesischen Nusa Dua.
Der IWF nahm die Wachstumsprognose für Deutschland um 0,6 Punkte auf 1,9 Prozent für 2018 zurück, auch 2019 soll es nicht steiler bergauf gehen. Besonders sorgt sich der Fonds um die attackierte Autoindustrie. Das globale Wachstum gehe mit 3,7 Prozent zwar 2018 und 2019 auf hohem Niveau weiter, nehme aber nicht so stark wie erwartet zu.
Da die deutsche Wirtschaft von Exporten abhängt, wächst hierzulande die Sorge. „Wir blicken mit Vorsicht in Richtung Jahresende“, erklärte Holger Bingmann, der Chef des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), am Dienstag. Es sei „zu früh, Alarm zu schlagen, doch die Anzeichen mehren sich, dass die Unternehmen sich auf ein schwächeres Exportwachstum einstellen müssen“. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), warnte vor Pessimismus. Er sagte zur „Schwäbischen Zeitung“: „Wir laufen deswegen nicht gleich in eine Rezession hinein.“
So lieferten im August 2018 heimische Firmen Waren im Wert von 105,2 Milliarden Euro ins Ausland. Das waren laut Statistischem Bundesamt 2,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Von Januar bis einschließlich August stiegen die Ausfuhren um 4,2 Prozent auf 879 Milliarden Euro. Auf kurze Sicht mussten die Unternehmen jedoch Rückschläge hinnehmen. Von Juli auf August verringerten sich die Ausfuhren um 0,1 Prozent. Dies ist der zweite Rückgang in Folge. Von Juni auf Juli waren die Exporte um 0,8 Prozent gesunken.
BERLIN - Wenn Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) an diesem Mittwoch nach Bali fliegt, erwarten ihn auf der Urlaubsinsel in Indonesien hochsommerliche Temperaturen und herrliche Strände ganz nah beim Hotel. Tatsächlich wird er sich aber mehr mit Nieselregen und drohenden Gewittern beschäftigen müssen. Denn vor solch trübem Wetter in der Weltwirtschaft warnte Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), noch vor der Jahrestagung ihrer Organisation und dem G20-Treffen, zu dem Scholz nach Asien anreist. Diese unfreundlichen Aussichten treffen das sonnenverwöhnte Deutschland besonders. Nach sieben oder acht Jahren Daueraufschwung gerät leicht in Vergessenheit, dass es mit der Konjunktur auch abwärts gehen kann.
Nun aber könnten sich die Zeiten ändern. Während Scholz im fernen Asien über Zölle, Risiken in den Schwellenländern und neue Gefahren für die Euro-Zone debattiert, muss in Berlin Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Bürgern in der Heimat die schlechten Nachrichten verkünden. Er wird erklären müssen, warum die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose deutlich nach unten korrigiert – voraussichtlich auf 1,8 Prozent für dieses und auf zwei Prozent fürs nächste Jahr. Im Frühling war sie noch von 2,3 Prozent und 2,1 Prozent ausgegangen. Eine ähnliche Richtung schlägt auch der IWF in seiner Vorhersage für Deutschland ein.
Das ist kein Drama, aber doch der erste Abstieg aus möglicherweise allzu luftigen Höhen. Vorerst verliert der Aufschwung nur an Kraft. Aber die Gefahr steigt, dass dies der Anfang einer Abwärtsentwicklung sein könnte. „Es ist sicher zu früh, Alarm zu schlagen“, sagt Holger Bingmann, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen. „Aber die Anzeichen mehren sich, dass sich die Unternehmen auf ein schwächeres Exportwachstum einstellen müssen.“
Trump verschreckt
Mehrere Belastungsfaktoren kommen zusammen und verstärken sich gegenseitig. Mit seiner aggressiven Handelspolitik verunsichert US-Präsident Donald Trump weltweit die Investoren, die sich entsprechend zurückhalten. Die hohe Verschuldung vieler Unternehmen und Schwellen- und Entwicklungsländer wird brisant, wenn wie jetzt in den USA die Zinsen wieder zu steigen beginnen. Insgesamt liegt die Schuldenlast von Staaten und privaten Kreditnehmern laut IWF heute um 60 Prozent höher als vor der Finanzkrise. In Europa geht eine italienische Regierung auf Konfrontationskurs zu den Partnern und erschreckt mit ihrer Defizitpolitik die Finanzmärkte. Beim Brexit stehen die Zeichen ebenfalls auf Konflikt.
All das sind nicht nur für Deutschlands Maschinenbauer, Autoproduzenten und Chemiekonzerne und ihre Beschäftigten schlechte Nachrichten. Sorgen machen müsste sich eigentlich auch die Koalition. Bisher half ihr bei den vielen Streitigkeiten noch am ehesten das viele Geld in der Kasse. Wenn die einen die Mütterrente erweitern und die anderen das allgemeine Rentenniveau stabilisieren wollen, leistete sich diese Bundesregierung einfach beides. Kurzfristig bereitet dies keine Probleme, da das Steueraufkommen dank der exzellenten Lage am Arbeitsmarkt und den wachsenden Löhnen steigt und steigt. Die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden werden laut einer Prognose des Forschungsinstituts IMK die Ausgaben in diesem Jahr um knapp 56 Milliarden Euro und im nächsten um 51 Milliarden Euro überschreiten.
Mittelfristig aber könnte sich die großzügige Ausgabenpolitik von heute rächen. Vor allem die steigenden Rentenkosten dürften künftigen Finanzministern Probleme bereiten, wie Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“betonte. „Mit Blick auf den demografischen Wandel kann sich der Staat schon heute diese Ausgabenpolitik nicht leisten. Das wird aber offenbar ignoriert.“