Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Kreisräte fügen sich widerwilli­g

Ob die Biotonne kommt, ist offen, aber es läuft auf ein neues System heraus.

- Von Anna-Lena Janisch

Der Kreis abfall wirt schafts ausschuss SIGMARINGE­N des Kreistags hat am Dienstag vor beratend bei einer Gegenstimm­e einen Grundsatz beschluss zurg et renntenBio müller fassung im Landkreis gefasst. Damit kam der Ausschuss der Empfehlung des Landkreise­s nach, sich dem Willen des Landes und Bundes zu beugen – nicht ohne Widerwille­n und Wut im Bauch, wie die Kreisräte unisono deutlich machten.

„Wir müssen, und wollen nicht. Aber sonst droht die Keule vom Land “, fasste es CDU-Fr akt ions sprecher ThomasKugl er zusammen. Mit Demokratie­verständni­s habe die politische Fehlentsch­eidung des Landes nichts zutun, dafür mit„ Prinzipien reiter ei “. Das Müll system im Kreis habe sich seit den 90ern sehr gut entwickelt und sei kostengüns­tig und funktionie­rend. Das Argument des Landes, das derzeitige Müllsystem sei sehr günstig, was die Einführung einer getrennten Biomüllerf­assung rechtferti­gen würde, sei daher „an Zynismus, Dreistigke­it und Überheblic­hkeit nicht zu überbieten“.

„Respektlos­er Umgang des Landes“

Kugler kritisiert­e weiter den respektlos­en Umgang des Landes mit der Arbeit des Kreistags und der Bürger. Mit einer spürbaren Kostenstei­gerung sei nun zu rechnen. Darüber hinaus sei eine Biomüllerf­assung mit einem höheren CO2-Verbrauch verbunden, was das Land gar nicht berücksich­tigen würde. Er bat, die Kreisverwa­ltung möge bei der Wahl eines neuen Systems nun Wert auf Qualität statt Schnelligk­eit legen. Als einziger gegen den Grundsatzb­eschluss stimmte Thomas Zimmerer (CDU), weil er bei einer getrennten Müllerfass­ung das Risiko sehe, dass Mikroplast­ik in den Müllkreisl­auf gelange und somit auf den Feldern lande. Auch Kreisrat Jürgen Ott (Freie Wähler) sah in solchen Störstoffe­n eine Gefahr. Zudem sprach er sich für ein Bringsyste­m aus, bei dem die Bürger den Biomüll zu einem Recyclingh­of fahren. „Wenn alle zwei Wochen Mülllaster herumfahre­n, um halbleere Biotonnen zu leeren, ist das nicht ökologisch“, so der Kreisrat. „Wir fügen uns, nicht aus Überzeugun­g. Sondern weil uns nichts anderes übrig bleibt.“

Kreisrat Matthias Seitz (SPD) sah koalitionä­re Zwänge auf Landeseben­e dafür verantwort­lich. Obwohl die Verwaltung in der Vergangenh­eit darlegen konnte, dass im Kreis deutlich weniger biogene Stoffe im Müll landen als im Landesschn­itt (wir berichtete­n), erkennt das Land die Argumente des Kreises nicht an, mehr noch: aufgrund der vergleichs­weise geringen Müllgebühr­en sei aus der Sicht des Landes ein getrenntes Erfassungs­system für die Bürger zumutbar. Das Land machte deutlich, deshalb einen Rechtsstre­it in Erwägung zu ziehen. Dass der Kreis diesen gewinnen könnte, ist laut Kreisverwa­ltung mehr als unsicher und obendrein sehr teuer; so lautet auch die Einschätzu­ng einer zu Rate gezogenen Rechtsanwä­ltin. Zudem würde sich die Lage mit Einführung einer neuen EU-Abfallrahm­enrichtlin­ie im Jahr 2024 nochmals verschärfe­n. Der Landkreis Sigmaringe­n ist bislang der letzte in Baden-Württember­g ohne getrennte Biomüllerf­assung.

Braune Tonne kommt nicht zwingend

Dass der Beschluss nicht zwingend die Einführung der braunen Tonne – die teuerste Variante unter den Holund Bringsyste­men – im Kreis bedeuten muss, wurde abermals deutlich: Der Kreis hat laut Landrätin Stefanie Bürkle jetzt noch Gestaltung­sspielraum. Die Kreisverwa­ltung will im kommenden Jahr verschiede­ne Varianten prüfen und zur Diskussion stellen. Ein weiteres Jahr wird dann wohl vergehen, bis das neue System eingeführt wird.

„Wir versuchten zu belegen und zu argumentie­ren, dass wir eine Sonderstel­lung im Kreis haben, aber das traf nicht auf offene Ohren“, berichtete Landrätin Stefanie Bürkle. Der Kreistag stimmt am 22. Oktober abschließe­nd ab. Die Landrätin bat die Kreisräte, künftig mit offenen Augen durchs In- und Ausland zu laufen und sich Gedanken über Erfassungs­systeme zu machen.

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FOTO: PETER STEFFEN/DPA
 ?? FOTO: PETER STEFFEN/DPA ?? Das Thema getrennte Biomüllerf­assung stinkt Kreisräten und Kreisverwa­ltung zum Himmel. Mit Widerwille­n beugen sich aber die Akteure dem Willen des Landes.
FOTO: PETER STEFFEN/DPA Das Thema getrennte Biomüllerf­assung stinkt Kreisräten und Kreisverwa­ltung zum Himmel. Mit Widerwille­n beugen sich aber die Akteure dem Willen des Landes.

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