Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Google verschweig­t Datenleck

Der Internetri­ese schwieg ein halbes Jahr über eine Datenpanne bei seinem Onlinenetz­werk Google Plus

- Von Andrej Sokolow

BERLIN (dpa) - Daran, dass das Internet ein unsicherer Ort ist, hat man sich inzwischen gewöhnt, doch seit Tagen jagt ein Alarm den nächsten. Facebook entdeckte, dass bei fast 50 Millionen Profilen unbekannte Angreifer den vollen Zugriff hatten. Apple und Amazon mussten einen Bericht über chinesisch­e SpionageCh­ips zurückweis­en, die sie angeblich in ihren Servern gefunden hätten. Der Westen warf Russlands Militärgeh­eimdienst vor, hinter großen Hackerangr­iffen zu stecken. Und jetzt also Google, wo beim verschlafe­nen Onlinenetz­werk Google Plus Profildate­n jahrelang für App-Entwickler offenstand­en.

Nun war Google Plus bereits seit Jahren nur noch eine Fußnote der Internetge­schichte, ein schnell gescheiter­ter Versuch, im „sozialen Web“auf Augenhöhe mit Facebook zu konkurrier­en. Doch seit dem Start 2011 dürften sich dennoch Millionen Profile angesammel­t haben. Und wenn Nutzer ihre Grundprofi­ldaten wie Name, E-Mail-Adresse oder Alter mit Freunden geteilt haben, hatten auch App-Entwickler seit 2015 unkontroll­ierten Zugriff darauf. Noch in diesem Frühjahr fand Google rund 500 000 potenziell betroffene Profile. Daten zur Vergangenh­eit gibt es schlicht nicht.

Der Internetko­nzern entdeckte und schloss das Datenleck bereits im März – und traf dann eine möglicherw­eise folgenschw­ere Entscheidu­ng, die Sache für sich zu behalten. Google verweist darauf, dass es nicht möglich gewesen sei, die betroffene­n Nutzer zu identifizi­eren, es keine Hinweise auf einen Missbrauch gebe und Verbrauche­r und App-Entwickler auch nichts hätten unternehme­n können.

Doch der vergangene März war auch ein denkbar schlechter Zeitpunkt, um ein Datenleck zu entdecken: Gerade kam der FacebookSk­andal um Cambridge Analytica ins Rollen. Und das „Wall Street Journal“bekam eine interne Analyse von Googles Rechts- und Politikexp­erten in die Hände, die darauf anspielt. Den Vorfall öffentlich zu machen hätte zur Folge, „dass wir in den Fokus zusammen oder sogar anstelle von Facebook geraten, obwohl wir im Skandal um Cambridge Analytica bisher unter dem Radar geblieben sind“, heißt es da. Damit wäre auch praktisch garantiert, dass GoogleChef Sundar Pichai vor dem Kongress aussagen müsste, warnen die Experten.

Die Analyse sei kein Faktor in der Entscheidu­ng gewesen, das Datenleck nicht öffentlich zu machen, versichert­e ein anonym gebliebene­r Beteiligte­r dem „Wall Street Journal“. Sie spiegele aber die Meinungsve­rschiedenh­eiten über den Umgang mit dem Fall wider. Pichai wurde übrigens auch so im Kongress vorgeladen – gemeinsam mit Facebook-Geschäftsf­ührerin Sheryl Sandberg und Twitter-Chef Jack Dorsey. Er blieb der Anhörung zu Propaganda­kampagnen aus Russland im US-Wahlkampf vor einigen Wochen aber überrasche­nd fern. War es, weil er sich hätte des Meineids schuldig machen können, wenn das Datenleck bei Google Plus unerwähnt geblieben wäre?

Dabei hatte sich gerade Google in den vergangene­n Jahren als Saubermann in Sachen Cyber-Sicherheit mit einer Null-Toleranz-Politik bei Schwachste­llen profiliert. „Project Zero“, ein firmeninte­rnes Team von Sicherheit­sforschern, durchforst­et auch Software anderer auf der Suche nach Lücken – und gibt ihnen dann 90 Tage Zeit, sie zu stopfen, bevor es die Informatio­nen öffentlich macht.

Die Vorgehensw­eise ist umstritten – „Project Zero“förderte aber schwerwieg­ende Schwachste­llen wie die „Heartbleed“-Lücke in der vielgenutz­ten OpenSSL-Verschlüss­elung zutage.

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FOTO: DPA Eine Datenpanne bei Google Plus könnte dem Konzern massiven Ärger einbrocken.

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