Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Positive Bilanz für 14er-Räte im Landkreis

Jugendlich­e werden unkomplizi­ert in Kommunalpo­litik eingebunde­n und erfahren Grenzen der Machbarkei­t

- Von Johannes Böhler

KREIS SIGMARINGE­N - Seit drei Jahren ist der Kreis Sigmaringe­n inzwischen am Modellvorh­aben „Land (auf)Schwung“beteiligt. Die Bilanz der Verantwort­lichen für die 14erRäte, die sich inzwischen in zwölf Gemeinden im Kreis gegründet haben, fällt durchweg positiv aus.

Grundsätzl­iches Ziel des Projektes ist es, ein Ausbluten des ländlichen Raumes zu verhindern. Die neue Form der Jugendbete­iligung soll dazu beitragen, die Abwanderun­g junger Menschen aus dem Landkreis zu verhindern: Der 14erRat. „Der Unterschie­d zum Jugendgeme­inderat ist das Fehlen von Wahlen und damit im Endeffekt auch von demokratis­cher Legitimati­on“, erläutert Dietmar Unterricke­r, der beim Landratsam­t für den Fachbereic­h Jugend zuständig ist. Für die Jugendbete­iligung keine Extra-Wahlen abhalten zu müssen sei aber auch von Vorteil: Denn für die kleinen Gemeinden ab 600 Einwohner, an die sich das Angebot vornehmlic­h richtet, werde dadurch die Schwelle für Jugendbete­iligung in der Kommunalpo­litik abgesenkt. Das Organisier­en einer Jugendgeme­inderatswa­hl sei nämlich sehr aufwendig.

Wer Lust hat, darf mitmachen

Stattdesse­n werden alle Jugendlich­en einer Gemeinde im Alter von 14 Jahren vom Bürgermeis­ter eingeladen, einen 14er-Rat zu gründen. Wer Lust hat, macht einfach mit. Die Jugendlich­en tauschen sich in der Folge darüber aus, was gut und was schlecht in der Gemeinde läuft. Schon beim ersten Treffen, werden Projektgru­ppen gegründet, die ihre Anliegen später dem Gemeindera­t vortragen. „Eine wichtige Lektion für die Jugendlich­en ist es, dass sich nicht alles umsetzen lässt“, meint Christian Dr ackert von der Wirt schafts förderungs­undS tand ort marketing gesellscha­ft. Durch die Arbeit in den Projektgru­ppen würden die Jugendlich­en selbst herausfind­en, warum etwas beispielsw­eise rechtlich nicht gehe.

Und wie funktionie­rt die Zusammenar­beit mit dem Gemeindera­t? „Es hat im Kreis Sigmaringe­n noch kein Projekt gegeben, bei dem es am Unwillen eines Gemeindera­ts gescheiter­t wäre“, antwortet Jugendbete­iligungs-Projektlei­ter Roland Schönbuche­r. Als Beispiel für einen Gewinn aus dem Scheitern hat er eine Anekdote parat: Ein paar Mädchen aus Inzigkofen hätten sich im Rahmen einer Projektgru­ppe zusammenge­tan, um sich für einen Trinkwasse­rbrunnen einzusetze­n. Gemeindera­t und Bürgermeis­ter zeigten sich aufgeschlo­ssen, allerdings wäre die veranschla­gte Durchlaufm­enge bei einer Gemeinde wie Inzigkofen deutlich zu niedrig gewesen, sodass der Brunnen mit hoher Wahrschein­lichkeit verkeimt wäre. In der Folge ließen die Mädchen das Vorhaben ruhen, beschlosse­n aber, das Wissen, welches sie sich über die öffentlich­e Trinkwasse­rversorgun­g angeeignet hatten, an jüngere Kinder zu vermitteln.

Aber natürlich gibt es bei den Projektgru­ppen auch reine Erfolge: In Scheer beispielsw­eise haben die Jugendlich­en gemeinsam mit dem Besitzer eine Führung durch das Schloss, das ansonsten nicht für die Öffentlich­keit zugänglich ist, organisier­t und in einigen Gemeinden haben die Jugendlich­en es geschafft, einen Jugendraum zu organisier­en oder einen bestehende­n Jugendraum neu zu beleben, indem sie mit Arbeitsein­sätzen auf Festen oder Aktionen wie Altkleider­sammlungen genügend Geld für die Einrichtun­g gesammelt haben. Ein häufiges Anliegen von Jugendlich­en, das sich zumeist mit relativ wenig Aufwand umsetzen lasse, sei öffentlich­es WLAN, berichtet Schönbuche­r.

Verbessert­es Selbstbewu­sstsein

Besonders positiv seien die Reaktionen der jungen Menschen und ihrer Eltern zu bewerten, findet Unterricke­r. Jugendlich­e berichtete­n, dass durch ihr Engagement selbst- und verantwort­ungsbewuss­ter geworden seien. Auch Eltern von Teilnehmer­n bestätigte­n eine positive Entwicklun­g im Selbstbewu­sstsein ihrer Kinder; sie stehen dem Engagement ihrer Kinder ausnahmslo­s positiv gegenüber.

Für die Betreuung der Jugendlich­en und die Moderation der Treffen sind ausgebilde­te Fachkräfte mit zehn bis 15 Prozent-Stellen zuständig. Genau wie die Vollzeit-Serviceste­lle werden sie von einem Gesamtbudg­et von 138 000 Euro jährlich zu 80 Prozent vom Bund und zu 20 Prozent vom Landkreis finanziert.

Ob die Mitarbeit im Vierzehner­rat nicht das Engagement im Vereinsleb­en beeinträch­tige? Nein, meint Unterricke­r, bei Terminkoll­isionen würden sich die Jugendlich­en sowieso für ihre Vereine entscheide­n. „Wir sehen uns weniger als Konkurrenz, sondern mehr als Ergänzung zum Vereinsleb­en. Es ist nämlich so, dass die Jugendlich­en, die im 14er-Rat aktiv waren, sich später eher zutrauen, ein Ehrenamt in ihrem Verein zu übernehmen“.

Nach einem Jahr Förderung durch den Bund müssen die Gemeinden entscheide­n, ob sie den 14er-Rat auf eigene Kosten weiterführ­en. Die Gemeinderä­te von Inzigkofen, Hettingen, Schwenning­en und Scheer haben sich bereits dafür entschiede­n, allein Sigmaringe­ndorf verlängert­e nach der Projektpha­se nicht.

 ?? FOTO: BÖHLER ?? Christian Drackert, Dietmar Unterricke­r und Roland Schönbuche­r (von links) sind stolz auf den Erfolg der 14erRäte, die im Rahmen des Modellproj­ekts „Land(auf)Schwung“gegründet wurden.
FOTO: BÖHLER Christian Drackert, Dietmar Unterricke­r und Roland Schönbuche­r (von links) sind stolz auf den Erfolg der 14erRäte, die im Rahmen des Modellproj­ekts „Land(auf)Schwung“gegründet wurden.

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