Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wie die Stegstrecker zu ihrem Namen kamen
Für den Weltladen übersetzt Charlotte Zoller aus Pfullendorf Geschichten ins Schwäbische
PFULLENDORF - Wie Jesus Bürger von Pfullendorf wurde, woher die Narrenzunft Stegstrecker ihren Namen hat und wie Brigitta von Zimmern einst eine geheime Botschaft im Brot übermittelte – solche Anekdoten halten die „Pfullendorfer Geschichten“bereit, die der Weltladen am alten Spital zusammen mit einer eigenen Schokoladen-Kreation verkauft. Doch nicht nur das: Die Übersetzung ins Schwäbische gibt es auf der Rückseite gleich mit dazu. Für Charlotte Zoller eine der leichtesten Übungen. Sie blickt schließlich auf jahrzehntelange Erfahrung zurück.
Eine Einschränkung macht die 80-Jährige gleich vorab: Dass ihre Übersetzungen sprachlich auch im Detail immer ganz korrekt sind, könne sie nicht garantieren, sagt sie. „Ich schreibe die Texte eben nach meinem eigenen Gehör auf. Bei jemand anderem sähe das Ergebnis vermutlich anders aus.“Darüber hinaus variiere die Aussprache von Region zu Region. Das zeige schon der Blick in die unmittelbare Nachbarschaft. „Jemand in Otterswang spricht einen anderen Dialekt als jemand in Mottschieß“, sagt Charlotte Zoller.
Jugend ist von Dialekt geprägt
In ihrer Freizeit hat sich die 80-Jährige intensiv mit dem Schwäbischen beschäftigt. In ihrem Regal stehen sowohl Bücher mit Texten in Mundart als auch sprachwissenschaftliche Aufsätze. Doch für Charlotte Zoller ist das Schwäbische nicht nur graue Theorie, sondern auch jahrzehntelange Praxis: „Ich bin in Selgetsweiler auf dem Land groß geworden“, sagt sie. „Da haben fast alle Schwäbisch gesprochen.“Ausnahmen bestätigten die Regel: Bei den Lehrern in der Schule, bei Theaterbesuchen oder auswärtigen Familien, die in die Region gezogen waren, kam die Schülerin auch regelmäßig mit dem Hochdeutschen in Kontakt.
Zum Schreiben von Texten in Mundart kam Charlotte Zoller über das Narrenblatt. „Über den damaligen Zunftmeister Paul Kehrle bin ich vor mehr als 30 Jahren zur Narrenblatt-Redaktion hinzugestoßen“, erzählt sie. Im Bindhaus, einem der beiden städtischen Museen, hätten damals außerdem noch MundartAbende stattgefunden. Auch Charlotte Zoller nahm daran teil und trug selbst geschriebene, schwäbische Texte vor. Auch die schwäbischen Texte im Narrenblatt variieren im Detail je nach Verfasser. „Da sind auch Leute aus Stuttgart oder Stockach dabei, die wieder anders reden als die Pfullendorfer“, sagt Charlotte Zoller. „Am jeweiligen Text kann man durchaus erkennen, wer ihn verfasst hat.“Sie selbst schreibe ihre Texte jedenfalls immer so, dass sie auch Leser verstehen können, die mit dem Schwäbischen nicht vertraut besonders gut vertraut sind.
Zu kurzer Steg
Das Gleiche gilt für die „Pfullendorfer Geschichten“, die im Weltladen seit zwei Jahren zusammen mit einer speziellen Schokoladen-Kreation verkauft werden. „D’Pfullendorfer hond emol en Schteg über de Andelsbach baue welle“, beginnt eine davon. „Aber dr Weg zum Andelsbach war weit und a manchem Wirtshaus oder manchem Hof isch me it dra ve’beikumme.“
Das Ende vom Lied: „Am Andelsbach a’kumme – wie ka des sai – der Schteg war viel z’kurz grote. Me schiebt en rum und num und anderschtrum, aber alles hot nix g’holfe, er war uifach z’kurz.“Später dann erfährt der eifrige Geschichtenleser auch, was das alles mit der Narrenzunft Stegstrecker zu tun hat. Mit „Jesus wird Bürger vu Pfulledorf“, „D’Schneller“, „Geheime Botschaft ime Loib Brot“und „Juliomagus – Irre’ isch menschlich“stehen weitere Geschichten zur Auswahl.
Dass das Schwäbische eine Zukunft hat – davon ist Charlotte Zoller absolut überzeugt. „Darüber, dass der Dialekt ausstirbt, mache ich mir keine Sorgen“, sagt sie. „Dafür ist die Mundart in unserer Region einfach zu sehr verwurzelt.“Allerdings sei Sprache nicht statisch. „Deshalb wird sich auch das Schwäbische in Zukunft natürlich verändern.“