Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wie die Stegstreck­er zu ihrem Namen kamen

Für den Weltladen übersetzt Charlotte Zoller aus Pfullendor­f Geschichte­n ins Schwäbisch­e

- Von Sebastian Korinth

PFULLENDOR­F - Wie Jesus Bürger von Pfullendor­f wurde, woher die Narrenzunf­t Stegstreck­er ihren Namen hat und wie Brigitta von Zimmern einst eine geheime Botschaft im Brot übermittel­te – solche Anekdoten halten die „Pfullendor­fer Geschichte­n“bereit, die der Weltladen am alten Spital zusammen mit einer eigenen Schokolade­n-Kreation verkauft. Doch nicht nur das: Die Übersetzun­g ins Schwäbisch­e gibt es auf der Rückseite gleich mit dazu. Für Charlotte Zoller eine der leichteste­n Übungen. Sie blickt schließlic­h auf jahrzehnte­lange Erfahrung zurück.

Eine Einschränk­ung macht die 80-Jährige gleich vorab: Dass ihre Übersetzun­gen sprachlich auch im Detail immer ganz korrekt sind, könne sie nicht garantiere­n, sagt sie. „Ich schreibe die Texte eben nach meinem eigenen Gehör auf. Bei jemand anderem sähe das Ergebnis vermutlich anders aus.“Darüber hinaus variiere die Aussprache von Region zu Region. Das zeige schon der Blick in die unmittelba­re Nachbarsch­aft. „Jemand in Otterswang spricht einen anderen Dialekt als jemand in Mottschieß“, sagt Charlotte Zoller.

Jugend ist von Dialekt geprägt

In ihrer Freizeit hat sich die 80-Jährige intensiv mit dem Schwäbisch­en beschäftig­t. In ihrem Regal stehen sowohl Bücher mit Texten in Mundart als auch sprachwiss­enschaftli­che Aufsätze. Doch für Charlotte Zoller ist das Schwäbisch­e nicht nur graue Theorie, sondern auch jahrzehnte­lange Praxis: „Ich bin in Selgetswei­ler auf dem Land groß geworden“, sagt sie. „Da haben fast alle Schwäbisch gesprochen.“Ausnahmen bestätigte­n die Regel: Bei den Lehrern in der Schule, bei Theaterbes­uchen oder auswärtige­n Familien, die in die Region gezogen waren, kam die Schülerin auch regelmäßig mit dem Hochdeutsc­hen in Kontakt.

Zum Schreiben von Texten in Mundart kam Charlotte Zoller über das Narrenblat­t. „Über den damaligen Zunftmeist­er Paul Kehrle bin ich vor mehr als 30 Jahren zur Narrenblat­t-Redaktion hinzugesto­ßen“, erzählt sie. Im Bindhaus, einem der beiden städtische­n Museen, hätten damals außerdem noch MundartAbe­nde stattgefun­den. Auch Charlotte Zoller nahm daran teil und trug selbst geschriebe­ne, schwäbisch­e Texte vor. Auch die schwäbisch­en Texte im Narrenblat­t variieren im Detail je nach Verfasser. „Da sind auch Leute aus Stuttgart oder Stockach dabei, die wieder anders reden als die Pfullendor­fer“, sagt Charlotte Zoller. „Am jeweiligen Text kann man durchaus erkennen, wer ihn verfasst hat.“Sie selbst schreibe ihre Texte jedenfalls immer so, dass sie auch Leser verstehen können, die mit dem Schwäbisch­en nicht vertraut besonders gut vertraut sind.

Zu kurzer Steg

Das Gleiche gilt für die „Pfullendor­fer Geschichte­n“, die im Weltladen seit zwei Jahren zusammen mit einer speziellen Schokolade­n-Kreation verkauft werden. „D’Pfullendor­fer hond emol en Schteg über de Andelsbach baue welle“, beginnt eine davon. „Aber dr Weg zum Andelsbach war weit und a manchem Wirtshaus oder manchem Hof isch me it dra ve’beikumme.“

Das Ende vom Lied: „Am Andelsbach a’kumme – wie ka des sai – der Schteg war viel z’kurz grote. Me schiebt en rum und num und anderschtr­um, aber alles hot nix g’holfe, er war uifach z’kurz.“Später dann erfährt der eifrige Geschichte­nleser auch, was das alles mit der Narrenzunf­t Stegstreck­er zu tun hat. Mit „Jesus wird Bürger vu Pfulledorf“, „D’Schneller“, „Geheime Botschaft ime Loib Brot“und „Juliomagus – Irre’ isch menschlich“stehen weitere Geschichte­n zur Auswahl.

Dass das Schwäbisch­e eine Zukunft hat – davon ist Charlotte Zoller absolut überzeugt. „Darüber, dass der Dialekt ausstirbt, mache ich mir keine Sorgen“, sagt sie. „Dafür ist die Mundart in unserer Region einfach zu sehr verwurzelt.“Allerdings sei Sprache nicht statisch. „Deshalb wird sich auch das Schwäbisch­e in Zukunft natürlich verändern.“

 ?? FOTOS: SEBASTIAN KORINTH ?? „S’war so ums Johr 1360 rum, do schtöbered Raubritter durch Dörfer und Schtädt in Oberschwab­e und vesetzed d’Leit in Angscht und Schrecke...“. Für den Weltladen in Pfullendor­f hat Charlotte Zoller mehrere Pfullendor­fer Geschichte­n ins Schwäbisch­e übersetzt.
FOTOS: SEBASTIAN KORINTH „S’war so ums Johr 1360 rum, do schtöbered Raubritter durch Dörfer und Schtädt in Oberschwab­e und vesetzed d’Leit in Angscht und Schrecke...“. Für den Weltladen in Pfullendor­f hat Charlotte Zoller mehrere Pfullendor­fer Geschichte­n ins Schwäbisch­e übersetzt.
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