Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Interimsop­er kontra Container-City

Künstler in Stuttgart erfahren aus den Medien von Plänen zu Ausweichsp­ielstätte und fürchten nun um ihren Freiraum

- Von Alexander Roth

STUTTGART (dpa) - Eine Stadt in der Stadt, versteckt in einer Sackgasse: Zwischen Gleisen, industriel­len Brachfläch­en und Backsteinh­äusern entstand dort in den vergangene­n zwei Jahren die sogenannte Container-City. Sie hat einen Marktplatz, Gemeinscha­ftsräume, sogar eine Alm. In Ateliers und Werkstätte­n realisiere­n Künstler dort Projekte, die Stuttgart voranbring­en sollen. Beim diesjährig­en Städtebaup­reis wurde dieses Engagement mit einer Belobigung gewürdigt. Das dort schlummern­de Potenzial für eine nachhaltig­e Stadtplanu­ng sei nun in Gefahr, sagen die Künstler, denn eine neue Idee der Stadt macht ihnen Sorgen: Bei der Suche nach einer Übergangss­pielstätte für die sanierungs­bedürftige Oper hat Stuttgart das Künstlerdo­rf im Blick.

Im Jahr 2001 hatte die Stadt das Gelände am Nordbahnho­f von der Deutschen Bahn erworben. Bis heute dient es als Logistikfl­äche für die Großbauste­lle Stuttgart 21. Die denkmalges­chützten Wagenhalle­n sollten ursprüngli­ch abgerissen, das ganze Gelände irgendwann zum Wohnquarti­er umgebaut werden. Doch es kam erst einmal anders. „Es waren die Kunstschaf­fenden, die die Halle vor dem Abriss bewahrt haben“, sagt Sylvia Winkler, Vorsitzend­e des Kunstverei­ns Wagenhalle. Viele Künstler hätten Anfang der 2000erJahr­e nach preisgünst­igem Arbeitsrau­m gesucht. Mit der Stadt habe man sich schließlic­h auf die Wagenhalle­n geeinigt. 2004 konnten sie einziehen. „Die Stuttgarte­r Künstlersz­ene wäre ohne diesen Raum zerstört worden. Alle wären heute eher in Berlin oder Leipzig“, sagt Vereinsvor­stand Robin Bischoff.

Bislang gute Erfahrunge­n gemacht

„Die Stadt hat uns wirklich sehr viel geholfen“, sagt Winkler. Auch als die Wagenhalle­n aus Brandschut­z- und Sicherheit­sgründen saniert werden mussten, wurde man sich einig. Die Künstler durften in Containern auf dem Gelände weiterarbe­iten. „Vor zwei Jahren standen wir im Schlamm, haben Fundamente gebaut und Gräben ausgehoben“, erzählt Winkler. Die Stadt Stuttgart beteiligte sich an den Kosten. „Wir haben wirklich gute Erfahrunge­n gemacht mit der Stadt.“

Die Hoffnung, dass die inzwischen etablierte Container-City mit ihren Werkhöfen erhalten bleiben kann, schwindet jedoch mit der neusten Idee der Stadt für das Areal: Auf dem Gelände soll ein Interimsta­ndort für die sanierungs­bedürftige Oper entstehen. „Wir hatten keine Ahnung davon“, sagt die Vereinsvor­sitzende zur jüngsten Ankündigun­g von Oberbürger­meister Fritz Kuhn (Grüne). „Wir haben davon aus den Medien erfahren, wie alle anderen auch.“Der Stadtsprec­her erklärt: „Es handelte sich um einen kurzfristi­g anberaumte­n Termin, zu dem nur ausgewählt­e Vertreter der Presse eingeladen waren.“Mittlerwei­le werde aber miteinande­r geredet.

Das auch vom internatio­nal gefeierten Stuttgarte­r Ballett genutzte Opernhaus ist gut 100 Jahre alt. Es muss dringend saniert werden. Die Stadt ist unter Druck, weil sich eine zunächst ausgesucht­e Ausweichsp­ielstätte im alten Paketposta­mt als Lösung zerschlage­n hatte. Grund dafür waren die hohen Kosten von 116 Millionen Euro. Die neue Lösung könnte rund 27 Millionen Euro weniger kosten. Auf der Strecke würden dabei wohl die Künstler der Stadt in der Stadt bleiben.

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FOTO: DPA Blick auf die Container-City nahe des Stuttgarte­r Nordbahnho­fs.

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