Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Interimsoper kontra Container-City
Künstler in Stuttgart erfahren aus den Medien von Plänen zu Ausweichspielstätte und fürchten nun um ihren Freiraum
STUTTGART (dpa) - Eine Stadt in der Stadt, versteckt in einer Sackgasse: Zwischen Gleisen, industriellen Brachflächen und Backsteinhäusern entstand dort in den vergangenen zwei Jahren die sogenannte Container-City. Sie hat einen Marktplatz, Gemeinschaftsräume, sogar eine Alm. In Ateliers und Werkstätten realisieren Künstler dort Projekte, die Stuttgart voranbringen sollen. Beim diesjährigen Städtebaupreis wurde dieses Engagement mit einer Belobigung gewürdigt. Das dort schlummernde Potenzial für eine nachhaltige Stadtplanung sei nun in Gefahr, sagen die Künstler, denn eine neue Idee der Stadt macht ihnen Sorgen: Bei der Suche nach einer Übergangsspielstätte für die sanierungsbedürftige Oper hat Stuttgart das Künstlerdorf im Blick.
Im Jahr 2001 hatte die Stadt das Gelände am Nordbahnhof von der Deutschen Bahn erworben. Bis heute dient es als Logistikfläche für die Großbaustelle Stuttgart 21. Die denkmalgeschützten Wagenhallen sollten ursprünglich abgerissen, das ganze Gelände irgendwann zum Wohnquartier umgebaut werden. Doch es kam erst einmal anders. „Es waren die Kunstschaffenden, die die Halle vor dem Abriss bewahrt haben“, sagt Sylvia Winkler, Vorsitzende des Kunstvereins Wagenhalle. Viele Künstler hätten Anfang der 2000erJahre nach preisgünstigem Arbeitsraum gesucht. Mit der Stadt habe man sich schließlich auf die Wagenhallen geeinigt. 2004 konnten sie einziehen. „Die Stuttgarter Künstlerszene wäre ohne diesen Raum zerstört worden. Alle wären heute eher in Berlin oder Leipzig“, sagt Vereinsvorstand Robin Bischoff.
Bislang gute Erfahrungen gemacht
„Die Stadt hat uns wirklich sehr viel geholfen“, sagt Winkler. Auch als die Wagenhallen aus Brandschutz- und Sicherheitsgründen saniert werden mussten, wurde man sich einig. Die Künstler durften in Containern auf dem Gelände weiterarbeiten. „Vor zwei Jahren standen wir im Schlamm, haben Fundamente gebaut und Gräben ausgehoben“, erzählt Winkler. Die Stadt Stuttgart beteiligte sich an den Kosten. „Wir haben wirklich gute Erfahrungen gemacht mit der Stadt.“
Die Hoffnung, dass die inzwischen etablierte Container-City mit ihren Werkhöfen erhalten bleiben kann, schwindet jedoch mit der neusten Idee der Stadt für das Areal: Auf dem Gelände soll ein Interimstandort für die sanierungsbedürftige Oper entstehen. „Wir hatten keine Ahnung davon“, sagt die Vereinsvorsitzende zur jüngsten Ankündigung von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). „Wir haben davon aus den Medien erfahren, wie alle anderen auch.“Der Stadtsprecher erklärt: „Es handelte sich um einen kurzfristig anberaumten Termin, zu dem nur ausgewählte Vertreter der Presse eingeladen waren.“Mittlerweile werde aber miteinander geredet.
Das auch vom international gefeierten Stuttgarter Ballett genutzte Opernhaus ist gut 100 Jahre alt. Es muss dringend saniert werden. Die Stadt ist unter Druck, weil sich eine zunächst ausgesuchte Ausweichspielstätte im alten Paketpostamt als Lösung zerschlagen hatte. Grund dafür waren die hohen Kosten von 116 Millionen Euro. Die neue Lösung könnte rund 27 Millionen Euro weniger kosten. Auf der Strecke würden dabei wohl die Künstler der Stadt in der Stadt bleiben.