Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Meckernde Vierbeiner gegen Waldbrände
Portugal beschließt landesweiten Einsatz einer Ziegenfeuerwehr
MADRID - Zur Waldbrandverhütung setzt Portugal nun auf eine Geheimwaffe: 40 Ziegenherden, die im ganzen Land das Gras- und Buschland abfressen und so natürliche Brandschneisen schaffen sollen. Der Einsatz der Ziegenfeuerwehr wurde von der Regierung beschlossen, nachdem immer wieder verheerende Waldbrände das Land heimsuchten. Im August waren im Hinterland der Algarveküste 28 000 Hektar Wald abgebrannt. Im Jahr 2017 kamen in Portugal bei Waldbränden 115 Menschen um.
Meckern ist bei der Arbeit der neuen vierbeinigen Brandbekämpfer ausdrücklich erwünscht. Besonders wenn die Leitziege im Morgengrauen die Herde zusammenruft und aus dem Stall ins Einsatzgebiet führt. „Denn wenn eine Ziege nicht meckert, geht es ihr nicht gut“, lautet eine Weisheit der Hirten, die mit diesen Tieren im Gelände unterwegs sind. Insgesamt hat Portugals Naturschutzbehörde fast 5000 Ziegen unter Vertrag genommen. Seit einigen Monaten arbeiten sie sich durch Portugals trockene Wälder, Büsche und Graslandschaften und machen das, was sie am liebsten tun: Sie fressen und fressen – pausenlos.
Pilotversuch belegt Wirksamkeit
Ein wissenschaftlicher Pilotversuch rund um das Dorf Santa Maria da Feira im Hinterland der Stadt Porto bewies, wie effektiv die Ziegenfeuerwehr sein kann. 26 Tiere unter Führung der Leitziege Genoveva vertilgten dort tonnenweise Vegetation, säuberten so die Dorfumgebung und trugen dazu bei, dass es dort dieses Jahr keine größeren Waldbrände gab. Und ganz nebenbei vermehrte sich die vierbeinige Brigade auch noch. „Die Ergebnisse sind sehr positiv“, berichtete die Wissenschaftlerin Ana Catarina Fontes, die den Fressfortschritt ihre Testherde aus der Luft mit einer Drohne überwachte.
Der Einsatz der Ziegen, deren Nutzen für die Landschaftspflege im 21. Jahrhundert vielerorts in Vergessenheit geriet, ist für den Staat eine sehr günstigste Brandschutzmaßnahme: Rund 3,5 Millionen Euro stellte die portugiesische Regierung bis zum Jahr 2022 für die Unterhaltung und den weiteren Ausbau der Ziegenbrigaden bereit. Eine Kleinigkeit verglichen mit jenen 27 Millionen Euro, die für die Anschaffung eines neuen Löschflugzeuges ausgegeben wurden – aber ohne die fliegende Feuerwehr geht es in den leicht entzündlichen Wäldern auch nicht.
Portugals neues Ziegeneinsatzkommando hat einen weiteren Vorteil: Es frisst nicht nur den potenziellen Brennstoff für Feuersbrünste weg, sondern es kann auch ohne Probleme ins schwer zugängliche Bergland vordringen – also dorthin, wo menschliche Löschhelfer und ihre Einsatzfahrzeuge kaum noch hinkommen. Gerade im unwegsamen Gelände seien Ziegen sehr viel effektiver als Bulldozer oder Waldarbeiter, erklärt ein Sprecher der portugiesischen Naturschutzbehörde.
Früher, berichtet der portugiesische Hirte Fernando Moura, seien Hunderte von Ziegenherden im ländlichen Portugal unterwegs gewesen und sorgten für eine natürliche Stutzung der Vegetation. Doch mit der Landflucht der Menschen und dem Niedergang der Landwirtschaft sei das bergige Hinterland zunehmend sich selbst überlassen worden. Verwilderte Wälder und hochgewachsene Buschlandschaften begünstigten in Portugal immer wieder eine rasend schnelle Ausbreitung der Waldbrände.
Nur einer von vielen Schritten
Fernando Mouras treibt seine Herde täglich im Auftrag der Regierung durch den bis zu 2000 Meter hohen Gebirgszug Serra da Estrela. Ein Nationalpark, der etwa 100 Kilometer östlich der berühmten Universitätsstadt Coimbra liegt und in dem 2017 ein schwerer Brand wütete. Rund 120 Euro bekommt Moura vom Staat für jeden von seinen Tieren abgegrasten Hektar. Ein kleines Zubrot für den Hirten, der hauptsächlich vom Verkauf von Ziegenmilch, Käse und Fleisch lebt.
Der Ziegeneinsatz in besonders gefährdeten Gebieten sei nur einer von vielen notwendigen Schritten, um neue Feuerkatastrophen zu verhindern, sagt Tiago Oliveira, Chef der staatlichen Anti-WaldbrandKommission. Weitere Maßnahmen, wie etwa eine bessere Bewirtschaftung der Wälder, müssten folgen.