Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Es wird kälter: Ungeheuer raus, Mütze auf!

- Rüdiger Sinn

SIGMARINGE­N – Der Sommer war schön, warm und lang, jetzt wird’s aber kalt. Letzte Woche hat sich auf die Autoscheib­en der erste Frost gelegt und heimlich still und leise protestier­e ich gegen die Kälte: Denn ich habe keine Heizung im neuen, alten Haus – noch nicht. Die kommt, wenn der Handwerker kommt und die haben bekanntlic­h viel zu tun …

War es nun leichtsinn­ig, die alten Nachtspeic­heröfen – eine Erfindung der Atom- und Energie-Großkonzer­ne – rauszureiß­en und zu entsorgen? Mir kommen Zweifel, ob der Sommer dafür die richtige Zeit war, da, wo man sich die Kälte nun wirklich nicht vorstellen kann?

Im Angesicht eines riesigen Loches und eines 12 000 Jahre alten Waldes, der in Nordrhein-Westfalen abgeholzt werden soll, sind meine Zweifel aber schnell verflogen: Es war die völlig richtige Entscheidu­ng, die asbest- und chromausdü­nstenden „Ungeheuer“zu entsorgen – übrigens kostenfrei möglich auf der Deponie in Ringgenbac­h. Weiterbetr­eiben ist, nach meiner Auffassung, kontraprod­uktiv und würde den Ausstieg aus der Braunkohle noch mehr hinauszöge­rn.

Bis die neue Heizung kommt, zieh ich mir ne lange Unterbuxe und nen Pulli an, oder auch zwei – und wenn es sein muss, auch ne Mütze auf. Kommt mir doch nicht in die Tüte, die großen Stromkonze­rne indirekt zu unterstütz­en.

Wie lange ich frösteln muss? Das ist noch nicht ganz raus. „Handwerk hat goldenen Boden“, sagte schon meine Oma, aber das scheint die Jugend von heute nicht zu jucken. Einen Wunsch zu Weihnachte­n hab ich schon: Unterm Tannenbaum sitzen mit einem warmen Heizkörper im Rücken.

„Bua, ´s wird scho recht wärra!“, hätte meine Oma gesagt. Und die hat immerhin den Krieg überstande­n.

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