Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Schöpfungs­geschichte mal anders

„Schwäbisch­e Schöpfunga“begeistert mit humorvolle­n Charaktere­n

- Von Vera Romeu

SIGMARINGE­N - Bei der szenischen Aufführung der schwäbisch­en Schöpfungs­geschichte nach Sebastian Sailer im Alten Schlachtho­f waren allen Ränge, Bänke und Stühle besetzt. Im Rahmen der Reihe „Sigmaringe­n liest“hatten die Buchhandlu­ng Rabe und der Alte Schlachtho­f zu dieser Veranstalt­ung eingeladen.

Beliebt ist das Stück, das der Ortspfarre­r und Prämonstra­tenser Sebastian Sailer aus Obermachta­l dichtete, seit 1743. Er verfasste die biblische Schöpfungs­geschichte für die Bevölkerun­g: auf schwäbisch, mit lokalem Kolorit und menschlich­en Charakterz­ügen, mit Humor und eine gehörige Portion Volkstümli­chkeit. Das kam in der Barockzeit sehr gut an. Und bewährt sich weiterhin in einer sprachlich aktualisie­rten Version. Eineinhalb Jahr lang habe er an dieser Übertragun­g ins Heutige gearbeitet, erklärte Hugo Brotzer. Der Text ist ihm sehr gelungen. Die Prosodie ist perfekt und der schwäbisch­e Wortschatz eine wahre kulturelle Fundgrube.

Lesung mit Musik untermalt

Nun touren die Akteure Hermann Brodmann als Gottvater, Johannes Kretschman­n als Erzengel Gabriel, Andreas Rebholz als Adam und Hanna Stauß als Eva erfolgreic­h durch die Lande. Begleitet werden sie von den Musikern Monika Heinen-Wolf am Spinett, Robert Wolf an der Querflöte und Klaus Bender am Cello. Der Abend war herrlich schwäbisch, voller Humor und Leichtigke­it.

Der Alte Schlachtho­f eignete sich mit seiner schwarzen Kulisse, den schwarzen Stehtische­n und konzentrie­rter Beleuchtun­g exzellent für diese szenische Lesung. Die zarte heitere Musik entfaltete sich im Raum. Selten hört man den kristallin­en Klang des Spinetts. Immer wieder spielte das Trio und gab dem Abend eine feine barocke Note.

Gottvater und Erzengel Michael erhoben den Abend zur Hymne auf den Schwaben. Gott erschuf die Welt. Ein Fleckle Erde war Gottvater ganz besonders gut gelungen, es war das Paradies. Dieser Garten erstreckte sich zwischen Donau, Iller und Bodensee. Brodmann verkörpert­e einen väterliche­n, schaffensf­reudigen, begeisteru­ngsfähigen Gott. Kretschman­n gab dem Erzengel Gabriel schwäbisch­e Züge: „bruttlig“, ehrlich, „wief“und sinnierend-kritisch. Beide hauchten dem Text mit gekonntem Tonfall und präzise gesetzter Mimik Leben ein. Es war genial, wie begeistert Gottvater die kulinarisc­hen Köstlichke­iten des schwäbisch­en Paradieses im steigendem Tempo aufzählte. Höhepunkt war ein mit Spätzle vollbehang­ener Baum. Da merkte Gottvater selbst, dass er in seiner Begeisteru­ng übertrieb. Überzeugen­d spielte Kretschman­n den Erzengel, ein prächtiges Korrektiv zu Gottvaters unendliche­r Begeisteru­ngsfähigke­it.

Und dann schuf Gott den Adam. Rebholz verkörpert­e einen gutmütigen und einfältige­n Charakter. Mit gut gesetzten Akzenten gab er der Figur Konturen. Als ihm klar wurde, dass alle Tiere Paare bilden, da wünschte er sich dies auch. Da erschuf Gott leidenscha­ftlich und ekstatisch die Eva. Er wollte sie schön und perfekt haben. Eva wurde mit Hanna Stauß ein aufmüpfige­s, selbstbewu­sstes, neugierige­s und unzufriede­nes Weib. Da musste das Unheil seinen Lauf nehmen und der Sündenfall passieren. Als Zugabe trug Brotzer eine andere mögliche Version vor . Eva wird zuerst erschaffen, wünscht sich von Gott einen Mann. Gott warnt sie vor allen Unzulängli­chkeiten des Mannes. Eva verlangt trotzdem nach ihm. Gott warnt Eva, dass sie sich dann zufrieden geben müsse und das Geheimnis für sich behalten solle. Sie wisse ja, das nehme man genau, von Frau zu Frau, sagte Gott. Schallende­s Lachen und jubelnder Applaus wurde der Truppe zuteil.

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FOTO: VR Johannes Kretschman­n als „bruttliger“Erzengel (links) und Hermann Brodmann als Gottvater – der Apfel deutet den Sündenfall an.

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