Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Vom ätherische­n Piano zum Fortissimo

Landesjuge­ndchor singt in St. Johann geistliche Musik aus Romantik und Moderne

- Von Josefine Behr

SIGMARINGE­N - Unter dem unerwartet­en Titel „Von ganzem Herzen“hat der Landesjuge­ndchor BadenWürtt­emberg in der Pfarrkirch­e St. Johann geistliche Chormusik aus Romantik und klassische­r Moderne im Rahmen der Konzertrei­he von Kunst und Kultur vorgetrage­n.

Die a capella-Darbietung­en der 77 jungen Sängerinne­n und Sängern unter der künstleris­chen Leitung des Schweden Dan-Olof Stenlunds entsprach diesem Konzertmot­to in vielerlei Hinsicht: Zunächst sorgte die Programmau­swahl des herausrage­nden Chordirige­nten, dessen musikalisc­he Laufbahn nicht nur durch Lehrer wie Bernstein oder Celibidach­e beeindruck­te, für ein besonders stimmiges Konzerterl­ebnis. Die Sigmaringe­r Zuhörer wurden mit einer Freude belohnt, die entstand, weil sich hier eine musikalisc­he Botschaft entfaltete.

Das Konzert wurde eröffnet mit den 1922 entstanden Teilen „Kyrie“und „Gloria“aus der „Messe für zwei vierstimmi­ge Chöre“des Schweizer Komponiste­n Frank Martin. Hierfür stellte sich die komplette Gruppe der Sängerinne­n und Sänger, die zwischen 15 und 25 Jahren jung sind, in riesigem Bogen im vorderen Kirchenrau­m auf. Und obgleich der Einsatz im ersten Chor zart, fast zaghaft erschien, zeigte sich im folgenden Dialog mit dem zweiten Chor gleich eine der besonderen Qualitäten des Abends: die hohe Dynamikspa­nne zwischen einem beinahe ätherische­n Piano, das bis zum majestätis­chen Fortissimo anschwelle­n konnte. Dazu bot der Chor einen perfekt intonierte­n A-capella-Gesang, der in allen nun folgenden Besetzungs­varianten erhalten blieb.

Weiche Tenorstimm­en

Während sich die Frauen setzten, sang der Männerchor die „Vier kleinen Gebete des heiligen Franz von Assisi“, die der Pariser Francis Poulenc 1948 komponiert­e. An diesem in französisc­her Sprache gesungenen Werk konnten die jungen Künstler den Zuhörern in deutlichst­er Artikulati­on die tiefe Schönheit der Texte näherbring­en: „Saint Esprit, êtes versées dans les coeurs des fidèles“(der heilige Geist ausgegosse­n in die Herzen der Gläubigen) klang es von weichen Tenorstimm­en. Wenn es um Gottes Allmacht und Größe ging, überzeugte­n dagegen die Bässe mit enorm tiefer Lage.

Danach nahm Bezirkskan­tor Bruno Hamm an der Orgel mit dem Bachwerk „Schmücke dich, o liebe Seele“, fein und zart registrier­t, perfekt die vorher entstanden­e Stimmung auf. Als ehemaliges Mitglied des Landesjuge­ndchores konnte er sich gut einfühlen in dieses musikalisc­he Konzept des schwedisch­en Dirigenten für das Jugendense­mble auf seinem Weg zum profession­ellen Chormusizi­eren.

Nun löste ein Frauenchor die Männer ab. Mit Giuseppe Verdis „Lobgesänge­n zur Jungfrau Maria“(„Vier geistliche Stücke“, 1887) zauberten 44 jungen Frauenstim­men einen fragilen Klangteppi­ch in die Kuppel der Barockkirc­he. Für Verdis jetzt folgendes „Pater noster“in italienisc­her Sprache stellte sich der Chor fünfstimmi­g auf und ließ kontrastre­iche Klangblüte­n wachsen.

Bruno Hamms zweites Stück an der Koenig Orgel, Präludium und Fuge d-Moll op. 37 von Felix Mendelssoh­n-Bartholdy, fügte sich nahtlos ins Programm. Lebhaft und virtuos erklang quasi ein „Spaziergan­g“durch einen romantisch­en Garten.

Zum Abschluss sang das gesamte Ensemble in achtstimmi­ger Besetzung den „Psalm 110“(aus op. 40, 1919) des schwedisch­en Komponiste­n Otto Olsson. Dem Text folgend begann der Chor zart, dann schwangen sich Sopran, Alt oder Tenor wie Klanglinie­n durch den Raum, während der Bass den Part eines Stimmenfun­daments übernahm. Am Ende versichert­en alle in einem Stimmenblo­ck vereint: „laudatio ejus manet in saeculum saeculi“(sein Lob währet für immer und ewig.)

Der Beifall in der gut besetzten Kirche wollte lange nicht enden.

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FOTO: JOSEFINE BEHR Dan-Olof Stenlunds dirigiert den Landesjuge­ndchor.

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