Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Habe selbst Feuer gefangen“
Anja Fischer hat am Academy-Camp der DSJ teilgenommen
MENGEN (sz) - Anja Fischer, Sommerbiathletin aus Ennetach, war 18 Tage lang im Rahmen des AcademyCamps der Deutschen Sport-Jugend (DJS) in Argentinien, das parallel zu den Youth Olympic Games in der argentinischen Hauptstadt stattfand. Mit im Gepäck auf der Rückreise: „Viele Erlebnisse und Erfahrungen, die noch lange nachwirken werden“, sagt Anja Fischer, ebenso wie neue Motivation für Sport und Studium und „mein eigenes kleines olympisches Feuer“. Die unmittelbaren Eindrücke in Argentinien stehen im Mittelpunkt des ersten Teils des Interviews, das Regionalsportredakteur Marc Dittmann mit Anja Fischer nach ihrer Rückkehr geführt hat
Welche neuen Eindrücke haben Sie in Buenos Aires gewonnen?
Mir hat das Academy-Camp erstmals die Möglichkeit geboten, olympische Luft zu schnuppern, das olympische Feuer hautnah zu sehen und selbst Feuer zu fangen. Die Sportbegeisterung, dort allgegenwärtig, ist mir zuvor noch nie in einem solchen Ausmaß begegnet. Gleichzeitig ermöglichte die Zusammensetzung unserer Gruppe aus Sportlern verschiedenster Sportarten einen Einblick in Sportarten, von denen ich zuvor teilweise noch nicht einmal gehört hatte. Gleichzeitig bekam ich die Möglichkeit, ein wenig zum Bekanntheitsgrad meiner eigenen Sportart, dem Sommerbiathlon, beizutragen. Viele neue Eindrücke habe ich auch der Tatsache zu verdanken, dass diese Veranstaltung in Südamerika stattfand. Während ich zuvor Europa noch nie verlassen hatte, habe ich nun einen ganz anderen Teil der Welt kennen lernen dürfen.
Welche kulturellen und politischen Eindrücke haben Sie in Argentinien gewonnen?
Bereits an unserem ersten Abend erwartete uns ein kulturelles Highlight Argentiniens: Asado - Grillen in einer anderen Dimension. Eine Wissenschaft für sich. In einer bestimmten Reihenfolge werden Würstchen und Fleisch, aber auch Gemüse gegrillt. Im Fokus steht der soziale Austausch. In unserem Fall war es eine internationale Gruppe aus Sportengagierten, die zu Gast war sowie ein Musiker begleitet von zwei Tänzern. Bald schon war die ganze Gruppe auf der Tanzfläche. Die Stimmung war unfassbar.
Insgesamt lässt sich sagen, dass sich in Argentinien sehr stark die europäischen Einflüsse erkennen lassen, die auf die vielen europäischen Emigranten insbesondere in Buenos Aires zurückzuführen sind. Pizza und Croissants gibt es an jeder Ecke und die U-Bahnen fahren im Linksverkehr, weil sie aus England überbis nommen wurden. Jedoch finden sich auch überall die südamerikanischen Einflüsse wie Matetee und im TigreDelta ein waschechter Gaucho sowie der Tango. Nach einer Einführung wurden wir in einer Tangobar ins fast kalte Wasser geworfen. Skeptisch sind die Argentinier beim Thema Politik. In der Geschichte Argentiniens findet sich ein ständiger Wechsel zwischen Demokratie und Militärdiktatur mit regelmäßigen Wirtschaftskrisen. Auch aktuell. Seit Jahresbeginn hat der Peso mehr als die Hälfte seines Wertes verloren. Bereits auf der Fahrt vom Flughafen fielen uns Parolen an den Hauswänden auf, die gegen Mauricio Macri, den amtierenden Präsidenten, gerichtet waren. In der Stadt berichteten uns Gleichaltrige von ihrem Zorn auf ihn und während der Eröffnungsfeier wurde er minutenlang ausgepfiffen. Großes Thema ist aber auch der Umgang mit der Militärdiktatur 1983 wie die „Madres de Plaza de Mayo“, die Mütter derer, die in der Militärdiktatur verschwanden. Sie gründeten eine Protestbewegung und stehen für die strafrechtliche Verfolgung der Täter während der Diktatur.
Was habt Ihr von Argentinien gesehen?
Buenos Aires ist eine riesige Stadt, eine Stadt mit vielen Gesichtern, die die große Schere zwischen Arm und Reich widerspiegeln. Doch was alle Orte gemeinsam hatten, war die unglaubliche Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit, mit der uns entgegengetreten wurde. Ich habe mich nach einigen Tagen ein wenig erdrückt gefühlt von der Stadt, ihren eng bebauten Straßen und der staubigen Luft. Umso mehr genoss ich einen der letzten Tage im Tigre-Delta. nach den vorbeirasenden Tagen mit vollem Programm. Nach einer Schifffahrt angekommen an unserer Haltestelle bot sich uns im weitläufigen Hintergarten ein idyllischer Anblick. Zwei weiße, gedeckte Tischreihen bestückt mit weißen Stühlen. Es gab – natürlich – Rindfleisch, bevor wir mehr über die Entstehung dieses Deltas erfuhren. Zurück in unserer Unterkunft, galt es Koffer zu packen. Argentinien hat viele Gesichter, wir haben zwar nur einen kleinen Bereich davon gesehen, aber bereits dieser bot mit seinem Kontrast zwischen Metropole und absoluter Idylle ein breites Spektrum.
„Asado - Grillen in einer anderen Dimension. Eine Wissenschaft für sich“, sagt Anja Fischer über eine ganz spezielle Erfahrung in Argentinien.
„... die unglaubliche Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit, mit der uns entgegengetreten wurde“, sagt Anja Fischer über Argentinien
Welche Programmpunkte habt Ihr sonst noch absolviert?
Neben den Besuchen der Sportstätten und den Gesprächsrunden mit Persönlichkeiten aus Sport und Politik haben wir einen Tag im Olympischen Dorf verbracht, mit den Sportlern, die ihre Wettkämpfe schon abgeschlossen haben. Dabei haben wir auch das Learn-&-Share-Programm kennengelernt, das das Ziel verfolgt, die Sportler neben ihren Wettkämpfen weiterzubilden. Wir haben ein Straßenfußballprojekt in einem der ärmeren Viertel Buenos Aires‘ besucht, mit jungen Argentiniern gespielt. Einen Kontrast dazu bot der Besuch einer deutschen Schule und ein Abendessen bei einem deutschen Verein, bei dem wir die Unterschiede des Sportsystems zwischen Argentinien und Deutschland erfuhren. In Argentinien ist die Schule deutlich stärker in das Sportsystem eingebunden.