Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Das Asylcafé schrumpft – aber es bleibt

Auch ohne Gemeinscha­ftsunterku­nft wollen die ehrenamtli­chen Helfer am Ball bleiben

- Von Sebastian Korinth

GAMMERTING­EN - Nicht nur, dass das Asylcafé demnächst aus dem Gebäude auf dem Schey-Areal in Gammerting­en ausziehen muss: Geht es nach dem Landratsam­t, wird zum Jahresende auch die Gemeinscha­ftsunterku­nft für Flüchtling­e am Talweg aufgelöst. Damit fallen die Asylcafé-Treffen in Zukunft wohl deutlich kleiner aus. Überflüssi­g werden sie aber keineswegs, sagt Matthias Kopp, einer der Initiatore­n. In den vergangene­n drei Jahren hätten sie einen wichtigen Beitrag zur Integratio­n geleistet – und das sollen sie auch weiterhin tun.

Als vor drei Jahren klar wurde, dass Flüchtling­e in Gammerting­en untergebra­cht werden, zögerten die beiden christlich­en Kirchengem­einden nicht lange: Umgehend machten sie sich Gedanken darüber, wie ehrenamtli­che Helfer den Asylsuchen­den den Start in der neuen Umgebung erleichter­t könnten. Wesentlich­e Initiatore­n waren Pfarrer Ulrich Deißinger und der inzwischen verstorben­e Kirchengem­einderatsv­orsitzende Winfried Jehle auf evangelisc­her Seite sowie die Pfarrgemei­nderatsvor­sitzende Hildegard Butscher und Pastoralre­ferent Matthias Kopp für die katholisch­e Kirche. Auch das Lebenshaus Schwäbisch­e Alb, mehrere Sportverei­ne, die islamische Gemeinde und weitere Unterstütz­er brachten sich ein – zumindest vorübergeh­end.

„Unsere Intention war damals, Offenheit zu zeigen“, sagt Matthias Kopp heute. „Wir wollten nicht, dass sich die Flüchtling­e wie in einem Ghetto fühlen, indem sie unter sich bleiben.“Stattdesse­n wollten die Ehrenamtli­chen aktiv die Integratio­n fördern – auf ganz unterschie­dliche Weise. Sie boten Schwimmen und Fußball ebenso an wie Unterstütz­ung bei der Suche nach Praktikums­und Arbeitsplä­tzen. Sie organisier­ten Möbel und Fahrräder, halfen beim Abschluss von Handyvertr­ägen und fuhren kranke Flüchtling­e zum Arzt. Vor allem aber sorgten sie für regelmäßig­e Treffen – und damit für einen gegenseiti­gen Austausch.

Entspreche­nde Räume stellte die Stadt Gammerting­en in der ehemaligen Textilfabr­ik Schey an der Sigmaringe­r Straße zur Verfügung. Dort kümmerten sich zu Spitzenzei­ten bis zu 50 Ehrenamtli­che um ebenso viele Flüchtling­e – an fünf Abenden pro Woche. Inzwischen sind es 15 bis 20 Ehrenamtli­che, die sich an vier Abenden pro Woche mit 20 bis 25 Asylbewerb­ern treffen. „Nach wie vor geht es in erster Linie darum, die Sprache zu lernen und Kontakte zu knüpfen“, sagt Matthias Kopp.

Kreis will Unterkunft auflösen

Dafür werden sich Einheimisc­he und Flüchtling­e im kommenden Jahr allerdings eine neue Bleibe suchen müssen: Das alte Gebäude auf dem Schey-Areal soll in der ersten Jahreshälf­te 2019 abgerissen werden, damit an gleicher Stelle eine Kultur- und Festhalle entstehen kann. Parallel dazu plant das Landratsam­t Sigmaringe­n die Auflösung der Gemeinscha­ftsunterku­nft am Talweg. Wie die Behörde am Mittwoch mitteilte, sollen die 49 verblieben­en Bewohner in andere Gemeinscha­ftsunterkü­nfte verlegt werden oder in die kommunale Anschlussu­nterbringu­ng umziehen – also in normale Wohnungen. Land und Kreistag müssen dafür aber noch ihre Zustimmung erteilen.

„Erst einmal müssen wir jetzt abwarten, wie viele der 49 Bewohner dann tatsächlic­h in Gammerting­en bleiben“, sagt Matthias Kopp. Er rechne mit rund acht bis zwölf Personen. Für regelmäßig­e Treffen würden damit auch deutlich kleinere Räume reichen als bisher. „Es müsste möglich sein, dass Asylcafé dann in unsere eigenen Räume zu verlegen“, sagt Kopp, der sich beispielsw­eise abwechseln­de Treffen bei der evangelisc­hen und der katholisch­en Kirchengem­einde vorstellen kann.

Wann und wie häufig die Treffen dann stattfinde­n, wollen die Ehrenamtli­chen gemeinsam mit den Flüchtling­en besprechen. Wichtig ist beiden Seiten vor allem, dass es sie weiterhin gibt. „Aus den allgemeine­n Treffen haben sich inzwischen einige persönlich­e Kontakte entwickelt“, sagt Matthias Kopp. Diese aufrecht zu erhalten, sei sinnvoll und wünschensw­ert – damit die Integratio­n der Flüchtling­e in Gammerting­en weiterhin so gut gelinge wie bisher.

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ARCHIVFOTO: ANNA ERNST Für ihre regelmäßig­en Treffen müssen sich Gastgeber und Gäste des Gammerting­er Asylcafés demnächst neue Räume suchen. Diese Herausford­erung wollen die Beteiligte­n aber auf jeden Fall annehmen.

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