Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Waschfrau Hanna zieht alle Register

Clownin Gardi Hutter begeistert die Zuschauer mit ihrem neuen Bühnenprog­ramm

- Von Anthia Schmitt

PFULLENDOR­F - Mit acht legendären Programmen hat die Schweizeri­n Gardi Hutter alias Waschfrau Hanna die Welt begeistert. Mit ihrem nun neunten Hanna-Programm „Gaia Gaudi“läutet die Clownin den Generation­enwechsel ein. Sie steht gemeinsam mit Sohn, Tochter und Schwiegert­ochter auf der Bühne, der Sängerin Neda Cainero, dem Schlagzeug­er Juri Cainero und der Tänzerin Beatriz Navarro. Die viel bejubelte Premiere feierte „Gaia Gaudi“in Zürich. In Pfullendor­f erlebten rund 220 Zuschauer den Auftakt zur Deutschlan­dtournee. Sie sahen ein absurdes Theater, das sie in seinen Bann zog. Hanna ist eine Waschfrau, der nichts Irdisches erspart bleibt. Scheinbar tollpatsch­ig gerät sie von einem Schlamasse­l ins nächste.

Auch im neuen Programm. Sie ist tot, von Anfang an, liegt samt ihrem ebenso rund geformten und rotnasigen Ebenbild im Sarg. Alle Wiederbele­bungsversu­che scheitern, gnadenlos schließt der Bestatter den Deckel. Ist es der Geist von Hanna, der anschließe­nd zwei Stunden brabbelnd über die Bühne fegt, oder vielleicht doch die wiederaufe­rstandene Hanna selbst. Sie lässt jedenfalls nichts aus. Wird zur Königin und zur gebärenden Mutter, zur Reisenden, bis sie schließlic­h ganz in dem roten Koffer verschwind­et, deren Inhalt ihr solche Angst einjagt, und nur ein Kinderwage­n auf der Bühne zurückblei­bt. Vögel mit todweißen Schnäbeln kreuzen ihren Weg, monströse Viecher, unzähmbare Eier und wilde Figuren. Gestalten, hinter denen die Kinder stecken, denen sie an anderer Stelle ein trommelwir­belndes Mahl bereitet. Eine Chronik vielleicht, dramatisch und amüsant zugleich.

Vier Hannas stehen auf der Bühne

Viel Handlung bleibt der Fantasie des Zuschauers überlassen. Am Ende stehen vier identische Waschfraue­n auf der Bühne und hängen Männersock­en auf die Leine. Hanna hat sich vervielfac­ht. Die nächste Generation tritt in ihre Fußstapfen. „Non, je ne regrette rien“, intoniert Hanna schluchzen­d – „Nein, ich bereue nichts.“Sie will noch nicht Platz machen. Worte, zumindest verständli­che, braucht Gardi Hutter nicht, um ihre Geschichte­n zu erzählen, nur gelegentli­ch ein „Mama“. Ihr, der ungebroche­n temporeich­en, inzwischen 65-Jährigen, reicht Mimik, Gestik und Körperhalt­ung auf ihrem Weg durch alle Höhen und Tiefen des Lebens. Geräusche, mehr überirdisc­h und verquer als konzertant und lieblich, unterstrei­chen das Geschehen.

Überrasche­nde Schreie gehören ebenso dazu wie Trommeln, mystisches Singen und Gartenschl­auchfanfar­en oder das intensive „Psst“, mit dem Hanna am Anfang von den Zuschauern andächtige Stille für ihre Leiche einfordert. Nicht einmal ein Husten will sie dulden. Und keiner stampft so zornig auf wie sie.

Das Publikum war nach zwei Stunden begeistert. Immer wieder war es einbezogen worden. Musste der Käsekuchen essenden Majestät durch wiederholt­es Aufstehen Ehre erweisen, mitklatsch­en, wenn Freudenmus­ik erklang, oder sogar überrasche­nde „Mama“-Umarmungen aushalten, wenn Gardi Hutter von der Bühne hinunter ins Publikum eilte. Comedy war es nicht, was die Hutter-Familie in Pfullendor­f auf die Bühne brachte, deshalb blieben lautstarke Lacher aus, aber geschmunze­lt und gekichert wurde viel und am Ende wollte der Applaus kein Ende nehmen. Eine Zugabe gab es natürlich auch. Einen Jodler im LatinoRhyt­hmus, zu dem Gardi Hutter Kuhglocken erklingen ließ, bevor sie dem Publikum mit unmissvers­tändlicher Geste deutlich machte, dass es jetzt endgültig Zeit zum Gehen ist.

 ?? FOTOS: ANTHIA SCHMITT ?? Die Schweizer Clownin Gardi Hutter thematisie­rt in ihrem neuen Programm „Gaia Gaudi“den Generation­enwechsel. Sie steht erstmals als Waschfrau Hanna mit ihren Kindern Neda und Juri Cainero sowie Schwiegert­ochter Beatriz Navarro (von links) auf der Bühne.
FOTOS: ANTHIA SCHMITT Die Schweizer Clownin Gardi Hutter thematisie­rt in ihrem neuen Programm „Gaia Gaudi“den Generation­enwechsel. Sie steht erstmals als Waschfrau Hanna mit ihren Kindern Neda und Juri Cainero sowie Schwiegert­ochter Beatriz Navarro (von links) auf der Bühne.
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Mit dem Grabschmuc­k in der Hand macht sich Waschfrau Hanna auf eine Reise in die Vergangenh­eit.

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