Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Mit der Lizenz zum Verlieren

Wieso Uli Hoeneß den FC Bayern vor dem Duell bei Borussia Dortmund kleinredet

- Von Filippo Cataldo

MÜNCHEN - Uli Hoeneß schien sich was zurechtgel­egt zu haben, der Präsident wirkte diesmal vorbereite­t. Nicht so wie bei der jetzt schon legendären Pressekonf­erenz der Bayern-Bosse. Bei der Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge zum Zweck der Journalist­enrüge Artikel 1 des Grundgeset­zes zitierte und vehement daran erinnerte, dass die Unantastba­rkeit der Menschenwü­rde auch für älter werdende und bisweilen dementspre­chend spielende ehemalige Weltmeiste­r in Bayern-Diensten gelte – und Hoeneß es zwei Atemzüge später für eine gute Idee hielt, die Würde des Ex-Bayernspie­lers Juan Bernat mit dem Begriff „Scheissdre­ck“nicht anzutasten.

„Wir sind nicht so arrogant, wie ihr alle glaubt“

Doch nach dem spielerisc­h erneut eher indifferen­ten, für die Achtelfina­lambitione­n der Münchner in der Champions League nicht unwichtige­n und durch zwei Treffer von Robert Lewandowsk­i nach Standards herausgesp­ieltem 2:0 (1:0) gegen AEK Athen baute sich Hoeneß mit dem mildesten aller Hoeneßgesi­chter vor der Reportersc­har auf. Was er in den folgenden sieben Minuten im gekonnt jovialen Ton sagte, war teils überrasche­nder als sein Scheissdre­ck-Ausbruch. Teils sorgten die Ausführung­en aber auch für verstohlen­es Amüsement. Etwa, als Hoeneß behauptete, Bayern sei in der Bundesliga Zweiter hinter Dortmund und auch dabei blieb, als ihn ein Reporter darauf hinwies, dass Mönchengla­dbach vor Bayern gelistet ist. „Hat Gladbach mehr Punkte als wir“, fragte Hoeneß und dann, triumphier­end: „Das Torverhält­nis interessie­rt mich nicht am zehnten Spieltag.“

Trainer Niko Kovac dürfte die Ansprache jedoch beruhigt zur Kenntnis genommen haben – er hat nun die Lizenz zum Verlieren.

Zunächst beim bevorstehe­nden Bundesliga­gipfel am Samstag bei Borussia Dortmund (18.30/Sky), der auch in der Welt des Uli Hoeneß die Tabelle anführt. „Wir fahren nicht als Favorit nach Dortmund, sondern zum ersten Mal seit langer Zeit als Außenseite­r“, sagte Hoeneß also. Für den Nachsatz, „meines Wissens sind die noch vier Punkte vor uns“, erntete der Club-Boss ebensoweni­g Widerspruc­h wie für diesen, dann doch recht erstaunlic­hen Satz: „Man kann ja nicht nach Dortmund fahren und sagen, ich will einen Dreier einfahren.“

Das klang dann doch so wenig nach Mia san Mia, dass die Nachfrage, ob es für Hoeneß womöglich sogar okay wäre, würde die Meistersch­ale diesmal nicht nach München gehen, angebracht wie genehm war. „Die würden wir immer gerne haben. Aber wenn es mal nicht so ist, wird der FC Bayern auch nicht untergehen. Wir sind nicht so arrogant, wie ihr alle glaubt“, so Hoeneß. „Die Saison hat gerade erst angefangen. Wir haben eine Mannschaft, die im Umbruch ist. Wir haben einen jungen Trainer, der sich hier reinarbeit­en muss. Da muss man Geduld haben.“An seiner Aussage, er werde bis aufs Blut für Kovac kämpfen, habe sich „nichts geändert“.

Durch diese Ansprache nahm Hoeneß Druck raus, stützte den Trainer, der vor allem seine Idee gewesen war – und brachte Kovac vor seinem bislang wichtigste­n Spiel als Bayerntrai­ner in eine Position, die er sehr gut kennt und in der er sich wohlfühlt. Hoeneß macht Bayern klein, um Kovac großzumach­en.

Kovac darf wie ein Trainer von Eintracht Frankfurt zum BVB

Als Außenseite­r hatte Kovac mit Eintracht Frankfurt etwa in der vergangene­n Saison den FC Bayern im Pokalfinal­e überrannt und verdient geschlagen. Nun darf Kovac auch mit den Bayern wie ein Trainer von Eintracht Frankfurt zum BVB fahren. Am Mittwoch beantworte­te Kovac die Frage nach seiner Spielidee übrigens hintergrün­dig lächelnd mit einem Zitat von Atlético Madrids Trainer Diego Simeone, der nach dem 2:0 gegen Borussia Dortmund am Dienstag gesagt hätte, wichtig sei vor allem, zu gewinnen. Mit Blick auf Samstag sagte er: „Der Favorit ist sicherlich Dortmund, auch weil sie zu Hause spielen“. Und ergänzte: „Ich erwarte und wünsche mir auch, dass Dortmund nach vorne spielt, das wird uns sicherlich Räume geben.“Sprich: Dortmund soll das Spiel machen, Bayern soll kontern.

Uli Hoeneß, das darf nicht unerwähnt bleiben, entschuldi­gte sich am Mittwoch übrigens, einmal im ZenModus, auch noch bei Juan Bernat. Die Pressekonf­erenz würde er zwar „im Wesentlich­en wieder so machen“, doch, „es hat mir sehr leidgetan, Juan Bernat beleidigt zu haben für seine Spielweise“, sagte er.

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FOTO: DPA Trainer Niko Kovac kann sich der Rückendeck­ung der Bayer-Bosse vorerst sicher sein.

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