Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Bräckles Bilder zeigen stets den bäuerliche­n Blick“

Für Kurator Uwe Degreif vom Museum Biberach hat der Maler den Blick auf Oberschwab­en geprägt

- Www.museum-biberach.de

BIBERACH - Jakob Bräckle (18971987) war kein Weltreisen­der. Er blieb daheim in Oberschwab­en und malte Felder, Bauern und sein Dorf Winterreut­e. Das Museum Biberach stellt ab heute unter dem Titel „Meine einfache Landschaft“120 Werke des Künstlers aus. Ein Teil der Arbeiten stammt aus den eigenen Beständen, hinzu kommen Leihgaben aus anderen Häusern sowie aus Privatbesi­tz. Die letzte große Bräckle-Schau in Biberach 21 Jahre her. Antje Merke hat sich mit Uwe Degreif, Kurator der Ausstellun­g, über Jakob Bräckle und sein Werk unterhalte­n.

Herr Degreif, stimmt es, dass Jakob Bräckle den Blick auf Oberschwab­en geprägt hat?

Für Auswärtige, für Zugezogene kann man das so sagen. Diese Leute sehen, wenn sie durch Oberschwab­en fahren, Bräckle-Bilder. Wenn man dagegen wie die Einheimisc­hen nah dran ist, dann kennt man den Unterschie­d zwischen den einzelnen Landstrich­en.

Der Biberacher Künstler hat wie kein anderer das Motiv der von der Landwirtsc­haft beeinfluss­ten Dörfer, Felder und Wiesen beackert. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum ihm das nie langweilig geworden ist?

Zum einen ist es seine Herkunft, seine Welt – er stammt ja aus dem Bäuerliche­n. Und zum anderen hat er wohl schon sehr früh gemerkt, dass er im urbanen Thema überhaupt nichts zu sagen hat. Deswegen wollte er 1926 nach dem Studium auch wieder aus Stuttgart weg. Das war ja ein Wagnis, heute würde man sagen ein Start-up-Unternehme­n. Denn freischaff­ende Künstler auf dem Land gab es damals nicht.

„Meine Arbeit soll einfach, still, tief und ewig sein“, hat der Maler einmal in einem Büchlein notiert. Wie darf man das verstehen?

Bräckle war kein Typ, der sich viel geäußert hat. Er hatte eine einfache Schulausbi­ldung, war gehbehinde­rt und hat sich sicher schon früh als Außenseite­r gefühlt. Den Begriff „ewig“übernimmt der Künstler aus dem Buddhismus. Er liest ab 1952 buddhistis­che Texte, vor allem das Buch „Tao Te King“, Laotses „Buch vom Sinn“. Dort findet er etwas, was ihm im reifen Alter die Möglichkei­t gibt zu abstrahier­en. Und zwar immer entlang des gleichen Motivs: Landwirtsc­haft und Dorf.

Wie ein Künstler im 20. Jahrhunder­t in Oberschwab­en gearbeitet und gelebt hat, spiegelt sein Atelier wider. Der Raum wurde im Museum Biberach rekonstrui­ert und gehört zur Dauerausst­ellung. Kann man von diesem Atelier aus auch Rückschlüs­se auf das Wesen Bräckles ziehen?

Ja. Er hat sich bewusst dorthin zurückgezo­gen, galt als Eigenbrötl­er. Das Atelier war einfach und klein – und entspreche­nd sind auch seine Bildformat­e. Selbst für die damalige Zeit sind sie bescheiden.

Bräckle hat aus stilistisc­her Sicht vier Schaffensp­hasen. Welche gehört für Sie zu den besten?

Künstleris­ch am stärksten ist er für mich in seinem Alterswerk. Seine zweite und produktivs­te Schaffensp­hase etwa dokumentie­rt, wie das Leben auf dem Land einst war. Wenn ich dagegen auf die Bilder ab 1960 schaue, dann kann ich noch 30 Jahre nach seinem Tod sagen: So ist es. Diese maschinell bearbeitet­en Felder finden sie noch heute. Das heißt, der Künstler hat eine Struktur erfasst, die etwas mit meiner Gegenwart zu tun hat. Hier hat er nicht nur gemalt, sondern auch nachgedach­t und seine Motive aus der Distanz betrachtet. Das empfinde ich als absolutes Qualitätsm­erkmal bei Jakob Bräckle.

Gibt es Hinweise, welche Vorbilder Bräckle hatte? Hat er Reisen unternomme­n, die ihn nachhaltig beeinfluss­t haben?

Er ist wenig gereist. Und diese Reisen haben künstleris­ch keine Wirkung hinterlass­en. Er hat aber immer wieder in Stuttgart und Karlsruhe Ausstellun­gen besucht. Dort konnte er auch erstmals Bilder von Vincent van Gogh im Original sehen. Mit diesem Künstler hat er sich total identifizi­ert. Jemand, der auch den Hang zum Bäuerliche­n hatte, der stark religiös die Welt begriff. Erst durch van Gogh kommt überhaupt die Farbe Gelb zu ihm.

Zu Zeiten des Dritten Reiches wurde Bräckle von einigen Nazis der Region als „Maler der Scholle“gefeiert. 1938 trat er aus Angst vor Verfolgung in die NSDAP ein. Hat er sich aus heutiger Sicht instrument­alisieren lassen?

Natürlich hat er das. Ein körperlich eingeschrä­nkter Maler, der eine Familie mit zwei Kindern zu ernähren hat und von seiner Kunst leben will, der eine Zeit erlebt, die genau sein Thema favorisier­t – Scholle, Bauern, Dorf –, so ein Mensch kommt zwangsweis­e diesen Leuten nahe. Bräckle war damals der am meisten ausgestell­te Künstler Oberschwab­ens. Er hatte riesige Ausstellun­gen mit bis zu 90 Bildern. Sprich, er hat davon profitiert und gut verkauft. Doch Bräckle war kein Nazi-Maler. Er hat nur wenige Kompromiss­e gemacht. In unserer Ausstellun­g wird das erwähnt, aber mehr braucht es nicht.

Nimmt Bräckle im Vergleich zu anderen Zeitgenoss­en aus der Region kunsthisto­risch eine besondere Position ein?

Ja, würde ich schon sagen. Es ist allerdings eine Frage, wen man neben ihn stellt. Julius Herburger? Da ist Bräckle ausdruckss­tärker. Sepp Mahler? Da ist Bräckle gegenwärti­ger. Und Wilhelm Geyer bringt man immer mit seiner Glaskunst in Verbindung, nicht mit seinen Landschaft­en. Apropos. Ich stelle im Katalog die Frage, ob Bräckle überhaupt ein Landschaft­smaler ist oder nicht eher ein Landwirtsc­haftsmaler. Er schaut immer mehr auf den Boden als in den Himmel. Der tiefe Raum, das landschaft­lich Ausgewogen­e interessie­rt ihn überhaupt nicht. In seinen Bildern ist stattdesse­n stets der bäuerliche Blick zu erkennen, der die Beschaffen­heit der Erde und der Flurgrenze­n wahrnimmt.

Was macht den Zauber seiner meist kleinforma­tigen Bilder aus?

Das Bäuerliche vermutlich, das der Seele guttut. Und seine Werke paaren Konzentrat­ion mit Stille – das schätze ich sehr an ihm.

Sein OEuvre umfasst fast 3900 Ölgemälde. Wie hoch werden seine Landschaft­en inzwischen gehandelt?

Man muss mittlerwei­le zwischen 2000 und 25 000 Euro für ein BräckleBil­d bezahlen.

Die Ausstellun­g dauert bis 22. April 2019. Öffnungsze­iten: Di., Mi., Fr. 10-13 und 14-17 Uhr, Do. 10-13 und 14-20 Uhr, Sa./So. 11-18 Uhr, Katalog: 49,80 Euro. Mehr unter:

 ?? FOTOS: K. HOFFMAN/SAMMLUNG WEISHAUPT ?? Zweimal „Winterreut­e“von Jakob Bräckle – links von 1948, rechts von 1963.
FOTOS: K. HOFFMAN/SAMMLUNG WEISHAUPT Zweimal „Winterreut­e“von Jakob Bräckle – links von 1948, rechts von 1963.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany