Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Fluglotsen weisen nicht mit Kellen Flugzeuge ein
Karl Geiger wird als Einziger aus einer Gruppe von 40 Bewerbern für die anspruchsvolle Ausbildung ausgewählt
MENGEN/LANGEN – Fluglotse werden – nur für wenige Bewerber erfüllt sich dieser Wunsch. Karl Geiger hat das anspruchsvolle Auswahlverfahren geschafft: Der 19-Jährige aus Mengen erlernt seit Ende Juli den Beruf des Fluglotsen an der Akademie der DFS (Deutsche Flugsicherung) in Langen in der Nähe von Frankfurt. Das bundeseigene Unternehmen ist für die Flugsicherung an den 16 internationalen Verkehrsflughäfen in Deutschland zuständig und kontrolliert den Luftraum in vier Radarkontrollzentralen.
Zum ersten Mal hoch oben auf dem Tower stehen, der weite Überblick über die Flugzeuge am Boden, der Blick auf den Horizont: Für Karl Geiger war das ein ganz besonderer Moment. „Das ist schon echt cool“, sagt er mit leuchtenden Augen. Auch den Erzählungen seines damaligen Fluglehrers – Karl Geiger ist auch Segelflieger – hat er interessiert zugehört, denn der Fluglehrer war früher selbst Fluglotse.
Pilot als Alternative
Für Karl Geiger stand spätestens nach dem Besuch auf dem Tower fest, sich um eine Ausbildung als Fluglotse bei der DFS zu bewerben. Wohl wissend, dass das Auswahlverfahren als sehr anspruchsvoll gilt. „Ich bin hingegangen und habe gesagt: Ich geb‘ mein Bestes, ich probier‘s, ich will‘s auf jeden Fall schaffen“, sagt er. Falls er das Auswahlverfahren nicht bestanden hätte, hätte er sich vielleicht noch um eine Pilotenausbildung bemüht.
Fluglotse, manch einer denkt dabei an einen Flughafen-Mitarbeiter, der mit Kellen in der Hand Flugzeugen beim Einparken die Richtung weist. Solche Mitarbeiter gibt es zwar tatsächlich, das sind aber keine Fluglotsen. „Das ist echt erschreckend, wie weit verbreitet das Klischee ist: Der mit den Kellen“, sagt Geiger lachend. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Fluglotsen. Die Tower-Lotsen erteilen Start- und Landefreigaben, dafür benötigen sie Sichtkontakt zu den Flugzeugen. Außerdem kümmern sie sich um den Bereich rund um den Flughafen, die sogenannte Kontrollzone.
Für die Center-Lotsen, die in einer Radarkontrollzentrale (Center) arbeiten, sind die Flugzeuge hingegen nur kleine Punkte auf einem Bildschirm. Sie sind für die An- und Abflugkontrolle sowie für den Streckenflug zuständig – der Center-Lotse muss dafür sorgen, dass sich die Flugzeuge während ihres Fluges nicht zu nahe kommen. Er beobachtet die Flugzeuge am Radar und gibt dem Piloten Höhen- und Richtungsänderungen vor, die dieser dann befolgen muss.
Große Verantwortung
Kein Geheimnis macht die DFS darum, dass Fluglotsen sehr gut bezahlt werden. Aber sie haben auch eine hohe Verantwortung, schließlich hängt das Leben von Piloten und Passagieren auch von ihrer Arbeit ab. Momentan sind Fluglotsen gesucht. Karl Geiger reizt an dem Beruf vor allem, dass es einem nie langweilig werde. „Jeden Tag gibt es eine neue Verkehrssituation, jeden Tag gibt es neue Aufgaben, andere Probleme, die du lösen musst. Jedes Mal musst du neu nachdenken: wie löse ich das am besten?“, sagt er.
Vor dem Start an der Akademie stand ein mehrstufiges Auswahlverfahren. Nach dem Abitur im Jahr 2017 am Mengener Gymnasium und noch während eines anschließenden halbjährigen Auslandsaufenthalts in Neuseeland bewarb sich Geiger bei der DFS. Er absolvierte zunächst einen Online-Fragebogen, dann kam die Einladung für ein erstes Auswahlverfahren im Juni dieses Jahres in Hamburg am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. „Es gab am ersten Tag computerbasierte Tests, in denen beispielsweise das räumliche Vorstellungsvermögen, die Sprachkompetenz in Englisch und die Konzentrationsfähigkeit geprüft wurden“, berichtet er. Die Tests am zweiten Tag zielten auf die Multitasking-Fähigkeit der Bewerber ab.
Geiger schaffte das erste Auswahlverfahren und bekam die Einladung für ein zweites Auswahlverfahren in Hamburg für Ende Juni – der Termin kollidierte mit dem Southside-Festival in Neuhausen ob Eck. Klar, was wichtiger war: „Da habe ich dann noch kurzfristig mein Southside-Ticket verkauft“, sagt er lachend. Das zweite Auswahlverfahren bestand aus einem Assessment-Center, einer mündlichen Englischprüfung und einem Gespräch mit einer Auswahlkommission. Auch diese Hürde nahm er, er bekam nach einem medizinischen Check eine Zusage – und zwar als Einziger in einer Auswahlgruppe von 40 Bewerbern. Konkurrenz unter den Bewerbern gebe es jedoch nicht – der DFS komme es darauf an, die geeigneten Bewerber mit bestimmten Fähigkeiten zu finden. „Entweder ich habe beispielsweise räumliches Vorstellungsvermögen oder ich hab’s nicht“, erläutert er. Entsprechend bekämen manchmal auch sechs Leute einer Auswahlgruppe eine Zusage.
Zuständig für oberen Luftraum
„Es gibt drei verschiedene Ausbildungen: Es gibt den Tower-Lotsen, den Lower-Center-Lotsen und den Upper-Center-Lotsen“, erklärt Geiger. „Lower“steht hierbei für den unteren, „upper“für den oberen Luftraum. Karl Geiger weiß bereits jetzt schon, dass er als Center-Lotse für den oberen Luftraum ausgebildet wird. Ob Tower oder Center – „ich find‘ beides cool“, sagt er. Voller Begeisterung schildert er, wie viel Spaß ihm die Arbeit am Simulator mache. Auch fühlt er sich an der Akademie wohl. Man spüre, dass die DFS ein Interesse daran habe, dass die angehenden Fluglotsen am Ende die Ausbildung auch bestehen. Dies ist nämlich kein Selbstläufer: Ein grober Richtwert besagt laut Geiger, dass etwa 70 Prozent eines Ausbildungs-Kurses, der in der Regel aus acht bis 16 Azubis besteht, die Ausbildung erfolgreich absolvieren.
Ausbilder greift im Notfall ein
Die erste Ausbildungsphase in Langen dauert ein gutes Jahr. Die Auszubildenden erlernen theoretische Grundlagen und üben am Simulator. Die zweite Phase wird dann „Training-on-the-job“genannt: Die Fluglotsen arbeiten im Tower oder Center. Hinter ihnen sitzt dabei ein erfahrener Fluglotse als Ausbilder, der im Notfall eingreift. Eigene Flugerfahrung ist nicht notwendig, um Fluglotse zu werden: In seinem Kurs mit 16 Auszubildenden hätten nur drei einen Flugschein, so Geiger. Sein Segelflughobby will der 19-Jährige, der die ersten 14 Jahre seines Lebens in Ostrach-Einhart wohnte, weiter verfolgen. Er ist Mitglied der Luftsportgruppe Ravensburg, die am Flugplatz Mengen ansässig ist. Bis kurz vor dem Ausbildungsbeginn war er Jugendleiter im Verein. „Was ich so schön finde am Segelfliegen, ist, dass du keinen Motorenlärm hast. Da oben ist Ruhe. Sobald du abhebst, bleibt alles am Boden.“