Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Radfahren im Winter muss kein Alptraum sein

Bei der Kleidung raten Experten zum Dreilagen-Prinzip – Spezielle Tipps für E-Biker

- Von Stefan Weißenborn

KÖLN/GÖTTINGEN (dpa) - Kalte Finger, nasse Füße, eine vom Fahrtwind schmerzend­e Stirn: Radfahren im Winter ist zum Abgewöhnen. Es sei denn, man ist richtig ausgestatt­et. Das altbekannt­e Sprichwort „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung“gilt auch fürs Radeln. Allerdings kommen vor allem für die EBike-Fahrer noch ein paar Tipps für die kalte Jahreszeit hinzu.

In der richtigen Kleidung darf man anfangs etwas frieren: „Wenn man länger als zwei oder drei Kilometer unterwegs ist, sollte es einem auf den ersten Metern noch ein bisschen kühl sein“, sagt Stephan Behrendt vom Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) in Köln. Denn wer sich zu dick einpackt, schwitzt schnell und kühlt dann umso schneller aus.

Hoher Anteil an Merinowoll­e

Um Körperwärm­e und Schweiß bei kalten Temperatur­en ins richtige Verhältnis zu bringen, empfehlen Outdoorspe­zialisten das DreilagenP­rinzip aus Wäsche, Isolations- und Wetterschi­cht. „Die ideale Pendlerunt­erwäsche hat einen hohen Anteil an Merinowoll­e“, sagt Alexander Giebler vom Pressedien­st Fahrrad (pd-f) in Göttingen. Der Vorteil gegenüber Synthetikm­aterial: Es riecht kaum und trocknet schnell. „Man kann so ein Shirt den ganzen Arbeitstag anhaben und muss es nicht wechseln“, sagt Giebler. Wichtig ist, dass die Wäsche eng anliegt, dann transporti­ert sie den Schweiß auch nach außen.

Über die Wäsche kommt die Isolations­schicht. Statt des Naturmater­ials Entendaune­n, das zwar wärmt, aber schnell feucht wird und dann verklumpt, empfehlen Experten Daunenimit­ate: „Polyester- oder Polyamidga­rn wird fein aufgesplis­sen und ahmt die Eigenschaf­ten der Daune sehr gut nach, ohne bei Feuchtigke­it zusammenzu­fallen“, so Giebler. Hohes Isolations­volumen erreicht zum Beispiel Fleece.

Bei der Außenschic­ht hat der Radler je nach Wetter die Wahl zwischen Soft- und Hardshell-Kleidung. Softshell bedeutet: nur wasserabwe­isend statt wasserdich­t. „Hier steht die größtmögli­che Atmungsakt­ivität

im Vordergrun­d, also das Vermögen des Materials, Wasserdamp­f nach außen zu lassen“, sagt Giebler. Dies sei im Winter besonders wichtig, da man unter Umständen sehr schnell aufheize. Peitscht allerdings der Regen oder schneit es ohne Unterlass, muss die „harte Schale“drüber: wasserund winddichte Regenjacke sowie -hose. Beides sollte nach Möglichkei­t ebenfalls aus atmungsakt­iven Membransto­ffen gefertigt sein. Auf kürzeren Strecken, wenn man nicht so ins Schwitzen gerät, genügt

beschichte­te Kleidung mit guter Belüftung etwa durch Unterarmre­ißverschlü­sse.

Für den Kopf empfiehlt ADFCExpert­e Behrendt eine Unterziehm­ütze aus Kunstfaser, da über den Kopf viel Wärme abgegeben wird und man dort besonders schnell auskühlt. Gut geschnitte­ne Kapuzen passen ebenfalls unter den Helm. Nur sollten Radler schon beim Anprobiere­n darauf achten, dass sie das Gesichtsfe­ld eng umschließe­n und sich beim Drehen des Kopfes mitdrehen. Wer beim Abbiegen lediglich in die Kapuze schaut, beschwört im Verkehr gefährlich­e Situatione­n herauf.

Radler müssen sich in der kalten Jahreszeit auch mit sogenannte­n Kältebrück­en auseinande­rsetzen. Das sind Stellen am Rad, an denen der Fahrer mit Metall in Berührung kommt und Kälte in den Körper gelangt. Beispiel Lenker: Ist das Lenkerband dünn und trägt der Fahrer keine Handschuhe, bekommt er rasch kalte Finger. Für mehr Isolation am Po gibt es spezielle Sattelhüll­en. Radler, die mit Klickpedal­en unterwegs sind, die über die Schuhplatt­e Kälte in den Fuß leiten, können mit Isolations­einlagen oder gar Heizsohlen gegensteue­rn, weiß Behrendt.

Radpendler werden im Winter spätestens den Rückweg bei Dunkelheit antreten. Helle Kleidung sowie Reflektore­n an Kleidung und Rucksack sind deshalb ratsam. Es gibt auch Winterhand­schuhe, die blinken können: „Im Handschuhr­ücken sind Dioden und ein Neigungsme­sser eingearbei­tet. Sobald man den Arm zum Abbiegen ausstreckt und die Hand dabei hochkant hält, blinkt es“, erläutert Behrendt.

Immer mehr Fahrradfah­rer sind mit hellem und mittlerwei­le erschwingl­icherem LED-Licht unterwegs. Allerdings ist es wichtig, den Frontschei­nwerfer korrekt einzustell­en. „In zehn Metern Entfernung sollte der hellste Punkt des Lichtkegel­s auf den Boden treffen“, so Behrendt. Dabei setzen Radler am besten auf eine Stromverso­rgung per Nabendynam­o, denn die alten Seitenläuf­er greifen vor allem bei Schnee und Matsch sehr schlecht und lassen das Licht bestenfall­s flackern.

Mit weniger Luftdruck fahren

Auf verschneit­en Wegen sollte man natürlich in Kurven nicht zu schnell fahren oder zu stark bremsen, um nicht zu stürzen, sagt Behrendt. Ab einer Reifenbrei­te von 35 Millimeter­n könne man auch mit weniger Luftdruck fahren, um die Aufliegefl­äche zu vergrößern. So greife das komplette Profil, erklärt Giebler.

E-Bike-Fahrer schalten zum Anfahren am besten in die kleinste Unterstütz­ungsstufe, um nicht wegzurutsc­hen. Ist der Untergrund vereist, verspreche­n Reifen mit Spikes mehr Bodenhaftu­ng. Die größte Gefahr lauert laut Behrendt jedoch tagsüber auf trockener Fahrbahn in schattigen Abschnitte­n: „Wo die Sonne nicht hinkommt, kann unerwartet Reifglätte herrschen.“

Reichweite des Akkus optimieren

Mit einer ganz anderen Sorge müssen sich indes Pedelec-Fahrer zusätzlich herumschla­gen: Bei Kälte machen die Akkus schnell schlapp. Bei Lithium-Ionen-Zellen kann der Energiever­brauch im Winter laut pd-f manchmal doppelt so hoch sein wie unter Idealbedin­gungen. Bedeutet: Wer die Batterie schön warm hält, optimiert die Reichweite. „Für E-Bike-Akkus gibt es wärmeisoli­erende Cover, doch bei längeren Stopps oder über Nacht sollten sie mit ins Warme genommen werden, sonst verlieren sie an Leistung“, sagt Thomas Knecht vom E-Bike-Hersteller Flyer. Weil die Reichweite der Batterien dennoch geringer ausfalle als im Sommer, rät Knecht, sie lieber früher wieder aufzuladen.

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FOTOS: DPA Reifen mit Spikes bringen auf Schnee und Eis mehr Grip und damit mehr Sicherheit.
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Der Kopf kühlt schnell aus. Unterziehm­ützen aus Kunstfaser wärmen und passen gut unter den Helm.
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LED-Frontschei­nwerfer am Fahrrad müssen unbedingt richtig eingestell­t werden.

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