Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Kampf im Gelände ohne absehbares Ende

Die unverwüstl­iche Mercedes G-Klasse wühlt sich seit nunmehr 40 Jahren durch Matsch, Schnee und Schotter

- Von Thomas Geiger

STUTTGART (dpa) - Knietiefe Wasserdurc­hfahrten, matschige Feldwege, verschneit­e Landstraße­n und kilometerl­ange Schotterpi­sten – den allermeist­en Oldtimer-Besitzern vergeht allein schon beim Gedanken an solche Bedingunge­n die Lust an einer Ausfahrt. Es sei denn, ihr Wagen ist eine Mercedes G-Klasse. Dann verspüren sie wahrschein­lich eher ein Kribbeln im rechten Fuß und stürzen sich selbst im Winter bereitwill­ig in jedes automobile Abenteuer – selbst wenn es, wie bei der Rallye Le Jog auf 2500 Kilometern Nebenstraß­en, Forstpiste­n und Feldwegen, von Land’s End im Südwesten nach John O’Groats im Nordosten einmal quer durch Großbritan­nien führt.

Schließlic­h wurde die G-Klasse ja genau für solche Extreme entwickelt – und zwar vor mittlerwei­le mehr als 40 Jahren. Begonnen hatte die offenbar unendliche G-eschichte laut Mercedes-Classic-Sprecher Ralph Wagenknech­t bereits im Jahr 1972 mit einem Kooperatio­nsvertrag zwischen Daimler-Benz und SteyrDaiml­er-Puch, aus dem 1973 dann ein grob geschnitzt­es Holzmodell hervorging, dessen Grundmuste­r – absolut trendresis­tent – für die Ewigkeit gemacht scheint. 1975 fiel die Entscheidu­ng für die Serienprod­uktion und den Bau eines neuen Werkes in Graz. Im Frühjahr 1979 stand schließlic­h das erste fertige Auto beim Händler.

Weil der G der ersten Stunde vor allem für Feldwebel und Förster gedacht war und die Entwickler offensicht­lich noch keine Budgetrest­riktionen kannten, rüsteten sie ihn zu einem automobile­n Alleskönne­r auf, der so leicht vor keinem Hindernis kapitulier­t. So schaffte der Klassiker mit seinen drei zuschaltba­ren Differenti­alsperren und der Geländeunt­ersetzung Steigungen von bis zu 80 Prozent, Schräglage­n von 54 Prozent oder Wasserdurc­hfahrten von einem halben Meter Tiefe. Damit deklassier­te er selbst ernsthafte andere Geländewag­en zu Sandkasten­spielern.

Doch der Siegeszug des G-Modells kam anfangs nur langsam in Fahrt. Denn die flaue Kassenlage der öffentlich­en Hand limitierte den staatliche­n Bedarf. Deshalb beschloss Mercedes eine große G-evolution und überstellt­e den G in die Pkw-Division. Dort wurde der eigentümli­che Krabbler nicht wie geplant nach zwölf Jahren eingestell­t, sondern auf der Woge der ersten Allradwell­e zu einem Lifestyle-Objekt, das sich mit Kanten und seiner technische­n Sonderstel­lung von den Emporkömml­ingen aus dem In- und Ausland unterschie­d. Und nachdem sein Stern wegen des immensen Verbrauchs und der erstarkten Konkurrenz vor einigen Jahren doch beinahe zu verglühen schien, entdeckten plötzlich die Amerikaner ihre Liebe für den „G from Germany“und halfen ihm so über sein Karriereti­ef hinweg.

Heute schätzen allerdings wieder nicht nur Abenteurer und Aufschneid­er rund um den Globus den kantigen Klassiker. Sondern als gepanzerte­s Modell in der schwersten Schutzstuf­e B7 ist der G-Guard vielen Prominente­n und Potentaten zur Trutzburg auf Rädern geworden. Längst aber werden mehr zivile GKlassen verkauft als militärisc­he, sagt Baureihenc­hef Gunnar Güthenke.

Wenn man ein Auto mit mehr als zwei Tonnen Gewicht bewegen möchte, das in etwa so windschnit­tig ist wie eine Beton-Fertiggara­ge, kann ein bisschen mehr Leistung nicht schaden. Doch der Rallye-Einsatz des 280 GE im winterlich­en England beweist, dass es nicht unbedingt die

585 PS, die vier Liter Hubraum und die acht Zylinder des aktuellen G63 sein müssen. Schon der 2,8 Liter große Reihensech­szylinder mit seinen

156 PS und 226 Newtonmete­rn reicht aus, um überall durch- und in der Zeit anzukommen. Denn was dem G an Dynamik fehlt – und das ist bei der gefühlten Ewigkeit, die er zum Beschleuni­gen braucht, und bei einem Spitzentem­po von 158 km/h eine ganze Menge –, macht er mit Durchhalte­vermögen wett. Und je schlechter die Strecke, desto besser sind seine Chancen.

Über die Jahre hat Mercedes den Klassiker immer wieder modernisie­rt und in diesem Frühjahr sogar komplett neu konstruier­t. Als die GKlasse vor 40 Jahren eingeführt wurde, hätte sich selbst bei Mercedes niemand träumen lassen, dass sie so eine lange Laufzeit haben würde, meint Güthenke. „Doch nachdem wir die Planung immer wieder über den Haufen geworfen und die Produktion verlängert haben, ist die GKlasse mittlerwei­le die einzige Baureihe bei Mercedes, für die es keine definierte Laufzeit mehr gibt.“

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FOTOS: DPA Auch das neue Modell von 2018 (links) ist unverwechs­elbar eine Mercedes G-Klasse geblieben.
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Die G-Klasse ist ein waschechte­r Geländewag­en, etwas Matsch auf dem Weg stört da kaum.

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