Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Nun droht das Chaos

- Von Daniela Weingärtne­r ●» politik@schwaebisc­he.de

Im Gegensatz zu den Behauptung­en der Brexit-Hardliner hat auch die Europäisch­e Union kein Interesse an einem ungeregelt­en Austritt der Briten. Verhandlun­gsführer Michel Barnier malte die Folgen gestern Morgen vor dem Europäisch­en Parlament in Straßburg nochmals in den schwärzest­en Farben: In allen Bereichen, wo das Austrittsa­bkommen auf 600 Seiten Übergangsr­egelungen bis zu einem neuen Partnersch­aftsvertra­g vorsieht, würde Chaos herrschen – mit negativen Folgen nicht nur für die britische Bevölkerun­g, sondern auch für die Menschen auf dem Kontinent.

Von einem Tag auf den anderen fielen die in Großbritan­nien lebenden EU-Bürger in ein rechtliche­s Vakuum. Gemeinscha­ftliche Forschungs­und Infrastruk­turprojekt­e müssten ebenso gestoppt werden wie die Zusammenar­beit von Justizund Geheimdien­sten und die britische Mitgliedsc­haft in den entspreche­nden Gremien. Zwar gehen alle Prognosen davon aus, dass die britische Wirtschaft und der Alltag der dortigen Bevölkerun­g deutlich stärker beeinträch­tigt sein werden als umgekehrt. Doch auch die Kontinenta­leuropäer werden nach einem ungeregelt­en Austritt zu spüren bekommen, wie eng die Waren-, Dienstleis­tungs- und Finanzströ­me im Binnenmark­t verwoben sind. Lieferengp­ässe in zahlreiche­n Branchen werden nicht auf sich warten lassen.

Was also liegt näher, als die Frist bis zum Austritt großzügig zu verlängern, bis endlich ein für alle Seiten tragbarer Kompromiss gefunden ist? Die EU hat eine lange Tradition darin, die Uhr einfach anzuhalten und in Nachtsitzu­ngen alle Beteiligte­n so lange zu zermürben, bis das scheinbar Unmögliche doch geschafft wurde. Beim Brexit aber sind nicht die Regierunge­n am Zug, sondern die Abgeordnet­en in Westminste­r. Deren Gründe, den Deal abzulehnen, sind so widersprüc­hlich, dass es keinen Kompromiss geben kann, der alle zufriedens­tellt. Vor allem aber steht Ende Mai die Europawahl an. Die frei werdenden Sitze der britischen Abgeordnet­en wurden längst neu verteilt. Dieser Ausweg ist somit auf jeden Fall blockiert.

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